Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791.

Bild:
<< vorherige Seite

so gerne verschiebt; was allein im Stande ist, uns den
Eingang in das Reich Gottes zu öffnen; was am schwer-
sten zur Vollkommenheit gedeihet; was durch nichts
anders ersetzt werden kann; womit Jesus, Petrus, Jo-
hannes, Paulus ihr Predigtamt anfiengen -- -- Busse.
Und sie wäre wahrhaftig keine Christenlehre für Men-
schen
, wenn sie dieselben, statt zur Sinnesänderung zu
führen, nach Art der gemeinen Wissenschaften, nur mit
Entwicklung der Begriffe, worinn doch kein ewiges
Heil für unsterbliche, des ewigen Wohlseyns fähige
Geister ist, beschäftigte. Sie will zuerst gute Bäume ha-
ben: dann kommen die guten Früchte von selbst. Sie
dringt zuerst auf Erneurung des Grundes: dann gedei-
hen die guten Gewächse im gesunden Boden.

Sie zieht c. den, welcher fähig ist, durch die
sanftern Seile der Dankbarkeit gezogen zu werden,
durch diese sanftern Seile zur Gegenliebe: Darum so
lasset uns Gott lieben, denn Er hat uns zuvor geliebet

(I. Joh. IV. 19.). "Die höchste Liebe nicht nur ein Ge-
genstand -- sondern auch ein Motiv der Liebe!"

So wird besonders die Vergebung der Sünden,
diese grosse Wohlthat, die keine Bemühung verdienen,
und kein Unerfahrner nach ihrem Werthe schätzen
kann, in dem Menschen, der Gnade gefunden, eine
unsterbliche Nahrung der Liebe gegen Gott; wie
die Sünderinn vor den Füssen Jesu, seine Gleichniss-
rede von den zweyen Schuldnern (Luk. VII.), und
die Beyspiele des liebenden Petrus und des liebenden Pau-
lus etc. beweisen, die in der Gnade des Sündennach-

lasses

ſo gerne verſchiebt; was allein im Stande iſt, uns den
Eingang in das Reich Gottes zu öffnen; was am ſchwer-
ſten zur Vollkommenheit gedeihet; was durch nichts
anders erſetzt werden kann; womit Jeſus, Petrus, Jo-
hannes, Paulus ihr Predigtamt anfiengen — — Buſſe.
Und ſie wäre wahrhaftig keine Chriſtenlehre für Men-
ſchen
, wenn ſie dieſelben, ſtatt zur Sinnesänderung zu
führen, nach Art der gemeinen Wiſſenſchaften, nur mit
Entwicklung der Begriffe, worinn doch kein ewiges
Heil für unſterbliche, des ewigen Wohlſeyns fähige
Geiſter iſt, beſchäftigte. Sie will zuerſt gute Bäume ha-
ben: dann kommen die guten Früchte von ſelbſt. Sie
dringt zuerſt auf Erneurung des Grundes: dann gedei-
hen die guten Gewächſe im geſunden Boden.

Sie zieht c. den, welcher fähig iſt, durch die
ſanftern Seile der Dankbarkeit gezogen zu werden,
durch dieſe ſanftern Seile zur Gegenliebe: Darum ſo
laſſet uns Gott lieben, denn Er hat uns zuvor geliebet

(I. Joh. IV. 19.). „Die höchſte Liebe nicht nur ein Ge-
genſtand — ſondern auch ein Motiv der Liebe!“

So wird beſonders die Vergebung der Sünden,
dieſe groſſe Wohlthat, die keine Bemühung verdienen,
und kein Unerfahrner nach ihrem Werthe ſchätzen
kann, in dem Menſchen, der Gnade gefunden, eine
unſterbliche Nahrung der Liebe gegen Gott; wie
die Sünderinn vor den Füſſen Jeſu, ſeine Gleichniſs-
rede von den zweyen Schuldnern (Luk. VII.), und
die Beyſpiele des liebenden Petrus und des liebenden Pau-
lus etc. beweiſen, die in der Gnade des Sündennach-

