"Ich selbst, schreibt mir ein Prediger, kann für die Wahrheit dieser Behauptung, gleichsam als Augenzeuge, sprechen. In meinen akademischen Jahren führte mich der Zufall in eine Gesellschaft, die der Trunk so verwirrt hatte, dass sie alle Regeln der Klugheit und Behutsamkeit überschritt, ohne alle Zurückhaltung ihre Schande erzaehlte, und sich der Verbrechen rühmte, die sie auf dem Gymnasium begangen hatte. Meine Natur entsetzte sich über die Greuel, die mir dazumal ganz unbekannt waren, mein Gefühl sagte mir, dass solche unnatürliche Verbrechen, erschreckliche Folgen nach sich ziehen müssten, ich wurde aufmerksam auf ihr Schicksal und -- es war das naemliche, was ich als die natürlichste Folge dieser Sünden erwarten konnte. Die Gesellschaft war ohngefaehr zwölf Personen stark, und von diesen sind bereits acht von dieser Welt abgetreten, in einer Zeit von ohngefaehr drey und zwanzig Jahren abgetreten, und die übrigen vier, die Riesenkraft von der
Natur
(E 3)
“Ich ſelbſt, ſchreibt mir ein Prediger, kann für die Wahrheit dieſer Behauptung, gleichſam als Augenzeuge, ſprechen. In meinen akademiſchen Jahren führte mich der Zufall in eine Geſellſchaft, die der Trunk ſo verwirrt hatte, daſs ſie alle Regeln der Klugheit und Behutſamkeit überſchritt, ohne alle Zurückhaltung ihre Schande erzæhlte, und ſich der Verbrechen rühmte, die ſie auf dem Gymnaſium begangen hatte. Meine Natur entſetzte ſich über die Greuel, die mir dazumal ganz unbekannt waren, mein Gefühl ſagte mir, daſs ſolche unnatürliche Verbrechen, erſchreckliche Folgen nach ſich ziehen müſsten, ich wurde aufmerkſam auf ihr Schickſal und — es war das næmliche, was ich als die natürlichſte Folge dieſer Sünden erwarten konnte. Die Geſellſchaft war ohngefæhr zwölf Perſonen ſtark, und von dieſen ſind bereits acht von dieſer Welt abgetreten, in einer Zeit von ohngefæhr drey und zwanzig Jahren abgetreten, und die übrigen vier, die Rieſenkraft von der
Natur
(E 3)
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0079"n="69"/><p>“Ich ſelbſt, ſchreibt mir ein Prediger,<lb/>
kann für die Wahrheit dieſer Behauptung,<lb/>
gleichſam als Augenzeuge, ſprechen. In<lb/>
meinen akademiſchen Jahren führte mich<lb/>
der Zufall in eine Geſellſchaft, die der Trunk<lb/>ſo verwirrt hatte, daſs ſie alle Regeln der<lb/>
Klugheit und Behutſamkeit überſchritt, ohne<lb/>
alle Zurückhaltung ihre Schande erzæhlte,<lb/>
und ſich der Verbrechen rühmte, die ſie auf<lb/>
dem Gymnaſium begangen hatte. Meine<lb/>
Natur entſetzte ſich über die Greuel, die<lb/>
mir dazumal ganz unbekannt waren, mein<lb/>
Gefühl ſagte mir, daſs ſolche unnatürliche<lb/>
Verbrechen, erſchreckliche Folgen nach ſich<lb/>
ziehen müſsten, ich wurde aufmerkſam auf<lb/>
ihr Schickſal und — es war das næmliche,<lb/>
was ich als die natürlichſte Folge dieſer<lb/>
Sünden erwarten konnte. Die Geſellſchaft<lb/>
war ohngefæhr zwölf Perſonen ſtark, und<lb/>
von dieſen ſind bereits acht von dieſer Welt<lb/>
abgetreten, in einer Zeit von ohngefæhr<lb/>
drey und zwanzig Jahren abgetreten, und<lb/>
die übrigen vier, die Rieſenkraft von der<lb/><fwplace="bottom"type="sig">(E 3)</fw><fwplace="bottom"type="catch">Natur</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[69/0079]
“Ich ſelbſt, ſchreibt mir ein Prediger,
kann für die Wahrheit dieſer Behauptung,
gleichſam als Augenzeuge, ſprechen. In
meinen akademiſchen Jahren führte mich
der Zufall in eine Geſellſchaft, die der Trunk
ſo verwirrt hatte, daſs ſie alle Regeln der
Klugheit und Behutſamkeit überſchritt, ohne
alle Zurückhaltung ihre Schande erzæhlte,
und ſich der Verbrechen rühmte, die ſie auf
dem Gymnaſium begangen hatte. Meine
Natur entſetzte ſich über die Greuel, die
mir dazumal ganz unbekannt waren, mein
Gefühl ſagte mir, daſs ſolche unnatürliche
Verbrechen, erſchreckliche Folgen nach ſich
ziehen müſsten, ich wurde aufmerkſam auf
ihr Schickſal und — es war das næmliche,
was ich als die natürlichſte Folge dieſer
Sünden erwarten konnte. Die Geſellſchaft
war ohngefæhr zwölf Perſonen ſtark, und
von dieſen ſind bereits acht von dieſer Welt
abgetreten, in einer Zeit von ohngefæhr
drey und zwanzig Jahren abgetreten, und
die übrigen vier, die Rieſenkraft von der
Natur
(E 3)
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Salzmann, Christian Gotthilf: Ueber die heimlichen Sünden der Jugend. Leipzig, 1785, S. 69. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/salzmann_suenden_1785/79>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.