den gesteigerten Bedürfnissen, den allweilig vorhandenen Materialien und einem Schönheitsgefühle anpaßten, welches auch dem Tiere keineswegs ganz abgeht. In Gegenden, die einen Überfluß an Holz aufwiesen, war man notwendig auf dieses als das geeigneteste Material angewiesen. War es auch der Gefahr der Zerstörung durch die Feuchtig- keit etwas mehr ausgesetzt, als die dem Erdboden entnommenen Stoffe, so hatte es vor diesem den Vorteil, daß es dem Frost weit weniger unterliegt. Die aus der Urzeit erhaltenen Pfahlbauten zeigen seine bedeutende Widerstandskraft. Für Bauten auf Höhen ist es einzig tauglich. Das Blockhaus der amerikanischen Ansiedler und das Schweizerhaus zeigen uns die Holzbaukunst auf verschiedenen Ent- wickelungsstufen. Am meisten vorgeschritten erscheint dieselbe wohl im Norden, und die norwegischen Kirchen weisen hier ihre vollendetsten Formen auf, ausgestattet mit einer unübertroffenen Ornamentik.
Es ist klar, daß, wo die Erde keine Steine liefert und die Wälder mangeln, niedrige Fachwerkbauten diejenigen sein werden, die das Wohnungsbedürfnis hervorbringt. So ist es z. B. in den eigentlichen Ungarstädten, wo das Alföld keinerlei Steine darbietet. Überall sonst wird der Bau aus Steinen, wie sie vom Boden aufgenommen werden können, ebenso nahe gelegen haben, wie der Holzbau. Mit den Pfahl- bauten Westeuropas sind die Steinbauten des Orients gewiß gleichaltrig, während die Grabdenkmale, welche uns aus der Urzeit West- und Mitteleuropas überkommen sind, die Dolmen und Steinkreise ihnen vielleicht in der Zeit vorangingen. Der Stein, so viel härter als das Holz, ließ sich nur schwer in die Form bringen, die ihn zur Verwendung in Bauten tauglich erscheinen ließ, und so standen die ersten Steinbauten an geschmackvoller Ausführung hinter denen aus Holz weit zurück. Es fehlten eben die Werkzeuge, mit denen heute die Bearbeitung selbst der stärksten Steine ausführbar ist. Man schichtete sie zusammen, nachdem man sie einigermaßen aneinander gepaßt hatte, fügte in die Lücken zwischen ihnen kleinere Steine und dichtete dann den ganzen Bau mit Moos. Erst verhältnismäßig spät gelang es, auch die Steine in ähnliche Schichten zu ordnen, wie die gleichmäßig dicken Holzbalken des Block- hauses, sie zu wagerechten Reihen von gleichförmiger Höhe an ein- ander zu fügen. Heute ist die Verwendung der natürlichen Steine beim Hochbau nur eine beschränkte; aber immerhin werden sie für die Zwecke des Fundamentierens, der Bekleidung, der Fußböden und der Dachlegung allerwege gebraucht. Weiter geht freilich ihre Ver- wendung im Straßenbau.
Wie gewinnt man die für diese Zwecke geeigneten Steine und wie gelingt es, den harten Materialien die passenden Formen zu geben? In vielen Fällen kann man das geeignete Material in der Gestalt lockerer Geschiebe oder erratischer Blöcke einfach vom Boden aufnehmen, in anderen muß man es seiner Unterlage mit Gewalt entreißen. So in den Steinbrüchen. Hier sind die Brechstange und der Keil für die
Die Baumaterialien.
