Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

Was ich von Lesung der klassischen
Autoren halte, kann man ans dem vorher-
gesagten, wie auch aus meinem: noch Et-
was über die Erziehung,
sehen. Man
thaete mir Unrecht, wenn man mich be-
schuldigte, dass ich das Lesen derselben ge-
radezu missbilligte. Sie bleiben immer die
Archive der alten Sprachen, Geschichte,
Denkart und Philosophie. Wozu diess aber
alles Kindern? Werden diese dadurch nicht
aus der gegenwaertigen in eine ganz fremde
Welt versetzt? sind die Menge schlüpfriger
Stellen, die fast allenthalben vorkommen,
nicht die Antipoden von unsern gelaeuterten
moralischen Grundsaetzen? Und wird der
Reiz der erstern nicht leicht die Empfaeng-
lichkeit für die letztern verdraengen?

Fast waere ich geneigt zur Abstellung
dieses Uebels Vorschlaege zu thun; fast möch-
te ich rathen, dass zum Anfange Bücher ge-
lesen würden, die in gutem Lateine die Kennt-
nisse vortrügen, die Kindern anziehend und

nütz-

Was ich von Leſung der klaſſiſchen
Autoren halte, kann man ans dem vorher-
geſagten, wie auch aus meinem: noch Et-
was über die Erziehung,
ſehen. Man
thæte mir Unrecht, wenn man mich be-
ſchuldigte, daſs ich das Leſen derſelben ge-
radezu miſsbilligte. Sie bleiben immer die
Archive der alten Sprachen, Geſchichte,
Denkart und Philoſophie. Wozu dieſs aber
alles Kindern? Werden dieſe dadurch nicht
aus der gegenwærtigen in eine ganz fremde
Welt verſetzt? ſind die Menge ſchlüpfriger
Stellen, die faſt allenthalben vorkommen,
nicht die Antipoden von unſern gelæuterten
moraliſchen Grundſætzen? Und wird der
Reiz der erſtern nicht leicht die Empfæng-
lichkeit für die letztern verdrængen?

Faſt wære ich geneigt zur Abſtellung
dieſes Uebels Vorſchlæge zu thun; faſt möch-
te ich rathen, daſs zum Anfange Bücher ge-
leſen würden, die in gutem Lateine die Kennt-
niſſe vortrügen, die Kindern anziehend und

nütz-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0262" n="252"/>
            <p>Was ich von Le&#x017F;ung der kla&#x017F;&#x017F;i&#x017F;chen<lb/>
Autoren halte, kann man ans dem vorher-<lb/>
ge&#x017F;agten, wie auch aus meinem: <hi rendition="#i">noch Et-<lb/>
was über die Erziehung,</hi> &#x017F;ehen. Man<lb/>
thæte mir Unrecht, wenn man mich be-<lb/>
&#x017F;chuldigte, da&#x017F;s ich das Le&#x017F;en der&#x017F;elben ge-<lb/>
radezu mi&#x017F;sbilligte. Sie bleiben immer die<lb/>
Archive der alten Sprachen, Ge&#x017F;chichte,<lb/>
Denkart und Philo&#x017F;ophie. Wozu die&#x017F;s aber<lb/>
alles Kindern? Werden die&#x017F;e dadurch nicht<lb/>
aus der gegenwærtigen in eine ganz fremde<lb/>
Welt ver&#x017F;etzt? &#x017F;ind die Menge &#x017F;chlüpfriger<lb/>
Stellen, die fa&#x017F;t allenthalben vorkommen,<lb/>
nicht die Antipoden von un&#x017F;ern gelæuterten<lb/>
morali&#x017F;chen Grund&#x017F;ætzen? Und wird der<lb/>
Reiz der er&#x017F;tern nicht leicht die Empfæng-<lb/>
lichkeit für die letztern verdrængen?</p><lb/>
            <p>Fa&#x017F;t wære ich geneigt zur Ab&#x017F;tellung<lb/>
die&#x017F;es Uebels Vor&#x017F;chlæge zu thun; fa&#x017F;t möch-<lb/>
te ich rathen, da&#x017F;s zum Anfange Bücher ge-<lb/>
le&#x017F;en würden, die in gutem Lateine die Kennt-<lb/>
ni&#x017F;&#x017F;e vortrügen, die Kindern anziehend und<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">nütz-</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0262] Was ich von Leſung der klaſſiſchen Autoren halte, kann man ans dem vorher- geſagten, wie auch aus meinem: noch Et- was über die Erziehung, ſehen. Man thæte mir Unrecht, wenn man mich be- ſchuldigte, daſs ich das Leſen derſelben ge- radezu miſsbilligte. Sie bleiben immer die Archive der alten Sprachen, Geſchichte, Denkart und Philoſophie. Wozu dieſs aber alles Kindern? Werden dieſe dadurch nicht aus der gegenwærtigen in eine ganz fremde Welt verſetzt? ſind die Menge ſchlüpfriger Stellen, die faſt allenthalben vorkommen, nicht die Antipoden von unſern gelæuterten moraliſchen Grundſætzen? Und wird der Reiz der erſtern nicht leicht die Empfæng- lichkeit für die letztern verdrængen? Faſt wære ich geneigt zur Abſtellung dieſes Uebels Vorſchlæge zu thun; faſt möch- te ich rathen, daſs zum Anfange Bücher ge- leſen würden, die in gutem Lateine die Kennt- niſſe vortrügen, die Kindern anziehend und nütz-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/262
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/262>, abgerufen am 24.11.2024.