gern entraethseln lassen; aber die Leidenschaft und die innre Ueberzeugung von der Unschuld meiner Handlung, und mein Unverstand -- stürzten mich. Dieser Mensch ward der Mör- der meiner Tugend!
Es giebt gewisse Oerter, an welchen die Einsamkeit beynahe unvermeidlich, und genaue Aufsicht nicht wohl möglich ist. Diese sind besonders die Bette und die heim- lichen Gemaecher. Diese sind gerade auch die Oerter, wo die mehresten Ausschweifun- gen geschehen.
In Familien, Schul- und Erziehungs- anstalten, wo gute Ordnung und Aufsicht ist, scheint zwar der Aufenthalt im Bette nicht einsam zu seyn, ist es aber doch wirk- lich. Schlaf, Dunkelheit und Deckbette oder Matratze, sind starke Scheidewaende, durch welche der junge Mensch von seinem Beobachter getrennet wird. Er bedient sich alsdenn, falls er bereits angesteckt ist, die- ser Gelegenheit immer seinen Muthwillen
zu
(N 2)
gern entræthſeln laſſen; aber die Leidenſchaft und die innre Ueberzeugung von der Unſchuld meiner Handlung, und mein Unverſtand — ſtürzten mich. Dieſer Menſch ward der Mör- der meiner Tugend!
Es giebt gewiſſe Oerter, an welchen die Einſamkeit beynahe unvermeidlich, und genaue Aufſicht nicht wohl möglich iſt. Dieſe ſind beſonders die Bette und die heim- lichen Gemæcher. Dieſe ſind gerade auch die Oerter, wo die mehreſten Ausſchweifun- gen geſchehen.
In Familien, Schul- und Erziehungs- anſtalten, wo gute Ordnung und Aufſicht iſt, ſcheint zwar der Aufenthalt im Bette nicht einſam zu ſeyn, iſt es aber doch wirk- lich. Schlaf, Dunkelheit und Deckbette oder Matratze, ſind ſtarke Scheidewænde, durch welche der junge Menſch von ſeinem Beobachter getrennet wird. Er bedient ſich alsdenn, falls er bereits angeſteckt iſt, die- ſer Gelegenheit immer ſeinen Muthwillen
zu
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[195/0205]
gern entræthſeln laſſen; aber die Leidenſchaft
und die innre Ueberzeugung von der Unſchuld
meiner Handlung, und mein Unverſtand —
ſtürzten mich. Dieſer Menſch ward der Mör-
der meiner Tugend!
Es giebt gewiſſe Oerter, an welchen
die Einſamkeit beynahe unvermeidlich, und
genaue Aufſicht nicht wohl möglich iſt.
Dieſe ſind beſonders die Bette und die heim-
lichen Gemæcher. Dieſe ſind gerade auch
die Oerter, wo die mehreſten Ausſchweifun-
gen geſchehen.
In Familien, Schul- und Erziehungs-
anſtalten, wo gute Ordnung und Aufſicht
iſt, ſcheint zwar der Aufenthalt im Bette
nicht einſam zu ſeyn, iſt es aber doch wirk-
lich. Schlaf, Dunkelheit und Deckbette
oder Matratze, ſind ſtarke Scheidewænde,
durch welche der junge Menſch von ſeinem
Beobachter getrennet wird. Er bedient ſich
alsdenn, falls er bereits angeſteckt iſt, die-
ſer Gelegenheit immer ſeinen Muthwillen
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/205>, abgerufen am 23.11.2024.
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