Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785.

Bild:
<< vorherige Seite

leicht zu begreifen. Nachdem die beste
Kraft verschwendet ist, die Nerven schlaf
worden sind, trit ein solcher Unglücklicher
in den Ehestand. Wenn er nicht durch
die Natur ungewöhnliche Kraefte empfan-
gen hat, wie kann man von ihm erwarten,
dass er vermögend sey, eine der ersten
Pflichten des Ehemanns zu erfüllen? gleich
einem Tantalus wird er nach dem Wasser
schnappen, nach dem sein Durst lechzet,
und es wird verschwinden so oft er es an
sich ziehen will. Welches Elend! O jam-
mert nicht über das Elend solcher Unglück-
lichen, die unter dem Zepter, des sogenan-
ten Statthalters Jesu Christi, in ihrer Kind-
heit entmannt wurden! Jammert über die-
jenigen die sich selbst entmannten! Jene ent-
behren ein Vergnügen, das sie nicht kennen,
diese entbehren eben dasselbe und empfinden
darnach den lechzendsten Durst. Jene ha-
ben darzu keine Aufforderung, diesen ist
jeder Blick der Person, die sie verwahrlosten,
ein Dolch, der das Herzdurchbohrt. Jene

machen

leicht zu begreifen. Nachdem die beſte
Kraft verſchwendet iſt, die Nerven ſchlaf
worden ſind, trit ein ſolcher Unglücklicher
in den Eheſtand. Wenn er nicht durch
die Natur ungewöhnliche Kræfte empfan-
gen hat, wie kann man von ihm erwarten,
daſs er vermögend ſey, eine der erſten
Pflichten des Ehemanns zu erfüllen? gleich
einem Tantalus wird er nach dem Waſſer
ſchnappen, nach dem ſein Durſt lechzet,
und es wird verſchwinden ſo oft er es an
ſich ziehen will. Welches Elend! O jam-
mert nicht über das Elend ſolcher Unglück-
lichen, die unter dem Zepter, des ſogenan-
ten Statthalters Jeſu Chriſti, in ihrer Kind-
heit entmannt wurden! Jammert über die-
jenigen die ſich ſelbſt entmannten! Jene ent-
behren ein Vergnügen, das ſie nicht kennen,
dieſe entbehren eben daſſelbe und empfinden
darnach den lechzendſten Durſt. Jene ha-
ben darzu keine Aufforderung, dieſen iſt
jeder Blick der Perſon, die ſie verwahrloſten,
ein Dolch, der das Herzdurchbohrt. Jene

machen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0072" n="62"/>
leicht zu begreifen. Nachdem die be&#x017F;te<lb/>
Kraft ver&#x017F;chwendet i&#x017F;t, die Nerven &#x017F;chlaf<lb/>
worden &#x017F;ind, trit ein &#x017F;olcher Unglücklicher<lb/>
in den Ehe&#x017F;tand. Wenn er nicht durch<lb/>
die Natur ungewöhnliche Kræfte empfan-<lb/>
gen hat, wie kann man von ihm erwarten,<lb/>
da&#x017F;s er vermögend &#x017F;ey, eine der er&#x017F;ten<lb/>
Pflichten des Ehemanns zu erfüllen? gleich<lb/>
einem Tantalus wird er nach dem Wa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;chnappen, nach dem &#x017F;ein Dur&#x017F;t lechzet,<lb/>
und es wird ver&#x017F;chwinden &#x017F;o oft er es an<lb/>
&#x017F;ich ziehen will. Welches Elend! O jam-<lb/>
mert nicht über das Elend &#x017F;olcher Unglück-<lb/>
lichen, die unter dem Zepter, des &#x017F;ogenan-<lb/>
ten Statthalters Je&#x017F;u Chri&#x017F;ti, in ihrer Kind-<lb/>
heit entmannt wurden! Jammert über die-<lb/>
jenigen die &#x017F;ich &#x017F;elb&#x017F;t entmannten! Jene ent-<lb/>
behren ein Vergnügen, das &#x017F;ie nicht kennen,<lb/>
die&#x017F;e entbehren eben da&#x017F;&#x017F;elbe und empfinden<lb/>
darnach den lechzend&#x017F;ten Dur&#x017F;t. Jene ha-<lb/>
ben darzu keine Aufforderung, die&#x017F;en i&#x017F;t<lb/>
jeder Blick der Per&#x017F;on, die &#x017F;ie verwahrlo&#x017F;ten,<lb/>
ein Dolch, der das Herzdurchbohrt. Jene<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">machen</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[62/0072] leicht zu begreifen. Nachdem die beſte Kraft verſchwendet iſt, die Nerven ſchlaf worden ſind, trit ein ſolcher Unglücklicher in den Eheſtand. Wenn er nicht durch die Natur ungewöhnliche Kræfte empfan- gen hat, wie kann man von ihm erwarten, daſs er vermögend ſey, eine der erſten Pflichten des Ehemanns zu erfüllen? gleich einem Tantalus wird er nach dem Waſſer ſchnappen, nach dem ſein Durſt lechzet, und es wird verſchwinden ſo oft er es an ſich ziehen will. Welches Elend! O jam- mert nicht über das Elend ſolcher Unglück- lichen, die unter dem Zepter, des ſogenan- ten Statthalters Jeſu Chriſti, in ihrer Kind- heit entmannt wurden! Jammert über die- jenigen die ſich ſelbſt entmannten! Jene ent- behren ein Vergnügen, das ſie nicht kennen, dieſe entbehren eben daſſelbe und empfinden darnach den lechzendſten Durſt. Jene ha- ben darzu keine Aufforderung, dieſen iſt jeder Blick der Perſon, die ſie verwahrloſten, ein Dolch, der das Herzdurchbohrt. Jene machen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/72
Zitationshilfe: Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 62. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/72>, abgerufen am 21.11.2024.