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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Textil-Industrie.
und von beiden wieder das letztere das ältere aus der Stickerei hervor-
gegangene. Hiernach trennt man die Spitzen als Klöppelspitzen und
als Näh- oder Nadelspitzen. Die ältesten Nadelspitzen wurden aus
einem dichten, leinwandartigen Stoff durch geeignetes Ausschneiden von
Fadenstücken und gruppenweise Vereinigung der übrigen durch Um-
wickeln mit Nähfäden hergestellt, wobei das Muster Berücksichtigung
fand. Solche Ausziehspitzen wurden im 15. und 16. Jahrhundert in
Italien getragen. Bei den eigentlichen späteren Nadelspitzen ist dieser
leinwandartige Grund nicht mehr vorhanden, sondern halten sich die
einzelnen Fadengebilde gegenseitig. Zu ihrer Anfertigung bedient
man sich einer Patrone, welche die Umrisse des Musters durch
Nadelstiche angedeutet zeigt und durch sehr feine Fäden auf zwei
über einander liegende Tuchstücke aufgenäht wird. Ein starker Doppel-
faden wird den Konturen der Zeichnung folgend gleichfalls mittels
eines feinen Fadens festgeheftet. Die so eingegrenzten Musterflächen
werden dann, die Schattierungen derselben berücksichtigend, mit Spitzen-
stichen, das sind kunstvoll geschlungene Sticharten, ausgefüllt, und der
Art der Spitze entsprechende Befestigungen ausgeführt. Endlich wird
die fertige Spitze dadurch gelöst, daß man die beiden Tuchstücke aus-
einanderreißt, wodurch die Heftfäden mit zerreißen und die Muster-
zeichnung frei wird. Geklöppelte Spitzen, die eine große Mannigfaltig-
keit des Grundes gestatten, stellt man mittels des Klöppelkissens, der
Klöppel und der Klöppelnadeln dar. Auf dem Kissen ist die Patrone,
eine Zeichnung mit die Kreuzungsstellen der Fäden markierenden
Nadelstichen aufgeheftet. Die Klöppelfäden sind auf der Klöppel, einer
dünnen Holzspindel, aufgewickelt und werden mittels der Klöppelnadeln
auf der Patrone, den Nadelstichen gemäß, angeheftet, wobei die Nadeln
an den markierten Stellen in das Kissen gesteckt sind, und nach ver-
schiedenen Methoden verflochten. -- Maschinenspitzen können auf der
Klöppelmaschine, dem Wirkstuhl oder der Bobbinetmaschine erzeugt
werden, unterscheiden sich aber hiernach auch in ihrem Aussehen. Erstere
liefert Spitzen von dem Aussehen der durch Hand geklöppelten Spitzen.
Auf dem Wirkstuhl lassen sich nur Spitzen in Form von Kettenware,
also Schleifenware, herstellen. Der Bobbinetstuhl findet gegenwärtig
die größte Benutzung für die Anfertigung von Maschinenspitzen, Tüll-
spitzen und auch der Gardinen. Diese Stühle sind sehr kompliziert,
arbeiten mit Grund- und Dreherkette und vielen Schußspulen, welche
bald über mehr, bald über weniger Kettfäden hingleiten, wobei die
Dreherfäden sich um die Grundfäden schlingen, und da, wo die Schüsse
über erstere gehen, die Befestigung geben. Eine Art Jacquardmaschine
bestimmt die Länge der Verschiebung der Schußfäden.

Die Posamentiererei.

Man begreift unter Posamentierarbeiten eine Menge von Arbeiten,
die keiner besonderen Verfahrungsarten bedürfen, vielmehr bald die eine,

Die Textil-Induſtrie.
und von beiden wieder das letztere das ältere aus der Stickerei hervor-
gegangene. Hiernach trennt man die Spitzen als Klöppelſpitzen und
als Näh- oder Nadelſpitzen. Die älteſten Nadelſpitzen wurden aus
einem dichten, leinwandartigen Stoff durch geeignetes Ausſchneiden von
Fadenſtücken und gruppenweiſe Vereinigung der übrigen durch Um-
wickeln mit Nähfäden hergeſtellt, wobei das Muſter Berückſichtigung
fand. Solche Ausziehſpitzen wurden im 15. und 16. Jahrhundert in
Italien getragen. Bei den eigentlichen ſpäteren Nadelſpitzen iſt dieſer
leinwandartige Grund nicht mehr vorhanden, ſondern halten ſich die
einzelnen Fadengebilde gegenſeitig. Zu ihrer Anfertigung bedient
man ſich einer Patrone, welche die Umriſſe des Muſters durch
Nadelſtiche angedeutet zeigt und durch ſehr feine Fäden auf zwei
über einander liegende Tuchſtücke aufgenäht wird. Ein ſtarker Doppel-
faden wird den Konturen der Zeichnung folgend gleichfalls mittels
eines feinen Fadens feſtgeheftet. Die ſo eingegrenzten Muſterflächen
werden dann, die Schattierungen derſelben berückſichtigend, mit Spitzen-
ſtichen, das ſind kunſtvoll geſchlungene Sticharten, ausgefüllt, und der
Art der Spitze entſprechende Befeſtigungen ausgeführt. Endlich wird
die fertige Spitze dadurch gelöſt, daß man die beiden Tuchſtücke aus-
einanderreißt, wodurch die Heftfäden mit zerreißen und die Muſter-
zeichnung frei wird. Geklöppelte Spitzen, die eine große Mannigfaltig-
keit des Grundes geſtatten, ſtellt man mittels des Klöppelkiſſens, der
Klöppel und der Klöppelnadeln dar. Auf dem Kiſſen iſt die Patrone,
eine Zeichnung mit die Kreuzungsſtellen der Fäden markierenden
Nadelſtichen aufgeheftet. Die Klöppelfäden ſind auf der Klöppel, einer
dünnen Holzſpindel, aufgewickelt und werden mittels der Klöppelnadeln
auf der Patrone, den Nadelſtichen gemäß, angeheftet, wobei die Nadeln
an den markierten Stellen in das Kiſſen geſteckt ſind, und nach ver-
ſchiedenen Methoden verflochten. — Maſchinenſpitzen können auf der
Klöppelmaſchine, dem Wirkſtuhl oder der Bobbinetmaſchine erzeugt
werden, unterſcheiden ſich aber hiernach auch in ihrem Ausſehen. Erſtere
liefert Spitzen von dem Ausſehen der durch Hand geklöppelten Spitzen.
Auf dem Wirkſtuhl laſſen ſich nur Spitzen in Form von Kettenware,
alſo Schleifenware, herſtellen. Der Bobbinetſtuhl findet gegenwärtig
die größte Benutzung für die Anfertigung von Maſchinenſpitzen, Tüll-
ſpitzen und auch der Gardinen. Dieſe Stühle ſind ſehr kompliziert,
arbeiten mit Grund- und Dreherkette und vielen Schußſpulen, welche
bald über mehr, bald über weniger Kettfäden hingleiten, wobei die
Dreherfäden ſich um die Grundfäden ſchlingen, und da, wo die Schüſſe
über erſtere gehen, die Befeſtigung geben. Eine Art Jacquardmaſchine
beſtimmt die Länge der Verſchiebung der Schußfäden.

