Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite
Dritter Abschnitt.

Sie gehen also in meine Stube, wo
man auch durch eine Thür hereinkommen
kann, allein auch diese, welche ich bestän-
dig verschlossen gehalten, können sie nicht
öffnen.

Von ohngefähr siehet sich mein Be-
dienter um, und wird ein Bund Schlüssel
gewahr, passet alle durch, und findet den
dazugehörigen. Er ruft die beyden Con-
ducteurs und sagt: ich kann nun aufschlies-
sen, allein aber gehe ich nicht hinein.

Sie kommen also, um mit dabey zu
seyn. Mein Bedienter schließet auf, und
da er die Thüre, so nach inwendig aufge-
het, kaum einen Fuß breit aufgemacht, so
siehet er den L.... vollkommen angezogen,
mit fliegendem Haar, ganz weiß als Kreide
stehen, und saget schon die Worte: Herr
L.... -- um weiter zu sprechen: was feh-
let Ihnen? aber ehe er letzteres sagen kann,
hebt er schon die Pistole in die Höhe, setzt
solche ins rechte Auge, und Knall und Fall
ist eins.

Alles aufs äußerste erschrocken, läuft
bestürzt die Treppe herunter -- nachdem sie

sich
Dritter Abſchnitt.

Sie gehen alſo in meine Stube, wo
man auch durch eine Thuͤr hereinkommen
kann, allein auch dieſe, welche ich beſtaͤn-
dig verſchloſſen gehalten, koͤnnen ſie nicht
oͤffnen.

Von ohngefaͤhr ſiehet ſich mein Be-
dienter um, und wird ein Bund Schluͤſſel
gewahr, paſſet alle durch, und findet den
dazugehoͤrigen. Er ruft die beyden Con-
ducteurs und ſagt: ich kann nun aufſchlieſ-
ſen, allein aber gehe ich nicht hinein.

Sie kommen alſo, um mit dabey zu
ſeyn. Mein Bedienter ſchließet auf, und
da er die Thuͤre, ſo nach inwendig aufge-
het, kaum einen Fuß breit aufgemacht, ſo
ſiehet er den L…. vollkommen angezogen,
mit fliegendem Haar, ganz weiß als Kreide
ſtehen, und ſaget ſchon die Worte: Herr
L.... — um weiter zu ſprechen: was feh-
let Ihnen? aber ehe er letzteres ſagen kann,
hebt er ſchon die Piſtole in die Hoͤhe, ſetzt
ſolche ins rechte Auge, und Knall und Fall
iſt eins.

Alles aufs aͤußerſte erſchrocken, laͤuft
beſtuͤrzt die Treppe herunter — nachdem ſie

ſich
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0158" n="146"/>
            <fw place="top" type="header">Dritter Ab&#x017F;chnitt.</fw><lb/>
            <p>Sie gehen al&#x017F;o in meine Stube, wo<lb/>
man auch durch eine Thu&#x0364;r hereinkommen<lb/>
kann, allein auch die&#x017F;e, welche ich be&#x017F;ta&#x0364;n-<lb/>
dig ver&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en gehalten, ko&#x0364;nnen &#x017F;ie nicht<lb/>
o&#x0364;ffnen.</p><lb/>
            <p>Von ohngefa&#x0364;hr &#x017F;iehet &#x017F;ich mein Be-<lb/>
dienter um, und wird ein Bund Schlu&#x0364;&#x017F;&#x017F;el<lb/>
gewahr, pa&#x017F;&#x017F;et alle durch, und findet den<lb/>
dazugeho&#x0364;rigen. Er ruft die beyden Con-<lb/>
ducteurs und &#x017F;agt: ich kann nun auf&#x017F;chlie&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en, allein aber gehe ich nicht hinein.</p><lb/>
            <p>Sie kommen al&#x017F;o, um mit dabey zu<lb/>
&#x017F;eyn. Mein Bedienter &#x017F;chließet auf, und<lb/>
da er die Thu&#x0364;re, &#x017F;o nach inwendig aufge-<lb/>
het, kaum einen Fuß breit aufgemacht, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;iehet er den L&#x2026;. vollkommen angezogen,<lb/>
mit fliegendem Haar, ganz weiß als Kreide<lb/>
&#x017F;tehen, und &#x017F;aget &#x017F;chon die Worte: Herr<lb/>
L.... &#x2014; um weiter zu &#x017F;prechen: was feh-<lb/>
let Ihnen? aber ehe er letzteres &#x017F;agen kann,<lb/>
hebt er &#x017F;chon die Pi&#x017F;tole in die Ho&#x0364;he, &#x017F;etzt<lb/>
&#x017F;olche ins rechte Auge, und Knall und Fall<lb/>
i&#x017F;t eins.</p><lb/>
            <p>Alles aufs a&#x0364;ußer&#x017F;te er&#x017F;chrocken, la&#x0364;uft<lb/>
be&#x017F;tu&#x0364;rzt die Treppe herunter &#x2014; nachdem &#x017F;ie<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;ich</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0158] Dritter Abſchnitt. Sie gehen alſo in meine Stube, wo man auch durch eine Thuͤr hereinkommen kann, allein auch dieſe, welche ich beſtaͤn- dig verſchloſſen gehalten, koͤnnen ſie nicht oͤffnen. Von ohngefaͤhr ſiehet ſich mein Be- dienter um, und wird ein Bund Schluͤſſel gewahr, paſſet alle durch, und findet den dazugehoͤrigen. Er ruft die beyden Con- ducteurs und ſagt: ich kann nun aufſchlieſ- ſen, allein aber gehe ich nicht hinein. Sie kommen alſo, um mit dabey zu ſeyn. Mein Bedienter ſchließet auf, und da er die Thuͤre, ſo nach inwendig aufge- het, kaum einen Fuß breit aufgemacht, ſo ſiehet er den L…. vollkommen angezogen, mit fliegendem Haar, ganz weiß als Kreide ſtehen, und ſaget ſchon die Worte: Herr L.... — um weiter zu ſprechen: was feh- let Ihnen? aber ehe er letzteres ſagen kann, hebt er ſchon die Piſtole in die Hoͤhe, ſetzt ſolche ins rechte Auge, und Knall und Fall iſt eins. Alles aufs aͤußerſte erſchrocken, laͤuft beſtuͤrzt die Treppe herunter — nachdem ſie ſich

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/158
Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/158>, abgerufen am 21.11.2024.