Die künstlichen Düngestoffe und die Chemie des Bodens.
Die drei Hauptbestandteile der atmosphärischen Luft, Sauerstoff, Stickstoff und Kohlensäure haben für die Ernährung der Pflanze eine sehr verschiedene Bedeutung, und zwar der in so großer Menge vor- handene Sauerstoff, der für die Respiration von Menschen und Tieren von so ungeheurer Wichtigkeit ist, die allergeringste. Er wird zwar beim Keimen der Samenkörner und während der Blütezeit und des Aus- reifens der Früchte, hauptsächlich in der Nacht, wo die Aufnahme anderer Nährstoffe fast ganz aufgehört hat, eingeatmet und auch bei dem Wachstum der Wurzeln spielt er eine gewisse Rolle, aber ein eigentlicher Nährstoff ist er nicht, denn er veranlaßt keine Gewichts- zunahme, sondern wird im Gegenteil -- wie wir bei der Kohlensäure sehen werden -- unter dem Einflusse des Lichtes von der Pflanze erzeugt und ausgeschieden. Auch der Stickstoff, der dem Boden in Gestalt sehr teurer Düngemittel zugeführt werden muß, hatte -- wie man bisher annahm -- als freier Stickstoff der Atmosphäre für die Pflanzen keine Bedeutung, und erst allerneueste Forschungen, die wir später genauer behandeln werden, haben ergeben, daß er in der That für gewisse Pflanzen unter geeigneten Umständen von sehr großer Be- deutung werden kann, und hat man diese Pflanzen "stickstoffsammelnde" genannt, im Gegensatz zu den übrigen, den "stickstoffzehrenden" Pflanzen. Die Kohlensäure hingegen ist von überaus großer Wichtigkeit für die Pflanzenernährung, denn sie ist der einzige Kohlenstofflieferant derselben und dazu reicht die in der Atmosphäre enthaltene Menge aus, so gering sie auch dem Prozentsatze nach ist, denn jener kleine Bruchteil beträgt vom Gesamtgewicht der Atmosphäre 3150 Billionen Kilogramm und das entspricht 860 Billionen Kilogramm Kohlenstoff. Auch wird ihre Menge trotz der kontinuierlichen Verarbeitung durch die Pflanzen nicht geringer, denn das absorbierte Quantum wird stets wieder durch Respiration, Verbrennung, Verwesungs- und Fäulnisprozesse ergänzt, wobei die im Humus sich bildende Kohlensäure nicht nur den Gehalt der atmosphärischen Luft vermehrt, sondern auch gleichzeitig noch eine sehr wichtige Aufgabe löst, indem sie auf andere im Boden enthaltene Nährstoffe lösend wirkt. Mittels der Blätter nimmt die Pflanze die Kohlensäure auf, verarbeitet sie unter dem Einfluße von Licht und Wärme durch einen eigentümlichen Stoff, das Blattgrün, das der Chemiker "Chlorophyll" nennt, zu Kohlenstoff, dem wichtigen Bestandteil für den Aufbau der Pflanzen und giebt den freigewordenen Sauerstoff der Atmosphäre zurück, als Lebensbedingung für die Atmung der Menschen und Tiere, welche denselben während der Atmung mit Hülfe des ihnen von den Pflanzen in den Nahrungsmitteln gelieferten Kohlenstoffes zu Kohlensäure verbrennen, und diese ausatmend wiederum den Pflanzen überliefern und so im ewigen Kreislauf sich gegenseitig unterhalten.
Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
Die drei Hauptbeſtandteile der atmoſphäriſchen Luft, Sauerſtoff, Stickſtoff und Kohlenſäure haben für die Ernährung der Pflanze eine ſehr verſchiedene Bedeutung, und zwar der in ſo großer Menge vor- handene Sauerſtoff, der für die Reſpiration von Menſchen und Tieren von ſo ungeheurer Wichtigkeit iſt, die allergeringſte. Er wird zwar beim Keimen der Samenkörner und während der Blütezeit und des Aus- reifens der Früchte, hauptſächlich in der Nacht, wo die Aufnahme anderer Nährſtoffe faſt ganz aufgehört hat, eingeatmet und auch bei dem Wachstum der Wurzeln ſpielt er eine gewiſſe Rolle, aber ein eigentlicher Nährſtoff iſt er nicht, denn er veranlaßt keine Gewichts- zunahme, ſondern wird im Gegenteil — wie wir bei der Kohlenſäure ſehen werden — unter dem Einfluſſe des Lichtes von der Pflanze erzeugt und ausgeſchieden. Auch der Stickſtoff, der dem Boden in Geſtalt ſehr teurer Düngemittel zugeführt werden muß, hatte — wie man bisher annahm — als freier Stickſtoff der Atmoſphäre für die Pflanzen keine Bedeutung, und erſt allerneueſte Forſchungen, die wir ſpäter genauer behandeln werden, haben ergeben, daß er in der That für gewiſſe Pflanzen unter geeigneten Umſtänden von ſehr großer Be- deutung werden kann, und hat man dieſe Pflanzen „ſtickſtoffſammelnde“ genannt, im Gegenſatz zu den übrigen, den „ſtickſtoffzehrenden“ Pflanzen. Die Kohlenſäure hingegen iſt von überaus großer Wichtigkeit für die Pflanzenernährung, denn ſie iſt der einzige Kohlenſtofflieferant derſelben und dazu reicht die in