Manilahanf, der Aloehanf. Einheimische Pflanzen hierfür sind die Nadelhölzer, welche die sogenannte Waldwolle abgeben. Die in den Handel kommende Waldwolle ist weiter nichts, als mit einem Absud aus Fichtennadeln getränkte Schafwolle. Kokosnüsse liefern in der die Frucht umgebenden Hülle ein Material, welches zu Teppichen, Matratzen, Hüten, Stricken u. dgl. gebraucht wird. Weitere Pflanzenmaterialien sind Reis- und Maisstroh für Mattengewebe, russische Esche, Pappel, Linde für Siebe, Hüte etc., Binsen für Rouleaux, Kautschuk für elastische Stoffe, wie Schuhzüge, Hosenträger, Strumpfbänder und viele andere. Neuerdings hat ein Holländer, namens Berand in Mastricht, im Torf eine spinnbare Faser entdeckt, Berandin genannt, welche, mit Wolle gemischt, ein sehr schönes und haltbares Gespinst geben soll.
Die Baumwolle ist zwar nicht so alt, wie die Wolle und der Flachs, doch war sie gleichfalls schon im frühen Altertum manchen Völkern bekannt. Sie gehört zu der Familie der Malven oder Pappel- rosen, und trägt die Pflanze Blüten, aus denen sich Fruchtkapseln von der Größe einer Walnuß mit drei bis acht Samenkörnern entwickeln. Diese sind mit den Baumwollfasern dicht umhüllt. Obschon außer der Baumwollpflanze noch andere Gewächse Samenhaare erzeugen, so sind doch bis heute nur ihre Fasern als zur Bildung von Fäden tauglich geschätzt worden.
Mineralische Stoffe können, da sie schwer und gute Wärmeleiter sind, in der Textilbranche sich keine hervorragende Stellung erringen. Nichts destoweniger sind sie für gewisse Zwecke unentbehrlich. Ins- besondere werden in Möbelstoffe, Tapeten, Vorhänge, überhaupt Stoffe mit dekorativem Zweck Gold- und Silberfäden eingeschossen, desgl. in Kirchengewänder, Paramenten und Prachtstoffe, welche auch mit reichen Goldstickereien ausgestattet werden. Besatzartikel und Posa- menten erfahren ebenfalls die Benutzung von Gold- und Silberfäden. An Stelle der echten Gold- und Silberdrähte nimmt man häufig schwach galvanisch vergoldete oder versilberte Kupfer- und Eisendrähte, oder wickelt, um sie billiger, leichter und biegsamer zu machen, die echten oder unechten feinen Drähte um gelbe oder weiße Fäden aus Seide, Baumwolle oder Leinen. Solche Gespinste führen in unechtem Zu- stande den Namen Gold- resp. Silberlahn. Schon von den ältesten Schriftstellern wird von golddurchwirkten Stoffen berichtet. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts wurden echte Goldfäden verwendet, deren Seele ein Seiden- oder Leinenfaden war. Von da ab trat von Cypern aus ein neues billigeres Goldgespinst auf, bekannt unter dem Namen "cyprischer Goldfaden", bei welchem der innere Faden wie früher ge- wählt war, dessen Umspinnung jedoch aus einem stark vergoldeten Darmhäutchen bestand. Seit dem 15. Jahrhundert findet man in abendländischen Stickereien den neuen Goldfaden der Renaissance, be- stehend aus einem goldgelben Seidenfaden als Kern mit stark ver- goldetem Silberdraht umsponnen. Aus China und Japan rührt ein
Die Textil-Induſtrie.
Manilahanf, der Aloehanf. Einheimiſche Pflanzen hierfür ſind die Nadelhölzer, welche die ſogenannte Waldwolle abgeben. Die in den Handel kommende Waldwolle iſt weiter nichts, als mit einem Abſud aus Fichtennadeln getränkte Schafwolle. Kokosnüſſe liefern in der die Frucht umgebenden Hülle ein Material, welches zu Teppichen, Matratzen, Hüten, Stricken u. dgl. gebraucht wird. Weitere Pflanzenmaterialien ſind Reis- und Maisſtroh für Mattengewebe, ruſſiſche Eſche, Pappel, Linde für Siebe, Hüte ꝛc., Binſen für Rouleaux, Kautſchuk für elaſtiſche Stoffe, wie Schuhzüge, Hoſenträger, Strumpfbänder und viele andere. Neuerdings hat ein Holländer, namens Bérand in Maſtricht, im Torf eine ſpinnbare Faſer entdeckt, Bérandin genannt, welche, mit Wolle gemiſcht, ein ſehr ſchönes und haltbares Geſpinſt geben ſoll.
Die Baumwolle iſt zwar nicht ſo alt, wie die Wolle und der Flachs, doch war ſie gleichfalls ſchon im frühen Altertum manchen Völkern bekannt. Sie gehört zu der Familie der Malven oder Pappel- roſen, und trägt die Pflanze Blüten, aus denen ſich Fruchtkapſeln von der Größe einer Walnuß mit drei bis acht Samenkörnern entwickeln. Dieſe ſind mit den Baumwollfaſern dicht umhüllt. Obſchon außer der Baumwollpflanze noch andere Gewächſe Samenhaare erzeugen, ſo ſind doch bis heute nur ihre Faſern als zur Bildung von Fäden tauglich geſchätzt worden.
