Diese Melancholie wird noch mehr durch das Gefühl des Elends und durch das Bewusstseyn, sich dasselbe selbst zugezogen zu haben genaehrt. Wie aengstlich muss eine Seele werden, die sich selbst anklagen, die sich selbst vorwerfen muss: ich habe mich entmannt, ich habe meine edelsten Anlagen zerstört, habe die Kraefte geschwaecht, mit denen ich mein, und meiner Brüder Glück haette befördern können!
Wenn man dieser Melancholie nicht frühzeitig vorbauet, sie durch Besserung, An- strengung und Vertrauen auf Gott, zu maes- sigen sucht, wie leicht kann sie eine solche Staerke erreichen, dass sie zur Verzweiflung führt. Wer es weis, dass er seine Natur zer- rüttet, und seine Nerven geschwaecht habe, wie gen[e]igt wird dieser seyn, alle seine kör- perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die ihm zustossen, alles Elend, das er in seiner Nachkommenschaft erblickt, dieser seiner Ausschweifung zuzuschreiben! und wie
schwer
Dieſe Melancholie wird noch mehr durch das Gefühl des Elends und durch das Bewuſstſeyn, ſich daſſelbe ſelbſt zugezogen zu haben genæhrt. Wie ængſtlich muſs eine Seele werden, die ſich ſelbſt anklagen, die ſich ſelbſt vorwerfen muſs: ich habe mich entmannt, ich habe meine edelſten Anlagen zerſtört, habe die Kræfte geſchwæcht, mit denen ich mein, und meiner Brüder Glück hætte befördern können!
Wenn man dieſer Melancholie nicht frühzeitig vorbauet, ſie durch Beſſerung, An- ſtrengung und Vertrauen auf Gott, zu mæſ- ſigen ſucht, wie leicht kann ſie eine ſolche Stærke erreichen, daſs ſie zur Verzweiflung führt. Wer es weis, daſs er ſeine Natur zer- rüttet, und ſeine Nerven geſchwæcht habe, wie gen[e]igt wird dieſer ſeyn, alle ſeine kör- perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die ihm zuſtoſsen, alles Elend, das er in ſeiner Nachkommenſchaft erblickt, dieſer ſeiner Ausſchweifung zuzuſchreiben! und wie
ſchwer
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0064"n="54"/><p>Dieſe Melancholie wird noch mehr<lb/>
durch das Gefühl des Elends und durch das<lb/>
Bewuſstſeyn, ſich daſſelbe ſelbſt zugezogen<lb/>
zu haben genæhrt. Wie ængſtlich muſs eine<lb/>
Seele werden, die ſich ſelbſt anklagen, die<lb/>ſich ſelbſt vorwerfen muſs: ich habe mich<lb/>
entmannt, ich habe meine edelſten Anlagen<lb/>
zerſtört, habe die Kræfte geſchwæcht, mit<lb/>
denen ich mein, und meiner Brüder Glück<lb/>
hætte befördern können!</p><lb/><p>Wenn man dieſer Melancholie nicht<lb/>
frühzeitig vorbauet, ſie durch Beſſerung, An-<lb/>ſtrengung und Vertrauen auf Gott, zu mæſ-<lb/>ſigen ſucht, wie leicht kann ſie eine ſolche<lb/>
Stærke erreichen, daſs ſie zur Verzweiflung<lb/>
führt. Wer es weis, daſs er ſeine Natur zer-<lb/>
rüttet, und ſeine Nerven geſchwæcht habe,<lb/>
wie gen<supplied>e</supplied>igt wird dieſer ſeyn, alle ſeine kör-<lb/>
perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die<lb/>
ihm zuſtoſsen, alles Elend, das er in ſeiner<lb/>
Nachkommenſchaft erblickt, dieſer ſeiner<lb/>
Ausſchweifung zuzuſchreiben! und wie<lb/><fwplace="bottom"type="catch">ſchwer</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[54/0064]
Dieſe Melancholie wird noch mehr
durch das Gefühl des Elends und durch das
Bewuſstſeyn, ſich daſſelbe ſelbſt zugezogen
zu haben genæhrt. Wie ængſtlich muſs eine
Seele werden, die ſich ſelbſt anklagen, die
ſich ſelbſt vorwerfen muſs: ich habe mich
entmannt, ich habe meine edelſten Anlagen
zerſtört, habe die Kræfte geſchwæcht, mit
denen ich mein, und meiner Brüder Glück
hætte befördern können!
Wenn man dieſer Melancholie nicht
frühzeitig vorbauet, ſie durch Beſſerung, An-
ſtrengung und Vertrauen auf Gott, zu mæſ-
ſigen ſucht, wie leicht kann ſie eine ſolche
Stærke erreichen, daſs ſie zur Verzweiflung
führt. Wer es weis, daſs er ſeine Natur zer-
rüttet, und ſeine Nerven geſchwæcht habe,
wie geneigt wird dieſer ſeyn, alle ſeine kör-
perlichen Schmerzen, alle Krankheiten, die
ihm zuſtoſsen, alles Elend, das er in ſeiner
Nachkommenſchaft erblickt, dieſer ſeiner
Ausſchweifung zuzuſchreiben! und wie
ſchwer
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 54. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/64>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.