Die Poſamentiererei.

Man begreift unter Poſamentierarbeiten eine Menge von Arbeiten,
die keiner beſonderen Verfahrungsarten bedürfen, vielmehr bald die eine,

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[384/0402] Die Textil-Induſtrie. und von beiden wieder das letztere das ältere aus der Stickerei hervor- gegangene. Hiernach trennt man die Spitzen als Klöppelſpitzen und als Näh- oder Nadelſpitzen. Die älteſten Nadelſpitzen wurden aus einem dichten, leinwandartigen Stoff durch geeignetes Ausſchneiden von Fadenſtücken und gruppenweiſe Vereinigung der übrigen durch Um- wickeln mit Nähfäden hergeſtellt, wobei das Muſter Berückſichtigung fand. Solche Ausziehſpitzen wurden im 15. und 16. Jahrhundert in Italien getragen. Bei den eigentlichen ſpäteren Nadelſpitzen iſt dieſer leinwandartige Grund nicht mehr vorhanden, ſondern halten ſich die einzelnen Fadengebilde gegenſeitig. Zu ihrer Anfertigung bedient man ſich einer Patrone, welche die Umriſſe des Muſters durch Nadelſtiche angedeutet zeigt und durch ſehr feine Fäden auf zwei über einander liegende Tuchſtücke aufgenäht wird. Ein ſtarker Doppel- faden wird den Konturen der Zeichnung folgend gleichfalls mittels eines feinen Fadens feſtgeheftet. Die ſo eingegrenzten Muſterflächen werden dann, die Schattierungen derſelben berückſichtigend, mit Spitzen- ſtichen, das ſind kunſtvoll geſchlungene Sticharten, ausgefüllt, und der Art der Spitze entſprechende Befeſtigungen ausgeführt. Endlich wird die fertige Spitze dadurch gelöſt, daß man die beiden Tuchſtücke aus- einanderreißt, wodurch die Heftfäden mit zerreißen und die Muſter- zeichnung frei wird. Geklöppelte Spitzen, die eine große Mannigfaltig- keit des Grundes geſtatten, ſtellt man mittels des Klöppelkiſſens, der Klöppel und der Klöppelnadeln dar. Auf dem Kiſſen iſt die Patrone, eine Zeichnung mit die Kreuzungsſtellen der Fäden markierenden Nadelſtichen aufgeheftet. Die Klöppelfäden ſind auf der Klöppel, einer dünnen Holzſpindel, aufgewickelt und werden mittels der Klöppelnadeln auf der Patrone, den Nadelſtichen gemäß, angeheftet, wobei die Nadeln an den markierten Stellen in das Kiſſen geſteckt ſind, und nach ver- ſchiedenen Methoden verflochten. — Maſchinenſpitzen können auf der Klöppelmaſchine, dem Wirkſtuhl oder der Bobbinetmaſchine erzeugt werden, unterſcheiden ſich aber hiernach auch in ihrem Ausſehen. Erſtere liefert Spitzen von dem Ausſehen der durch Hand geklöppelten Spitzen. Auf dem Wirkſtuhl laſſen ſich nur Spitzen in Form von Kettenware, alſo Schleifenware, herſtellen. Der Bobbinetſtuhl findet gegenwärtig die größte Benutzung für die Anfertigung von Maſchinenſpitzen, Tüll- ſpitzen und auch der Gardinen. Dieſe Stühle ſind ſehr kompliziert, arbeiten mit Grund- und Dreherkette und vielen Schußſpulen, welche bald über mehr, bald über weniger Kettfäden hingleiten, wobei die Dreherfäden ſich um die Grundfäden ſchlingen, und da, wo die Schüſſe über erſtere gehen, die Befeſtigung geben. Eine Art Jacquardmaſchine beſtimmt die Länge der Verſchiebung der Schußfäden. Die Poſamentiererei. Man begreift unter Poſamentierarbeiten eine Menge von Arbeiten, die keiner beſonderen Verfahrungsarten bedürfen, vielmehr bald die eine,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 384. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/402>, abgerufen am 22.11.2024.