Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Die künstlichen Düngestoffe und die Chemie des Bodens.
[Tabelle]

Beide hatten außer der Phosphorsäure noch 600 kg Kainit (= ca.
75 kg Kali) pro Hektar verwendet und Schultz-Lupitz außerdem noch
Stickstoff durch Gründüngung mit Lupinen, was auf dem Moorboden,
der genügend Stickstoffnahrung hat, unnötig war.

Es erübrigt nun noch, die gebräuchlichsten Rohphosphate aufzu-
zählen, welche in drei große Gruppen eingeteilt werden können:

1. Die Knochenphosphate, wie Knochenkohle, Knochenasche,
der phosphorsaure Kalk der Leimfabriken und die fossilen Knochen.

2. Die Guano-Phosphate, welche von der Küste des stillen Ozeans
importiert werden und stickstoffrei sind im Gegensatz zum Peru-Guano.
Sie sind aus den Exkrementen und Leibern der Vögel entstanden und
waren zweifellos bei ihrer Entstehung gleichfalls stickstoffhaltig, aber da sie
durch die Brandung des Meeres stets feucht gehalten wurden, verwandelte
sich ihr Stickstoff sehr bald in Ammoniak und schließlich in Salpetersäure,
wovon ersteres verdunstete und letztere mit den vorhandenen Basen
Salze bildend, ausgewaschen wurde und in den Boden versickert ist.

3. Die mineralischen Phosphate, welche mit Ausnahme des
Thomasphosphats gleichfalls tierischen Ursprungs sind, aber durch die
Länge der Zeit vollständig in Mineralien verwandelt wurden. Hierher
gehören die Krusten-Guanos, die Koprolithe, das sind vollständig ver-
steinerte Exkremente längst abgestorbener Tiergeschlechter, der Lahnphos-
phorit, auch nach seinem Fundort "Staffelit" genannt, und andere.

Die Thomasschlacke ist ein Nebenprodukt der Stahlfabrikation im
Bessemer-Prozeß. Nach Thomas und Gilchrist wird behufs Entphos-
phorierung des geschmolzenen Eisens die Bessemer-Birne mit Steinen von
Dolomit ausgekleidet. Der Phosphor des Eisens wird infolge der
hohen Temperatur und des zugeführten Sauerstoffes der atmosphärischen
Luft zu Phosphorsäure oxydiert, und diese verbindet sich mit dem Kalk
der Dolomitsteine und außerdem mit direkt hinzugegebenem Kalk zu phos-
phorsaurem Kalk, welcher -- nach Beendigung des Prozesses als Schlacke
gewonnen -- fein gemahlen als Düngemittel in den Handel kommt.
Die Produktion ist jetzt in Deutschland jährlich 5 bis 6 Millionen Zentner
und deckt ungefähr 1/4 des Bedarfs der Landwirtschaft an Phosphorsäure.

Wenn auch für eine intensive Kultur die Zufuhr von konzentrierten
Stickstoffdüngemitteln absolut unerläßlich ist, so sollen doch hier auch
diejenigen Mittel erwähnt werden, mit deren Hülfe man den Boden außer
durch die käuflichen Düngemittel mit Stickstoff bereichern kann. Solche

Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens.
[Tabelle]

Beide hatten außer der Phosphorſäure noch 600 kg Kainit (= ca.
75 kg Kali) pro Hektar verwendet und Schultz-Lupitz außerdem noch
Stickſtoff durch Gründüngung mit Lupinen, was auf dem Moorboden,
der genügend Stickſtoffnahrung hat, unnötig war.

Es erübrigt nun noch, die gebräuchlichſten Rohphosphate aufzu-
zählen, welche in drei große Gruppen eingeteilt werden können:

1. Die Knochenphosphate, wie Knochenkohle, Knochenaſche,
der phosphorſaure Kalk der Leimfabriken und die foſſilen Knochen.

2. Die Guano-Phosphate, welche von der Küſte des ſtillen Ozeans
importiert werden und ſtickſtoffrei ſind im Gegenſatz zum Peru-Guano.
Sie ſind aus den Exkrementen und Leibern der Vögel entſtanden und
waren zweifellos bei ihrer Entſtehung gleichfalls ſtickſtoffhaltig, aber da ſie
durch die Brandung des Meeres ſtets feucht gehalten wurden, verwandelte
ſich ihr Stickſtoff ſehr bald in Ammoniak und ſchließlich in Salpeterſäure,
wovon erſteres verdunſtete und letztere mit den vorhandenen Baſen
Salze bildend, ausgewaſchen wurde und in den Boden verſickert iſt.