der Atmoſphäre enthaltene Menge aus, ſo gering ſie auch dem Prozentſatze nach iſt, denn jener kleine Bruchteil beträgt vom Geſamtgewicht der Atmoſphäre 3150 Billionen Kilogramm und das entſpricht 860 Billionen Kilogramm Kohlenſtoff. Auch wird ihre Menge trotz der kontinuierlichen Verarbeitung durch die Pflanzen nicht geringer, denn das abſorbierte Quantum wird ſtets wieder durch Reſpiration, Verbrennung, Verweſungs- und Fäulnisprozeſſe ergänzt, wobei die im Humus ſich bildende Kohlenſäure nicht nur den Gehalt der atmoſphäriſchen Luft vermehrt, ſondern auch gleichzeitig noch eine ſehr wichtige Aufgabe löſt, indem ſie auf andere im Boden enthaltene Nährſtoffe löſend wirkt. Mittels der Blätter nimmt die Pflanze die Kohlenſäure auf, verarbeitet ſie unter dem Einfluße von Licht und Wärme durch einen eigentümlichen Stoff, das Blattgrün, das der Chemiker „Chlorophyll“ nennt, zu Kohlenſtoff, dem wichtigen Beſtandteil für den Aufbau der Pflanzen und giebt den freigewordenen Sauerſtoff der Atmoſphäre zurück, als Lebensbedingung für die Atmung der Menſchen und Tiere, welche denſelben während der Atmung mit Hülfe des ihnen von den Pflanzen in den Nahrungsmitteln gelieferten Kohlenſtoffes zu Kohlenſäure verbrennen, und dieſe ausatmend wiederum den Pflanzen überliefern und ſo im ewigen Kreislauf ſich gegenſeitig unterhalten.
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Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
Die drei Hauptbeſtandteile der atmoſphäriſchen Luft, Sauerſtoff,
Stickſtoff und Kohlenſäure haben für die Ernährung der Pflanze eine
ſehr verſchiedene Bedeutung, und zwar der in ſo großer Menge vor-
handene Sauerſtoff, der für die Reſpiration von Menſchen und Tieren
von ſo ungeheurer Wichtigkeit iſt, die allergeringſte. Er wird zwar
beim Keimen der Samenkörner und während der Blütezeit und des Aus-
reifens der Früchte, hauptſächlich in der Nacht, wo die Aufnahme
anderer Nährſtoffe faſt ganz aufgehört hat, eingeatmet und auch bei
dem Wachstum der Wurzeln ſpielt er eine gewiſſe Rolle, aber ein
eigentlicher Nährſtoff iſt er nicht, denn er veranlaßt keine Gewichts-
zunahme, ſondern wird im Gegenteil — wie wir bei der Kohlenſäure
ſehen werden — unter dem Einfluſſe des Lichtes von der Pflanze
erzeugt und ausgeſchieden. Auch der Stickſtoff, der dem Boden in
Geſtalt ſehr teurer Düngemittel zugeführt werden muß, hatte — wie
man bisher annahm — als freier Stickſtoff der Atmoſphäre für die
Pflanzen keine Bedeutung, und erſt allerneueſte Forſchungen, die wir
ſpäter genauer behandeln werden, haben ergeben, daß er in der That
für gewiſſe Pflanzen unter geeigneten Umſtänden von ſehr großer Be-
deutung werden kann, und hat man dieſe Pflanzen „ſtickſtoffſammelnde“
genannt, im Gegenſatz zu den übrigen, den „ſtickſtoffzehrenden“ Pflanzen.
Die Kohlenſäure hingegen iſt von überaus großer Wichtigkeit für die
Pflanzenernährung, denn ſie iſt der einzige Kohlenſtofflieferant derſelben
und dazu reicht die in der Atmoſphäre enthaltene Menge aus, ſo gering
ſie auch dem Prozentſatze nach iſt, denn jener kleine Bruchteil beträgt
vom Geſamtgewicht der Atmoſphäre 3150 Billionen Kilogramm und
das entſpricht 860 Billionen Kilogramm Kohlenſtoff. Auch wird
ihre Menge trotz der kontinuierlichen Verarbeitung durch die Pflanzen
nicht geringer, denn das abſorbierte Quantum wird ſtets wieder
durch Reſpiration, Verbrennung, Verweſungs- und Fäulnisprozeſſe
ergänzt, wobei die im Humus ſich bildende Kohlenſäure nicht nur den
Gehalt der atmoſphäriſchen Luft vermehrt, ſondern auch gleichzeitig
noch eine ſehr wichtige Aufgabe löſt, indem ſie auf andere im Boden
enthaltene Nährſtoffe löſend wirkt. Mittels der Blätter nimmt die
Pflanze die Kohlenſäure auf, verarbeitet ſie unter dem Einfluße von
Licht und Wärme durch einen eigentümlichen Stoff, das Blattgrün,
das der Chemiker „Chlorophyll“ nennt, zu Kohlenſtoff, dem wichtigen
Beſtandteil für den Aufbau der Pflanzen und giebt den freigewordenen
Sauerſtoff der Atmoſphäre zurück, als Lebensbedingung für die Atmung
der Menſchen und Tiere, welche denſelben während der Atmung mit
Hülfe des ihnen von den Pflanzen in den Nahrungsmitteln gelieferten
Kohlenſtoffes zu Kohlenſäure verbrennen, und dieſe ausatmend wiederum
den Pflanzen überliefern und ſo im ewigen Kreislauf ſich gegenſeitig
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 426. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/444>, abgerufen am 22.11.2024.
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