Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

schweifende, Gesellschaft eingelassen. Er
war ein maechtiger Tabacksraucher und Kar-
tenspieler. Beydes war aufs strengste verbo-
ten. Da es also bey Tage nicht geschehen durfte,
so geschahs bey Nacht. Haette ihn sein red-
liches Herz die Gefahren sehn lassen, denen
er, seinen Liebling (das war ich wirklich)
durch seine naechtliche Abwesenheit, aus-
setzte: nimmermehr haette er mich in diesen
entscheidenden Augenblicken verlassen! der
junge Mensch verliess sein Bette; Ich freute
mich, dass er mich würdigte, mit mir zu
scherzen. Er kützelte mich, auf eine Art,
die mich freute, ohngeachtet mir das Herz
dabey heftig schlug; ich wunderte mich über
dieses Herzklopfen, das ich sonst nur beym
bösen Gewissen oder bey Furcht zu empfin-
den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts
auszusetzen. Ich war gewissenhaft erzogen.
Ich habe sie also förmlich untersucht, und
meinen damaligen Einsichten nach konnte ich
nichts dran entdecken, warum ich mir dieses
eingebildete Vergnügen versagen sollte. Dass
mir das Herz dabey schlug (ich hielts schlech-
terdings für eine Art von Gewissensangst)
diess war mir ein Raethsel, das ich mit frey-
lich haette sollen von einem andern verstaendi-

gern

ſchweifende, Geſellſchaft eingelaſſen. Er
war ein mæchtiger Tabacksraucher und Kar-
tenſpieler. Beydes war aufs ſtrengſte verbo-
ten. Da es alſo bey Tage nicht geſchehen durfte,
ſo geſchahs bey Nacht. Hætte ihn ſein red-
liches Herz die Gefahren ſehn laſſen, denen
er, ſeinen Liebling (das war ich wirklich)
durch ſeine næchtliche Abweſenheit, aus-
ſetzte: nimmermehr hætte er mich in dieſen
entſcheidenden Augenblicken verlaſſen! der
junge Menſch verlieſs ſein Bette; Ich freute
mich, daſs er mich würdigte, mit mir zu
ſcherzen. Er kützelte mich, auf eine Art,
die mich freute, ohngeachtet mir das Herz
dabey heftig ſchlug; ich wunderte mich über
dieſes Herzklopfen, das ich ſonſt nur beym
böſen Gewiſſen oder bey Furcht zu empfin-
den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts
auszuſetzen. Ich war gewiſſenhaft erzogen.
Ich habe ſie alſo förmlich unterſucht, und
meinen damaligen Einſichten nach konnte ich
nichts dran entdecken, warum ich mir dieſes
eingebildete Vergnügen verſagen ſollte. Daſs
mir das Herz dabey ſchlug (ich hielts ſchlech-
terdings für eine Art von Gewiſſensangſt)
dieſs war mir ein Ræthſel, das ich mit frey-
lich hætte ſollen von einem andern verſtændi-

gern
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0204" n="194"/>
&#x017F;chweifende, Ge&#x017F;ell&#x017F;chaft eingela&#x017F;&#x017F;en. Er<lb/>
war ein mæchtiger Tabacksraucher und Kar-<lb/>
ten&#x017F;pieler. Beydes war aufs &#x017F;treng&#x017F;te verbo-<lb/>
ten. Da es al&#x017F;o bey Tage nicht ge&#x017F;chehen durfte,<lb/>
&#x017F;o ge&#x017F;chahs bey Nacht. Hætte ihn &#x017F;ein red-<lb/>
liches Herz die Gefahren &#x017F;ehn la&#x017F;&#x017F;en, denen<lb/>
er, &#x017F;einen Liebling (das war ich wirklich)<lb/>
durch &#x017F;eine næchtliche Abwe&#x017F;enheit, aus-<lb/>
&#x017F;etzte: nimmermehr hætte er mich in die&#x017F;en<lb/>
ent&#x017F;cheidenden Augenblicken verla&#x017F;&#x017F;en! der<lb/>
junge Men&#x017F;ch verlie&#x017F;s &#x017F;ein Bette; Ich freute<lb/>
mich, da&#x017F;s er mich würdigte, mit mir zu<lb/>
&#x017F;cherzen. Er kützelte mich, auf eine Art,<lb/>
die mich freute, ohngeachtet mir das Herz<lb/>
dabey heftig &#x017F;chlug; ich wunderte mich über<lb/>
die&#x017F;es Herzklopfen, das ich &#x017F;on&#x017F;t nur beym<lb/>&#x017F;en Gewi&#x017F;&#x017F;en oder bey Furcht zu empfin-<lb/>
den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts<lb/>
auszu&#x017F;etzen. Ich war gewi&#x017F;&#x017F;enhaft erzogen.<lb/>
Ich habe &#x017F;ie al&#x017F;o förmlich unter&#x017F;ucht, und<lb/>
meinen damaligen Ein&#x017F;ichten nach konnte ich<lb/>
nichts dran entdecken, warum ich mir die&#x017F;es<lb/>
eingebildete Vergnügen ver&#x017F;agen &#x017F;ollte. Da&#x017F;s<lb/>
mir das Herz dabey &#x017F;chlug (ich hielts &#x017F;chlech-<lb/>
terdings für eine Art von Gewi&#x017F;&#x017F;ensang&#x017F;t)<lb/>
die&#x017F;s war mir ein Ræth&#x017F;el, das ich mit frey-<lb/>
lich hætte &#x017F;ollen von einem andern ver&#x017F;tændi-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gern</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[194/0204] ſchweifende, Geſellſchaft eingelaſſen. Er war ein mæchtiger Tabacksraucher und Kar- tenſpieler. Beydes war aufs ſtrengſte verbo- ten. Da es alſo bey Tage nicht geſchehen durfte, ſo geſchahs bey Nacht. Hætte ihn ſein red- liches Herz die Gefahren ſehn laſſen, denen er, ſeinen Liebling (das war ich wirklich) durch ſeine næchtliche Abweſenheit, aus- ſetzte: nimmermehr hætte er mich in dieſen entſcheidenden Augenblicken verlaſſen! der junge Menſch verlieſs ſein Bette; Ich freute mich, daſs er mich würdigte, mit mir zu ſcherzen. Er kützelte mich, auf eine Art, die mich freute, ohngeachtet mir das Herz dabey heftig ſchlug; ich wunderte mich über dieſes Herzklopfen, das ich ſonſt nur beym böſen Gewiſſen oder bey Furcht zu empfin- den pflegte. Ich fand an der Handlung nichts auszuſetzen. Ich war gewiſſenhaft erzogen. Ich habe ſie alſo förmlich unterſucht, und meinen damaligen Einſichten nach konnte ich nichts dran entdecken, warum ich mir dieſes eingebildete Vergnügen verſagen ſollte. Daſs mir das Herz dabey ſchlug (ich hielts ſchlech- terdings für eine Art von Gewiſſensangſt) dieſs war mir ein Ræthſel, das ich mit frey- lich hætte ſollen von einem andern verſtændi- gern

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/204
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 194. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/204>, abgerufen am 22.11.2024.