Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Motoren.
will er eine Mühle erfunden haben, welche von einem Manne allein
getrieben werden soll.

Man sieht, daß Blasco de Garay jedenfalls ein sehr vielseitiger
Mann war. In der That hat derselbe am 17. Juni 1543 zu Barcelona
ein Schiff ohne Ruder und ohne Segel in Bewegung gesetzt und von
Karl V. eine Belohnung von 200000 Maravedis erhalten. Nach
sorgfältiger Prüfung des vorliegenden Dokumentenmateriales kommen
Lafuente und Gelcich zu dem Ergebnis, daß das Schiff Blasco de Garay's
nicht durch Dampfkraft, sondern durch ein von Menschenhand in Drehung
versetztes Schaufelrad angetrieben wurde. Am überzeugendsten geht
dieses aus einer von Blasco de Garay aufgestellten Übersicht hervor.
Hiernach waren erforderlich:

[Tabelle]

Was sollten beispielsweise 54 Mann anders zu verrichten haben,
als ein Schaufelrad mittels eines großen Räderwerkes zu drehen und
hierdurch das Schiff vorwärts zu treiben!

Eine andere Legende einer angeblichen Erfindung der Dampf-
maschine bezieht sich auf den Franzosen Salomon de Caus, geboren
1576 zu Dieppe, um dessen Schläfe die Nachwelt sogar die Glorie
des Märtyrertums geschlungen hat, indem sie die Mär ersann, daß
der unglückliche Erfinder als wahnsinnig erklärt und von Richelieu in
das Irrenhaus zu Bicetre geworfen sei. Vor den kritischen Blicken
der neueren Geschichtsforschung ist alles, was de Caus als den Erfinder
der Dampfmaschine hinstellen sollte, in ein leeres Nichts zerflossen.

[Abbildung] Fig. 62.

Brancas Äolipile.

Ein kleiner Schritt auf dem Wege
von der ersten Erkenntnis der Dampf-
kraft bis zu der Konstruktion der
ersten Dampfmaschine erfolgte durch
den in weiteren Kreisen als Er-
bauer der Kirche zu Loretto be-
kannten italienischen Architekten Joh.
Branca. Von diesem rührt die
in Fig. 62 dargestellte, den Namen
Äolipile tragende Vorrichtung her.
Bei dieser wurde der in der Hohl-
kugel A gebildete Dampf dazu ver-
wendet, bei seinem Austritt aus dem Rohre C ein Schaufelrad D an-
zutreiben und auf diese Weise mit Hilfe der Kurbel E ein Stampf-
werk in Bewegung zu setzen.

Die Motoren.
will er eine Mühle erfunden haben, welche von einem Manne allein
getrieben werden ſoll.

Man ſieht, daß Blasco de Garay jedenfalls ein ſehr vielſeitiger
Mann war. In der That hat derſelbe am 17. Juni 1543 zu Barcelona
ein Schiff ohne Ruder und ohne Segel in Bewegung geſetzt und von
Karl V. eine Belohnung von 200000 Maravedis erhalten. Nach
ſorgfältiger Prüfung des vorliegenden Dokumentenmateriales kommen
Lafuente und Gelcich zu dem Ergebnis, daß das Schiff Blasco de Garay’s
nicht durch Dampfkraft, ſondern durch ein von Menſchenhand in Drehung
verſetztes Schaufelrad angetrieben wurde. Am überzeugendſten geht
dieſes aus einer von Blasco de Garay aufgeſtellten Überſicht hervor.
Hiernach waren erforderlich:

[Tabelle]

Was ſollten beiſpielsweiſe 54 Mann anders zu verrichten haben,
als ein Schaufelrad mittels eines großen Räderwerkes zu drehen und
hierdurch das Schiff vorwärts zu treiben!

