schweifende, Gesellschaft eingelassen. Er war ein maechtiger Tabacksraucher und Kar- tenspieler. Beydes war aufs strengste verbo- ten. Da es also bey Tage nicht geschehen durfte, so geschahs bey Nacht. Haette ihn sein red- liches Herz die Gefahren sehn lassen, denen er, seinen Liebling (das war ich wirklich) durch seine naechtliche Abwesenheit, aus- setzte: nimmermehr haette er mich in diesen entscheidenden Augenblicken verlassen! der junge Mensch verliess sein Bette; Ich freute mich, dass er mich würdigte, mit mir zu scherzen. Er kützelte mich, auf eine Art, die mich freute, ohngeachtet mir das Herz dabey heftig schlug; ich wunderte mich über dieses Herzklopfen, das ich sonst nur beym bösen Gewissen oder bey Furcht zu empfin- den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts auszusetzen. Ich war gewissenhaft erzogen. Ich habe sie also förmlich untersucht, und meinen damaligen Einsichten nach konnte ich nichts dran entdecken, warum ich mir dieses eingebildete Vergnügen versagen sollte. Dass mir das Herz dabey schlug (ich hielts schlech- terdings für eine Art von Gewissensangst) diess war mir ein Raethsel, das ich mit frey- lich haette sollen von einem andern verstaendi-
gern
ſchweifende, Geſellſchaft eingelaſſen. Er war ein mæchtiger Tabacksraucher und Kar- tenſpieler. Beydes war aufs ſtrengſte verbo- ten. Da es alſo bey Tage nicht geſchehen durfte, ſo geſchahs bey Nacht. Hætte ihn ſein red- liches Herz die Gefahren ſehn laſſen, denen er, ſeinen Liebling (das war ich wirklich) durch ſeine næchtliche Abweſenheit, aus- ſetzte: nimmermehr hætte er mich in dieſen entſcheidenden Augenblicken verlaſſen! der junge Menſch verlieſs ſein Bette; Ich freute mich, daſs er mich würdigte, mit mir zu ſcherzen. Er kützelte mich, auf eine Art, die mich freute, ohngeachtet mir das Herz dabey heftig ſchlug; ich wunderte mich über dieſes Herzklopfen, das ich ſonſt nur beym böſen Gewiſſen oder bey Furcht zu empfin- den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts auszuſetzen. Ich war gewiſſenhaft erzogen. Ich habe ſie alſo förmlich unterſucht, und meinen damaligen Einſichten nach konnte ich nichts dran entdecken, warum ich mir dieſes eingebildete Vergnügen verſagen ſollte. Daſs mir das Herz dabey ſchlug (ich hielts ſchlech- terdings für eine Art von Gewiſſensangſt) dieſs war mir ein Ræthſel, das ich mit frey- lich hætte ſollen von einem andern verſtændi-
gern
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ſchweifende, Geſellſchaft eingelaſſen. Er
war ein mæchtiger Tabacksraucher und Kar-
tenſpieler. Beydes war aufs ſtrengſte verbo-
ten. Da es alſo bey Tage nicht geſchehen durfte,
ſo geſchahs bey Nacht. Hætte ihn ſein red-
liches Herz die Gefahren ſehn laſſen, denen
er, ſeinen Liebling (das war ich wirklich)
durch ſeine næchtliche Abweſenheit, aus-
ſetzte: nimmermehr hætte er mich in dieſen
entſcheidenden Augenblicken verlaſſen! der
junge Menſch verlieſs ſein Bette; Ich freute
mich, daſs er mich würdigte, mit mir zu
ſcherzen. Er kützelte mich, auf eine Art,
die mich freute, ohngeachtet mir das Herz
dabey heftig ſchlug; ich wunderte mich über
dieſes Herzklopfen, das ich ſonſt nur beym
böſen Gewiſſen oder bey Furcht zu empfin-
den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts
auszuſetzen. Ich war gewiſſenhaft erzogen.
Ich habe ſie alſo förmlich unterſucht, und
meinen damaligen Einſichten nach konnte ich
nichts dran entdecken, warum ich mir dieſes
eingebildete Vergnügen verſagen ſollte. Daſs
mir das Herz dabey ſchlug (ich hielts ſchlech-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/204>, abgerufen am 22.11.2024.
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