Mineraliſche Stoffe können, da ſie ſchwer und gute Wärmeleiter ſind, in der Textilbranche ſich keine hervorragende Stellung erringen. Nichts deſtoweniger ſind ſie für gewiſſe Zwecke unentbehrlich. Ins- beſondere werden in Möbelſtoffe, Tapeten, Vorhänge, überhaupt Stoffe mit dekorativem Zweck Gold- und Silberfäden eingeſchoſſen, desgl. in Kirchengewänder, Paramenten und Prachtſtoffe, welche auch mit reichen Goldſtickereien ausgeſtattet werden. Beſatzartikel und Poſa- menten erfahren ebenfalls die Benutzung von Gold- und Silberfäden. An Stelle der echten Gold- und Silberdrähte nimmt man häufig ſchwach galvaniſch vergoldete oder verſilberte Kupfer- und Eiſendrähte, oder wickelt, um ſie billiger, leichter und biegſamer zu machen, die echten oder unechten feinen Drähte um gelbe oder weiße Fäden aus Seide, Baumwolle oder Leinen. Solche Geſpinſte führen in unechtem Zu- ſtande den Namen Gold- reſp. Silberlahn. Schon von den älteſten Schriftſtellern wird von golddurchwirkten Stoffen berichtet. Bis zur Mitte des 11. Jahrhunderts wurden echte Goldfäden verwendet, deren Seele ein Seiden- oder Leinenfaden war. Von da ab trat von Cypern aus ein neues billigeres Goldgeſpinſt auf, bekannt unter dem Namen „cypriſcher Goldfaden“, bei welchem der innere Faden wie früher ge- wählt war, deſſen Umſpinnung jedoch aus einem ſtark vergoldeten Darmhäutchen beſtand. Seit dem 15. Jahrhundert findet man in abendländiſchen Stickereien den neuen Goldfaden der Renaiſſance, be- ſtehend aus einem goldgelben Seidenfaden als Kern mit ſtark ver- goldetem Silberdraht umſponnen. Aus China und Japan rührt ein
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Nadelhölzer, welche die ſogenannte Waldwolle abgeben. Die in den
Handel kommende Waldwolle iſt weiter nichts, als mit einem Abſud
aus Fichtennadeln getränkte Schafwolle. Kokosnüſſe liefern in der die
Frucht umgebenden Hülle ein Material, welches zu Teppichen, Matratzen,
Hüten, Stricken u. dgl. gebraucht wird. Weitere Pflanzenmaterialien
ſind Reis- und Maisſtroh für Mattengewebe, ruſſiſche Eſche, Pappel,
Linde für Siebe, Hüte ꝛc., Binſen für Rouleaux, Kautſchuk für elaſtiſche
Stoffe, wie Schuhzüge, Hoſenträger, Strumpfbänder und viele andere.
Neuerdings hat ein Holländer, namens Bérand in Maſtricht, im Torf
eine ſpinnbare Faſer entdeckt, Bérandin genannt, welche, mit Wolle
gemiſcht, ein ſehr ſchönes und haltbares Geſpinſt geben ſoll.
Die Baumwolle iſt zwar nicht ſo alt, wie die Wolle und der
Flachs, doch war ſie gleichfalls ſchon im frühen Altertum manchen
Völkern bekannt. Sie gehört zu der Familie der Malven oder Pappel-
roſen, und trägt die Pflanze Blüten, aus denen ſich Fruchtkapſeln von
der Größe einer Walnuß mit drei bis acht Samenkörnern entwickeln.
Dieſe ſind mit den Baumwollfaſern dicht umhüllt. Obſchon außer der
Baumwollpflanze noch andere Gewächſe Samenhaare erzeugen, ſo ſind
doch bis heute nur ihre Faſern als zur Bildung von Fäden tauglich
geſchätzt worden.
Mineraliſche Stoffe können, da ſie ſchwer und gute Wärmeleiter
ſind, in der Textilbranche ſich keine hervorragende Stellung erringen.
Nichts deſtoweniger ſind ſie für gewiſſe Zwecke unentbehrlich. Ins-
beſondere werden in Möbelſtoffe, Tapeten, Vorhänge, überhaupt Stoffe
mit dekorativem Zweck Gold- und Silberfäden eingeſchoſſen, desgl.
in Kirchengewänder, Paramenten und Prachtſtoffe, welche auch mit
reichen Goldſtickereien ausgeſtattet werden. Beſatzartikel und Poſa-
menten erfahren ebenfalls die Benutzung von Gold- und Silberfäden.
An Stelle der echten Gold- und Silberdrähte nimmt man häufig ſchwach
galvaniſch vergoldete oder verſilberte Kupfer- und Eiſendrähte, oder
wickelt, um ſie billiger, leichter und biegſamer zu machen, die echten
oder unechten feinen Drähte um gelbe oder weiße Fäden aus Seide,
Baumwolle oder Leinen. Solche Geſpinſte führen in unechtem Zu-
ſtande den Namen Gold- reſp. Silberlahn. Schon von den älteſten
Schriftſtellern wird von golddurchwirkten Stoffen berichtet. Bis zur
Mitte des 11. Jahrhunderts wurden echte Goldfäden verwendet, deren
Seele ein Seiden- oder Leinenfaden war. Von da ab trat von Cypern
aus ein neues billigeres Goldgeſpinſt auf, bekannt unter dem Namen
„cypriſcher Goldfaden“, bei welchem der innere Faden wie früher ge-
wählt war, deſſen Umſpinnung jedoch aus einem ſtark vergoldeten
Darmhäutchen beſtand. Seit dem 15. Jahrhundert findet man in
abendländiſchen Stickereien den neuen Goldfaden der Renaiſſance, be-
ſtehend aus einem goldgelben Seidenfaden als Kern mit ſtark ver-
goldetem Silberdraht umſponnen. Aus China und Japan rührt ein
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 338. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/356>, abgerufen am 22.11.2024.
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