Eine andere Legende einer angeblichen Erfindung der Dampf-
maſchine bezieht ſich auf den Franzoſen Salomon de Caus, geboren
1576 zu Dieppe, um deſſen Schläfe die Nachwelt ſogar die Glorie
des Märtyrertums geſchlungen hat, indem ſie die Mär erſann, daß
der unglückliche Erfinder als wahnſinnig erklärt und von Richelieu in
das Irrenhaus zu Bicêtre geworfen ſei. Vor den kritiſchen Blicken
der neueren Geſchichtsforſchung iſt alles, was de Caus als den Erfinder
der Dampfmaſchine hinſtellen ſollte, in ein leeres Nichts zerfloſſen.

[Abbildung] Fig. 62.

Brancas Äolipile.

Ein kleiner Schritt auf dem Wege
von der erſten Erkenntnis der Dampf-
kraft bis zu der Konſtruktion der
erſten Dampfmaſchine erfolgte durch
den in weiteren Kreiſen als Er-
bauer der Kirche zu Loretto be-
kannten italieniſchen Architekten Joh.
Branca. Von dieſem rührt die
in Fig. 62 dargeſtellte, den Namen
Äolipile tragende Vorrichtung her.
Bei dieſer wurde der in der Hohl-
kugel A gebildete Dampf dazu ver-
wendet, bei ſeinem Austritt aus dem Rohre C ein Schaufelrad D an-
zutreiben und auf dieſe Weiſe mit Hilfe der Kurbel E ein Stampf-
werk in Bewegung zu ſetzen.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0104" n="86"/><fw place="top" type="header">Die Motoren.</fw><lb/>
will er eine Mühle erfunden haben, welche von einem Manne allein<lb/>
getrieben werden &#x017F;oll.</p><lb/>
              <p>Man &#x017F;ieht, daß Blasco de Garay jedenfalls ein &#x017F;ehr viel&#x017F;eitiger<lb/>
Mann war. In der That hat der&#x017F;elbe am 17. Juni 1543 zu Barcelona<lb/>
ein Schiff ohne Ruder und ohne Segel in Bewegung ge&#x017F;etzt und von<lb/>
Karl <hi rendition="#aq">V.</hi> eine Belohnung von 200000 Maravedis erhalten. Nach<lb/>
&#x017F;orgfältiger Prüfung des vorliegenden Dokumentenmateriales kommen<lb/>
Lafuente und Gelcich zu dem Ergebnis, daß das Schiff Blasco de Garay&#x2019;s<lb/>
nicht durch Dampfkraft, &#x017F;ondern durch ein von Men&#x017F;chenhand in Drehung<lb/>
ver&#x017F;etztes Schaufelrad angetrieben wurde. Am überzeugend&#x017F;ten geht<lb/>
die&#x017F;es aus einer von Blasco de Garay aufge&#x017F;tellten Über&#x017F;icht hervor.<lb/>
Hiernach waren erforderlich:<lb/><table><row><cell/></row></table></p>
              <p>Was &#x017F;ollten bei&#x017F;pielswei&#x017F;e 54 Mann anders zu verrichten haben,<lb/>
als ein Schaufelrad mittels eines großen Räderwerkes zu drehen und<lb/>
hierdurch das Schiff vorwärts zu treiben!</p><lb/>
              <p>Eine andere Legende einer angeblichen Erfindung der Dampf-<lb/>
ma&#x017F;chine bezieht &#x017F;ich auf den Franzo&#x017F;en <hi rendition="#g">Salomon de Caus</hi>, geboren<lb/>
1576 zu Dieppe, um de&#x017F;&#x017F;en Schläfe die Nachwelt &#x017F;ogar die Glorie<lb/>
des Märtyrertums ge&#x017F;chlungen hat, indem &#x017F;ie die Mär er&#x017F;ann, daß<lb/>
der unglückliche Erfinder als wahn&#x017F;innig erklärt und von Richelieu in<lb/>
das Irrenhaus zu Bic<hi rendition="#aq">ê</hi>tre geworfen &#x017F;ei. Vor den kriti&#x017F;chen Blicken<lb/>
der neueren Ge&#x017F;chichtsfor&#x017F;chung i&#x017F;t alles, was de Caus als den Erfinder<lb/>
der Dampfma&#x017F;chine hin&#x017F;tellen &#x017F;ollte, in ein leeres Nichts zerflo&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <figure>
