Wie angenehm und süss ist dem Jüngling, bey heranwachsenden Jahren, die Hofnung, dass er einmal mit einer vernünstigen und liebenswürdigen Person in Verbindung tre- ten, und mit ihr gesellschaftlich die Freuden des Lebens geniessen soll! Wie zu so unverdross- nen Fleiss spornt das ihn nicht an! Und ich -- wie niederschlagen musste es nicht faur mich seyn, da ich bey reifern Jahren es inne ward, das traurige Loos, das mich traf! Freilich sank darum mein Fleis nicht, Ich studierte die Wissenschaften um ihres eig- nen Werths und um des Dienstes für die Welt willen. Allein was war mein Zweck dabey? Ich war doch Bürger der Welt, wusste doch die Bestimmung des geselligen Menschen, lern- te immer mehr die überausgrosse Wichtigkeit und Würde des ehelichen Standes kennen, sah aus den zuverlaessigsten Gründen ein, wie un- zertrennlich meine und des Staats Wohlfahrt mit demselben verknüpft ist, was für Selig- keit nur einzig und allein darinnen liegt: Kinder zu rechtschafnen Menschen und edlen Bürgern zu bilden, und in seinen Nachkom- men so bis auf undenkliche Zeiten gleichsam fortzuleben, und in ihnen der Welt auch lange
noch
II.
Wie angenehm und ſüſs iſt dem Jüngling, bey heranwachſenden Jahren, die Hofnung, daſs er einmal mit einer vernünſtigen und liebenswürdigen Perſon in Verbindung tre- ten, und mit ihr geſellſchaftlich die Freuden des Lebens genieſsen ſoll! Wie zu ſo unverdroſs- nen Fleiſs ſpornt das ihn nicht an! Und ich — wie niederſchlagen muſste es nicht fûr mich ſeyn, da ich bey reifern Jahren es inne ward, das traurige Loos, das mich traf! Freilich ſank darum mein Fleis nicht, Ich ſtudierte die Wiſſenſchaften um ihres eig- nen Werths und um des Dienſtes für die Welt willen. Allein was war mein Zweck dabey? Ich war doch Bürger der Welt, wuſste doch die Beſtimmung des geſelligen Menſchen, lern- te immer mehr die überausgroſse Wichtigkeit und Würde des ehelichen Standes kennen, ſah aus den zuverlæſſigſten Gründen ein, wie un- zertrennlich meine und des Staats Wohlfahrt mit demſelben verknüpft iſt, was für Selig- keit nur einzig und allein darinnen liegt: Kinder zu rechtſchafnen Menſchen und edlen Bürgern zu bilden, und in ſeinen Nachkom- men ſo bis auf undenkliche Zeiten gleichſam fortzuleben, und in ihnen der Welt auch lange
noch
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II.
Wie angenehm und ſüſs iſt dem Jüngling,
bey heranwachſenden Jahren, die Hofnung,
daſs er einmal mit einer vernünſtigen und
liebenswürdigen Perſon in Verbindung tre-
ten, und mit ihr geſellſchaftlich die Freuden des
Lebens genieſsen ſoll! Wie zu ſo unverdroſs-
nen Fleiſs ſpornt das ihn nicht an! Und
ich — wie niederſchlagen muſste es nicht
fûr mich ſeyn, da ich bey reifern Jahren es
inne ward, das traurige Loos, das mich
traf! Freilich ſank darum mein Fleis nicht,
Ich ſtudierte die Wiſſenſchaften um ihres eig-
nen Werths und um des Dienſtes für die Welt
willen. Allein was war mein Zweck dabey?
Ich war doch Bürger der Welt, wuſste doch
die Beſtimmung des geſelligen Menſchen, lern-
te immer mehr die überausgroſse Wichtigkeit
und Würde des ehelichen Standes kennen, ſah
aus den zuverlæſſigſten Gründen ein, wie un-
zertrennlich meine und des Staats Wohlfahrt
mit demſelben verknüpft iſt, was für Selig-
keit nur einzig und allein darinnen liegt:
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Bürgern zu bilden, und in ſeinen Nachkom-
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Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 66. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/76>, abgerufen am 21.11.2024.
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