3. Die mineraliſchen Phosphate, welche mit Ausnahme des
Thomasphosphats gleichfalls tieriſchen Urſprungs ſind, aber durch die
Länge der Zeit vollſtändig in Mineralien verwandelt wurden. Hierher
gehören die Kruſten-Guanos, die Koprolithe, das ſind vollſtändig ver-
ſteinerte Exkremente längſt abgeſtorbener Tiergeſchlechter, der Lahnphos-
phorit, auch nach ſeinem Fundort „Staffelit“ genannt, und andere.

Die Thomasſchlacke iſt ein Nebenprodukt der Stahlfabrikation im
Beſſemer-Prozeß. Nach Thomas und Gilchriſt wird behufs Entphos-
phorierung des geſchmolzenen Eiſens die Beſſemer-Birne mit Steinen von
Dolomit ausgekleidet. Der Phosphor des Eiſens wird infolge der
hohen Temperatur und des zugeführten Sauerſtoffes der atmoſphäriſchen
Luft zu Phosphorſäure oxydiert, und dieſe verbindet ſich mit dem Kalk
der Dolomitſteine und außerdem mit direkt hinzugegebenem Kalk zu phos-
phorſaurem Kalk, welcher — nach Beendigung des Prozeſſes als Schlacke
gewonnen — fein gemahlen als Düngemittel in den Handel kommt.
Die Produktion iſt jetzt in Deutſchland jährlich 5 bis 6 Millionen Zentner
und deckt ungefähr ¼ des Bedarfs der Landwirtſchaft an Phosphorſäure.