den geſteigerten Bedürfniſſen, den allweilig vorhandenen Materialien und einem Schönheitsgefühle anpaßten, welches auch dem Tiere keineswegs ganz abgeht. In Gegenden, die einen Überfluß an Holz aufwieſen, war man notwendig auf dieſes als das geeigneteſte Material angewieſen. War es auch der Gefahr der Zerſtörung durch die Feuchtig- keit etwas mehr ausgeſetzt, als die dem Erdboden entnommenen Stoffe, ſo hatte es vor dieſem den Vorteil, daß es dem Froſt weit weniger unterliegt. Die aus der Urzeit erhaltenen Pfahlbauten zeigen ſeine bedeutende Widerſtandskraft. Für Bauten auf Höhen iſt es einzig tauglich. Das Blockhaus der amerikaniſchen Anſiedler und das Schweizerhaus zeigen uns die Holzbaukunſt auf verſchiedenen Ent- wickelungsſtufen. Am meiſten vorgeſchritten erſcheint dieſelbe wohl im Norden, und die norwegiſchen Kirchen weiſen hier ihre vollendetſten Formen auf, ausgeſtattet mit einer unübertroffenen Ornamentik.
Es iſt klar, daß, wo die Erde keine Steine liefert und die Wälder mangeln, niedrige Fachwerkbauten diejenigen ſein werden, die das Wohnungsbedürfnis hervorbringt. So iſt es z. B. in den eigentlichen Ungarſtädten, wo das Alföld keinerlei Steine darbietet. Überall ſonſt wird der Bau aus Steinen, wie ſie vom Boden aufgenommen werden können, ebenſo nahe gelegen haben, wie der Holzbau. Mit den Pfahl- bauten Weſteuropas ſind die Steinbauten des Orients gewiß gleichaltrig, während die Grabdenkmale, welche uns aus der Urzeit Weſt- und Mitteleuropas überkommen ſind, die Dolmen und Steinkreiſe ihnen vielleicht in der Zeit vorangingen. Der Stein, ſo viel härter als das Holz, ließ ſich nur ſchwer in die Form bringen, die ihn zur Verwendung in Bauten tauglich erſcheinen ließ, und ſo ſtanden die erſten Steinbauten an geſchmackvoller Ausführung hinter denen aus Holz weit zurück. Es fehlten eben die Werkzeuge, mit denen heute die Bearbeitung ſelbſt der ſtärkſten Steine ausführbar iſt. Man ſchichtete ſie zuſammen, nachdem man ſie einigermaßen aneinander gepaßt hatte, fügte in die Lücken zwiſchen ihnen kleinere Steine und dichtete dann den ganzen Bau mit Moos. Erſt verhältnismäßig ſpät gelang es, auch die Steine in ähnliche Schichten zu ordnen, wie die gleichmäßig dicken Holzbalken des Block- hauſes, ſie zu wagerechten Reihen von gleichförmiger Höhe an ein- ander zu fügen. Heute iſt die Verwendung der natürlichen Steine beim Hochbau nur eine beſchränkte; aber immerhin werden ſie für die Zwecke des Fundamentierens, der Bekleidung, der Fußböden und der Dachlegung allerwege gebraucht. Weiter geht freilich ihre Ver- wendung im Straßenbau.
