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Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785.

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Gründe wider den Selbstmord.
zeugung bringen, daß der Werth dieses Lebens
(in einem wahren Sinn) unermeßlich sey,
und alle nur erdenkliche Bitterkeiten dieses
Lebens weit überwäge. Aber, wenn gleich
alle Güter der Gegenwart und Zukunft, die
den Werth dieses Lebens vollenden, in Eine
Schale gelegt -- alle Leiden, die einem
Menschen in der Laufbahn seiner Sterblich-
keit begegnen können, in die andere Schale
gelegt -- unvergleichlichbar überwägen: so
bleibt es doch immer eine traurige Wahr-
heit, daß sehr wenige Menschen den Werth
des Lebens recht zu wägen wissen, noch we-
nigere aber im Aufstosse irgend eines Lei-
dens unpartheyisch genug sind, die schlim-
men und guten Seiten dieses Lebens, beson-
ders in Verbindung mit der Zukunft und
Ewigkeit, gegen einander abzuwägen. Ein
Tropfen Bitterkeit vergällt manchem das
Meer aller Vergnügungen, das ihm bis-
her geworden ist, und wächst durch Hülfe
der vergrössernden Einbildungskraft zu einem

Meere
Dinge. Leipzig in der Weygandischen Buch-
handl. 1784. führet der vortrefliche Verfasser
diese große Idee vortreflich aus.
C 2

Gruͤnde wider den Selbſtmord.
zeugung bringen, daß der Werth dieſes Lebens
(in einem wahren Sinn) unermeßlich ſey,
und alle nur erdenkliche Bitterkeiten dieſes
Lebens weit uͤberwaͤge. Aber, wenn gleich
alle Guͤter der Gegenwart und Zukunft, die
den Werth dieſes Lebens vollenden, in Eine
Schale gelegt — alle Leiden, die einem
Menſchen in der Laufbahn ſeiner Sterblich-
keit begegnen koͤnnen, in die andere Schale
gelegt — unvergleichlichbar uͤberwaͤgen: ſo
bleibt es doch immer eine traurige Wahr-
heit, daß ſehr wenige Menſchen den Werth
des Lebens recht zu waͤgen wiſſen, noch we-
nigere aber im Aufſtoſſe irgend eines Lei-
dens unpartheyiſch genug ſind, die ſchlim-
men und guten Seiten dieſes Lebens, beſon-
ders in Verbindung mit der Zukunft und
Ewigkeit, gegen einander abzuwaͤgen. Ein
Tropfen Bitterkeit vergaͤllt manchem das
Meer aller Vergnuͤgungen, das ihm bis-
her geworden iſt, und waͤchst durch Huͤlfe
der vergroͤſſernden Einbildungskraft zu einem

Meere
Dinge. Leipzig in der Weygandiſchen Buch-
handl. 1784. fuͤhret der vortrefliche Verfaſſer
dieſe große Idee vortreflich aus.
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[35/0047] Gruͤnde wider den Selbſtmord. zeugung bringen, daß der Werth dieſes Lebens (in einem wahren Sinn) unermeßlich ſey, und alle nur erdenkliche Bitterkeiten dieſes Lebens weit uͤberwaͤge. Aber, wenn gleich alle Guͤter der Gegenwart und Zukunft, die den Werth dieſes Lebens vollenden, in Eine Schale gelegt — alle Leiden, die einem Menſchen in der Laufbahn ſeiner Sterblich- keit begegnen koͤnnen, in die andere Schale gelegt — unvergleichlichbar uͤberwaͤgen: ſo bleibt es doch immer eine traurige Wahr- heit, daß ſehr wenige Menſchen den Werth des Lebens recht zu waͤgen wiſſen, noch we- nigere aber im Aufſtoſſe irgend eines Lei- dens unpartheyiſch genug ſind, die ſchlim- men und guten Seiten dieſes Lebens, beſon- ders in Verbindung mit der Zukunft und Ewigkeit, gegen einander abzuwaͤgen. Ein Tropfen Bitterkeit vergaͤllt manchem das Meer aller Vergnuͤgungen, das ihm bis- her geworden iſt, und waͤchst durch Huͤlfe der vergroͤſſernden Einbildungskraft zu einem Meere (f) (f) Dinge. Leipzig in der Weygandiſchen Buch- handl. 1784. fuͤhret der vortrefliche Verfaſſer dieſe große Idee vortreflich aus. C 2

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Zitationshilfe: Sailer, Johann Michael: Über den Selbstmord. München, 1785, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sailer_selbstmord_1785/47>, abgerufen am 21.11.2024.