                <head>Fig. 62.</head><lb/>
                <p>Brancas Äolipile.</p>
              </figure><lb/>
              <p>Ein kleiner Schritt auf dem Wege<lb/>
von der er&#x017F;ten Erkenntnis der Dampf-<lb/>
kraft bis zu der Kon&#x017F;truktion der<lb/>
er&#x017F;ten Dampfma&#x017F;chine erfolgte durch<lb/>
den in weiteren Krei&#x017F;en als Er-<lb/>
bauer der Kirche zu Loretto be-<lb/>
kannten italieni&#x017F;chen Architekten Joh.<lb/><hi rendition="#g">Branca</hi>. Von die&#x017F;em rührt die<lb/>
in Fig. 62 darge&#x017F;tellte, den Namen<lb/>
Äolipile tragende Vorrichtung her.<lb/>
Bei die&#x017F;er wurde der in der Hohl-<lb/>
kugel <hi rendition="#aq">A</hi> gebildete Dampf dazu ver-<lb/>
wendet, bei &#x017F;einem Austritt aus dem Rohre <hi rendition="#aq">C</hi> ein Schaufelrad <hi rendition="#aq">D</hi> an-<lb/>
zutreiben und auf die&#x017F;e Wei&#x017F;e mit Hilfe der Kurbel <hi rendition="#aq">E</hi> ein Stampf-<lb/>
werk in Bewegung zu &#x017F;etzen.</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0104] Die Motoren. will er eine Mühle erfunden haben, welche von einem Manne allein getrieben werden ſoll. Man ſieht, daß Blasco de Garay jedenfalls ein ſehr vielſeitiger Mann war. In der That hat derſelbe am 17. Juni 1543 zu Barcelona ein Schiff ohne Ruder und ohne Segel in Bewegung geſetzt und von Karl V. eine Belohnung von 200000 Maravedis erhalten. Nach ſorgfältiger Prüfung des vorliegenden Dokumentenmateriales kommen Lafuente und Gelcich zu dem Ergebnis, daß das Schiff Blasco de Garay’s nicht durch Dampfkraft, ſondern durch ein von Menſchenhand in Drehung verſetztes Schaufelrad angetrieben wurde. Am überzeugendſten geht dieſes aus einer von Blasco de Garay aufgeſtellten Überſicht hervor. Hiernach waren erforderlich: Was ſollten beiſpielsweiſe 54 Mann anders zu verrichten haben, als ein Schaufelrad mittels eines großen Räderwerkes zu drehen und hierdurch das Schiff vorwärts zu treiben! Eine andere Legende einer angeblichen Erfindung der Dampf- maſchine bezieht ſich auf den Franzoſen Salomon de Caus, geboren 1576 zu Dieppe, um deſſen Schläfe die Nachwelt ſogar die Glorie des Märtyrertums geſchlungen hat, indem ſie die Mär erſann, daß der unglückliche Erfinder als wahnſinnig erklärt und von Richelieu in das Irrenhaus zu Bicêtre geworfen ſei. Vor den kritiſchen Blicken der neueren Geſchichtsforſchung iſt alles, was de Caus als den Erfinder der Dampfmaſchine hinſtellen ſollte, in ein leeres Nichts zerfloſſen. [Abbildung Fig. 62. Brancas Äolipile.] Ein kleiner Schritt auf dem Wege von der erſten Erkenntnis der Dampf- kraft bis zu der Konſtruktion der erſten Dampfmaſchine erfolgte durch den in weiteren Kreiſen als Er- bauer der Kirche zu Loretto be- kannten italieniſchen Architekten Joh. Branca. Von dieſem rührt die in Fig. 62 dargeſtellte, den Namen Äolipile tragende Vorrichtung her. Bei dieſer wurde der in der Hohl- kugel A gebildete Dampf dazu ver- wendet, bei ſeinem Austritt aus dem Rohre C ein Schaufelrad D an- zutreiben und auf dieſe Weiſe mit Hilfe der Kurbel E ein Stampf- werk in Bewegung zu ſetzen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/104
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/104>, abgerufen am 24.11.2024.