Wie gewinnt man die für dieſe Zwecke geeigneten Steine und wie gelingt es, den harten Materialien die paſſenden Formen zu geben? In vielen Fällen kann man das geeignete Material in der Geſtalt lockerer Geſchiebe oder erratiſcher Blöcke einfach vom Boden aufnehmen, in anderen muß man es ſeiner Unterlage mit Gewalt entreißen. So in den Steinbrüchen. Hier ſind die Brechſtange und der Keil für die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0280"n="262"/><fwplace="top"type="header">Die Baumaterialien.</fw><lb/>
den geſteigerten Bedürfniſſen, den allweilig vorhandenen Materialien<lb/>
und einem Schönheitsgefühle anpaßten, welches auch dem Tiere<lb/>
keineswegs ganz abgeht. In Gegenden, die einen Überfluß an Holz<lb/>
aufwieſen, war man notwendig auf dieſes als das geeigneteſte Material<lb/>
angewieſen. War es auch der Gefahr der Zerſtörung durch die Feuchtig-<lb/>
keit etwas mehr ausgeſetzt, als die dem Erdboden entnommenen Stoffe,<lb/>ſo hatte es vor dieſem den Vorteil, daß es dem Froſt weit weniger<lb/>
unterliegt. Die aus der Urzeit erhaltenen Pfahlbauten zeigen ſeine<lb/>
bedeutende Widerſtandskraft. Für Bauten auf Höhen iſt es einzig<lb/>
tauglich. Das Blockhaus der amerikaniſchen Anſiedler und das<lb/>
Schweizerhaus zeigen uns die Holzbaukunſt auf verſchiedenen Ent-<lb/>
wickelungsſtufen. Am meiſten vorgeſchritten erſcheint dieſelbe wohl im<lb/>
Norden, und die norwegiſchen Kirchen weiſen hier ihre vollendetſten<lb/>
Formen auf, ausgeſtattet mit einer unübertroffenen Ornamentik.</p><lb/><p>Es iſt klar, daß, wo die Erde keine Steine liefert und die Wälder<lb/>
mangeln, niedrige Fachwerkbauten diejenigen ſein werden, die das<lb/>
Wohnungsbedürfnis hervorbringt. So iſt es z. B. in den eigentlichen<lb/>
Ungarſtädten, wo das Alföld keinerlei Steine darbietet. Überall ſonſt<lb/>
wird der Bau aus Steinen, wie ſie vom Boden aufgenommen werden<lb/>
können, ebenſo nahe gelegen haben, wie der Holzbau. Mit den Pfahl-<lb/>
bauten Weſteuropas ſind die Steinbauten des Orients gewiß gleichaltrig,<lb/>
während die Grabdenkmale, welche uns aus der Urzeit Weſt- und<lb/>
Mitteleuropas überkommen ſind, die Dolmen und Steinkreiſe ihnen<lb/>
vielleicht in der Zeit vorangingen. Der Stein, ſo viel härter als das<lb/>
Holz, ließ ſich nur ſchwer in die Form bringen, die ihn zur Verwendung<lb/>
in Bauten tauglich erſcheinen ließ, und ſo ſtanden die erſten Steinbauten<lb/>
an geſchmackvoller Ausführung hinter denen aus Holz weit zurück. Es<lb/>
fehlten eben die Werkzeuge, mit denen heute die Bearbeitung ſelbſt der<lb/>ſtärkſten Steine ausführbar iſt. Man ſchichtete ſie zuſammen, nachdem<lb/>
man ſie einigermaßen aneinander gepaßt hatte, fügte in die Lücken zwiſchen<lb/>
ihnen kleinere Steine und dichtete dann den ganzen Bau mit Moos.<lb/>
Erſt verhältnismäßig ſpät gelang es, auch die Steine in ähnliche<lb/>
Schichten zu ordnen, wie die gleichmäßig dicken Holzbalken des Block-<lb/>
hauſes, ſie zu wagerechten Reihen von gleichförmiger Höhe an ein-<lb/>
ander zu fügen. Heute iſt die Verwendung der natürlichen Steine<lb/>
beim Hochbau nur eine beſchränkte; aber immerhin werden ſie für die<lb/>
Zwecke des Fundamentierens, der Bekleidung, der Fußböden und<lb/>
der Dachlegung allerwege gebraucht. Weiter geht freilich ihre Ver-<lb/>
wendung im Straßenbau.</p><lb/><p>Wie gewinnt man die für dieſe Zwecke geeigneten Steine und wie<lb/>
gelingt es, den harten Materialien die paſſenden Formen zu geben?<lb/>
In vielen Fällen kann man das geeignete Material in der Geſtalt<lb/>
lockerer Geſchiebe oder erratiſcher Blöcke einfach vom Boden aufnehmen,<lb/>
in anderen muß man es ſeiner Unterlage mit Gewalt entreißen. So<lb/>
in den Steinbrüchen. Hier ſind die Brechſtange und der Keil für die<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[262/0280]
Die Baumaterialien.