laſſes
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0086" n="72"/>
&#x017F;o gerne ver&#x017F;chiebt; was allein im Stande i&#x017F;t, uns den<lb/>
Eingang in das Reich Gottes zu öffnen; was am &#x017F;chwer-<lb/>
&#x017F;ten zur Vollkommenheit gedeihet; was durch nichts<lb/>
anders er&#x017F;etzt werden kann; womit Je&#x017F;us, Petrus, Jo-<lb/>
hannes, Paulus ihr Predigtamt anfiengen &#x2014; &#x2014; <hi rendition="#i"><hi rendition="#g">Bu&#x017F;&#x017F;e</hi></hi>.<lb/>
Und &#x017F;ie wäre wahrhaftig keine Chri&#x017F;tenlehre für <hi rendition="#i">Men-<lb/>
&#x017F;chen</hi>, wenn &#x017F;ie die&#x017F;elben, &#x017F;tatt zur <hi rendition="#i">Sinnesänderung</hi> zu<lb/>
führen, nach Art der gemeinen Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, nur mit<lb/><hi rendition="#i">Entwicklung</hi> der <hi rendition="#i">Begriffe</hi>, worinn doch kein <hi rendition="#i">ewiges</hi><lb/>
Heil für un&#x017F;terbliche, des <hi rendition="#i">ewigen</hi> Wohl&#x017F;eyns fähige<lb/>
Gei&#x017F;ter i&#x017F;t, be&#x017F;chäftigte. Sie will <hi rendition="#i">zuer&#x017F;t</hi> gute Bäume ha-<lb/>
ben: <hi rendition="#i">dann</hi> kommen die guten Früchte von &#x017F;elb&#x017F;t. Sie<lb/>
dringt <hi rendition="#i">zuer&#x017F;t</hi> auf Erneurung des Grundes: <hi rendition="#i">dann</hi> gedei-<lb/>
hen die guten Gewäch&#x017F;e im ge&#x017F;unden Boden.</p><lb/>
            <p>Sie zieht <hi rendition="#i">c.</hi> den, welcher fähig i&#x017F;t, durch die<lb/>
&#x017F;anftern Seile der <hi rendition="#i">Dankbarkeit</hi> gezogen zu werden,<lb/>
durch die&#x017F;e &#x017F;anftern Seile zur Gegenliebe: <hi rendition="#i">Darum &#x017F;o<lb/>
la&#x017F;&#x017F;et uns Gott lieben, denn Er hat uns zuvor geliebet</hi><lb/>
(I. Joh. IV. 19.). &#x201E;Die höch&#x017F;te Liebe nicht nur ein Ge-<lb/>
gen&#x017F;tand &#x2014; &#x017F;ondern auch ein Motiv der Liebe!&#x201C;</p><lb/>
            <p>So wird be&#x017F;onders die <hi rendition="#i">Vergebung der Sünden</hi>,<lb/>
die&#x017F;e gro&#x017F;&#x017F;e Wohlthat, die keine Bemühung verdienen,<lb/>
und kein Unerfahrner nach ihrem Werthe &#x017F;chätzen<lb/>
kann, in dem Men&#x017F;chen, der Gnade gefunden, eine<lb/>
un&#x017F;terbliche Nahrung der Liebe gegen Gott; wie<lb/>
die Sünderinn vor den Fü&#x017F;&#x017F;en Je&#x017F;u, &#x017F;eine Gleichni&#x017F;s-<lb/>
rede von den zweyen Schuldnern (Luk. VII.), und<lb/>
die Bey&#x017F;piele des <hi rendition="#i">liebenden</hi> Petrus und des <hi rendition="#i">liebenden</hi> Pau-<lb/>
lus etc. bewei&#x017F;en, die in der Gnade des Sündennach-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">la&#x017F;&#x017F;es</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[72/0086] ſo gerne verſchiebt; was allein im Stande iſt, uns den Eingang in das Reich Gottes zu öffnen; was am ſchwer- ſten zur Vollkommenheit gedeihet; was durch nichts anders erſetzt werden kann; womit Jeſus, Petrus, Jo- hannes, Paulus ihr Predigtamt anfiengen — — Buſſe. Und ſie wäre wahrhaftig keine Chriſtenlehre für Men- ſchen, wenn ſie dieſelben, ſtatt zur Sinnesänderung zu führen, nach Art der gemeinen Wiſſenſchaften, nur mit Entwicklung der Begriffe, worinn doch kein ewiges Heil für unſterbliche, des ewigen Wohlſeyns fähige Geiſter iſt, beſchäftigte. Sie will zuerſt gute Bäume ha- ben: dann kommen die guten Früchte von ſelbſt. Sie dringt zuerſt auf Erneurung des Grundes: dann gedei- hen die guten Gewächſe im geſunden Boden. Sie zieht c. den, welcher fähig iſt, durch die ſanftern Seile der Dankbarkeit gezogen zu werden, durch dieſe ſanftern Seile zur Gegenliebe: Darum ſo laſſet uns Gott lieben, denn Er hat uns zuvor geliebet (I. Joh. IV. 19.). „Die höchſte Liebe nicht nur ein Ge- genſtand — ſondern auch ein Motiv der Liebe!“ So wird beſonders die Vergebung der Sünden, dieſe groſſe Wohlthat, die keine Bemühung verdienen, und kein Unerfahrner nach ihrem Werthe ſchätzen kann, in dem Menſchen, der Gnade gefunden, eine unſterbliche Nahrung der Liebe gegen Gott; wie die Sünderinn vor den Füſſen Jeſu, ſeine Gleichniſs- rede von den zweyen Schuldnern (Luk. VII.), und die Beyſpiele des liebenden Petrus und des liebenden Pau- lus etc. beweiſen, die in der Gnade des Sündennach- laſſes

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/86
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Kurzgefaßte Erinnerungen an junge Prediger. München, 1791, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_prediger_1791/86>, abgerufen am 21.11.2024.