den geſteigerten Bedürfniſſen, den allweilig vorhandenen Materialien
und einem Schönheitsgefühle anpaßten, welches auch dem Tiere
keineswegs ganz abgeht. In Gegenden, die einen Überfluß an Holz
aufwieſen, war man notwendig auf dieſes als das geeigneteſte Material
angewieſen. War es auch der Gefahr der Zerſtörung durch die Feuchtig-
keit etwas mehr ausgeſetzt, als die dem Erdboden entnommenen Stoffe,
ſo hatte es vor dieſem den Vorteil, daß es dem Froſt weit weniger
unterliegt. Die aus der Urzeit erhaltenen Pfahlbauten zeigen ſeine
bedeutende Widerſtandskraft. Für Bauten auf Höhen iſt es einzig
tauglich. Das Blockhaus der amerikaniſchen Anſiedler und das
Schweizerhaus zeigen uns die Holzbaukunſt auf verſchiedenen Ent-
wickelungsſtufen. Am meiſten vorgeſchritten erſcheint dieſelbe wohl im
Norden, und die norwegiſchen Kirchen weiſen hier ihre vollendetſten
Formen auf, ausgeſtattet mit einer unübertroffenen Ornamentik.
Es iſt klar, daß, wo die Erde keine Steine liefert und die Wälder
mangeln, niedrige Fachwerkbauten diejenigen ſein werden, die das
Wohnungsbedürfnis hervorbringt. So iſt es z. B. in den eigentlichen
Ungarſtädten, wo das Alföld keinerlei Steine darbietet. Überall ſonſt
wird der Bau aus Steinen, wie ſie vom Boden aufgenommen werden
können, ebenſo nahe gelegen haben, wie der Holzbau. Mit den Pfahl-
bauten Weſteuropas ſind die Steinbauten des Orients gewiß gleichaltrig,
während die Grabdenkmale, welche uns aus der Urzeit Weſt- und
Mitteleuropas überkommen ſind, die Dolmen und Steinkreiſe ihnen
vielleicht in der Zeit vorangingen. Der Stein, ſo viel härter als das
Holz, ließ ſich nur ſchwer in die Form bringen, die ihn zur Verwendung
in Bauten tauglich erſcheinen ließ, und ſo ſtanden die erſten Steinbauten
an geſchmackvoller Ausführung hinter denen aus Holz weit zurück. Es
fehlten eben die Werkzeuge, mit denen heute die Bearbeitung ſelbſt der
ſtärkſten Steine ausführbar iſt. Man ſchichtete ſie zuſammen, nachdem
man ſie einigermaßen aneinander gepaßt hatte, fügte in die Lücken zwiſchen
ihnen kleinere Steine und dichtete dann den ganzen Bau mit Moos.
Erſt verhältnismäßig ſpät gelang es, auch die Steine in ähnliche
Schichten zu ordnen, wie die gleichmäßig dicken Holzbalken des Block-
hauſes, ſie zu wagerechten Reihen von gleichförmiger Höhe an ein-
ander zu fügen. Heute iſt die Verwendung der natürlichen Steine
beim Hochbau nur eine beſchränkte; aber immerhin werden ſie für die
Zwecke des Fundamentierens, der Bekleidung, der Fußböden und
der Dachlegung allerwege gebraucht. Weiter geht freilich ihre Ver-
wendung im Straßenbau.
Wie gewinnt man die für dieſe Zwecke geeigneten Steine und wie
gelingt es, den harten Materialien die paſſenden Formen zu geben?
In vielen Fällen kann man das geeignete Material in der Geſtalt
lockerer Geſchiebe oder erratiſcher Blöcke einfach vom Boden aufnehmen,
in anderen muß man es ſeiner Unterlage mit Gewalt entreißen. So
in den Steinbrüchen. Hier ſind die Brechſtange und der Keil für die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 262. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/280>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.