Wenn auch für eine intenſive Kultur die Zufuhr von konzentrierten
Stickſtoffdüngemitteln abſolut unerläßlich iſt, ſo ſollen doch hier auch
diejenigen Mittel erwähnt werden, mit deren Hülfe man den Boden außer
durch die käuflichen Düngemittel mit Stickſtoff bereichern kann. Solche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p>
                <pb facs="#f0456" n="438"/>
                <fw place="top" type="header">Die kün&#x017F;tlichen Dünge&#x017F;toffe und die Chemie des Bodens.</fw><lb/>
                <table>
                  <row>
                    <cell/>
                  </row>
                </table>
              </p>
              <p>Beide hatten außer der Phosphor&#x017F;äure noch 600 <hi rendition="#aq">kg</hi> Kainit (= ca.<lb/>
75 <hi rendition="#aq">kg</hi> Kali) pro Hektar verwendet und Schultz-Lupitz außerdem noch<lb/>
Stick&#x017F;toff durch Gründüngung mit Lupinen, was auf dem Moorboden,<lb/>
der genügend Stick&#x017F;toffnahrung hat, unnötig war.</p><lb/>
              <p>Es erübrigt nun noch, die gebräuchlich&#x017F;ten Rohphosphate aufzu-<lb/>
zählen, welche in drei große Gruppen eingeteilt werden können:</p><lb/>
              <p>1. Die Knochenphosphate, wie Knochenkohle, Knochena&#x017F;che,<lb/>
der phosphor&#x017F;aure Kalk der Leimfabriken und die fo&#x017F;&#x017F;ilen Knochen.</p><lb/>
              <p>2. Die Guano-Phosphate, welche von der Kü&#x017F;te des &#x017F;tillen Ozeans<lb/>
importiert werden und &#x017F;tick&#x017F;toffrei &#x017F;ind im Gegen&#x017F;atz zum Peru-Guano.<lb/>
Sie &#x017F;ind aus den Exkrementen und Leibern der Vögel ent&#x017F;tanden und<lb/>
waren zweifellos bei ihrer Ent&#x017F;tehung gleichfalls &#x017F;tick&#x017F;toffhaltig, aber da &#x017F;ie<lb/>
durch die Brandung des Meeres &#x017F;tets feucht gehalten wurden, verwandelte<lb/>
&#x017F;ich ihr Stick&#x017F;toff &#x017F;ehr bald in Ammoniak und &#x017F;chließlich in Salpeter&#x017F;äure,<lb/>
wovon er&#x017F;teres verdun&#x017F;tete und letztere mit den vorhandenen Ba&#x017F;en<lb/>
Salze bildend, ausgewa&#x017F;chen wurde und in den Boden ver&#x017F;ickert i&#x017F;t.</p><lb/>
              <p>3. Die minerali&#x017F;chen Phosphate, welche mit Ausnahme des<lb/>
Thomasphosphats gleichfalls tieri&#x017F;chen Ur&#x017F;prungs &#x017F;ind, aber durch die<lb/>
Länge der Zeit voll&#x017F;tändig in Mineralien verwandelt wurden. Hierher<lb/>
gehören die Kru&#x017F;ten-Guanos, die Koprolithe, das &#x017F;ind voll&#x017F;tändig ver-<lb/>
&#x017F;teinerte Exkremente läng&#x017F;t abge&#x017F;torbener Tierge&#x017F;chlechter, der Lahnphos-<lb/>
phorit, auch nach &#x017F;einem Fundort &#x201E;Staffelit&#x201C; genannt, und andere.</p><lb/>
              <p>Die Thomas&#x017F;chlacke i&#x017F;t ein Nebenprodukt der Stahlfabrikation im<lb/>
Be&#x017F;&#x017F;emer-Prozeß. Nach Thomas und Gilchri&#x017F;t wird behufs Entphos-<lb/>
phorierung des ge&#x017F;chmolzenen Ei&#x017F;ens die Be&#x017F;&#x017F;emer-Birne mit Steinen von<lb/>
Dolomit ausgekleidet. Der Phosphor des Ei&#x017F;ens wird infolge der<lb/>
hohen Temperatur und des zugeführten Sauer&#x017F;toffes der atmo&#x017F;phäri&#x017F;chen<lb/>
Luft zu Phosphor&#x017F;äure oxydiert, und die&#x017F;e verbindet &#x017F;ich mit dem Kalk<lb/>
der Dolomit&#x017F;teine und außerdem mit direkt hinzugegebenem Kalk zu phos-<lb/>
phor&#x017F;aurem Kalk, welcher &#x2014; nach Beendigung des Proze&#x017F;&#x017F;es als Schlacke<lb/>
gewonnen &#x2014; fein gemahlen als Düngemittel in den Handel kommt.<lb/>
Die Produktion i&#x017F;t jetzt in Deut&#x017F;chland jährlich 5 bis 6 Millionen Zentner<lb/>
und deckt ungefähr ¼ des Bedarfs der Landwirt&#x017F;chaft an Phosphor&#x017F;äure.</p><lb/>
              <p>Wenn auch für eine inten&#x017F;ive Kultur die Zufuhr von konzentrierten<lb/>
Stick&#x017F;toffdüngemitteln ab&#x017F;olut unerläßlich i&#x017F;t, &#x017F;o &#x017F;ollen doch hier auch<lb/>
diejenigen Mittel erwähnt werden, mit deren Hülfe man den Boden außer<lb/>
durch die käuflichen Düngemittel mit Stick&#x017F;toff bereichern kann. Solche<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[438/0456] Die künſtlichen Düngeſtoffe und die Chemie des Bodens. Beide hatten außer der Phosphorſäure noch 600 kg Kainit (= ca. 75 kg Kali) pro Hektar verwendet und Schultz-Lupitz außerdem noch Stickſtoff durch Gründüngung mit Lupinen, was auf dem Moorboden, der genügend Stickſtoffnahrung hat, unnötig war. Es erübrigt nun noch, die gebräuchlichſten Rohphosphate aufzu- zählen, welche in drei große Gruppen eingeteilt werden können: 1. Die Knochenphosphate, wie Knochenkohle, Knochenaſche, der phosphorſaure Kalk der Leimfabriken und die foſſilen Knochen. 2. Die Guano-Phosphate, welche von der Küſte des ſtillen Ozeans importiert werden und ſtickſtoffrei ſind im Gegenſatz zum Peru-Guano. Sie ſind aus den Exkrementen und Leibern der Vögel entſtanden und waren zweifellos bei ihrer Entſtehung gleichfalls ſtickſtoffhaltig, aber da ſie durch die Brandung des Meeres ſtets feucht gehalten wurden, verwandelte ſich ihr Stickſtoff ſehr bald in Ammoniak und ſchließlich in Salpeterſäure, wovon erſteres verdunſtete und letztere mit den vorhandenen Baſen Salze bildend, ausgewaſchen wurde und in den Boden verſickert iſt. 3. Die mineraliſchen Phosphate, welche mit Ausnahme des Thomasphosphats gleichfalls tieriſchen Urſprungs ſind, aber durch die Länge der Zeit vollſtändig in Mineralien verwandelt wurden. Hierher gehören die Kruſten-Guanos, die Koprolithe, das ſind vollſtändig ver- ſteinerte Exkremente längſt abgeſtorbener Tiergeſchlechter, der Lahnphos- phorit, auch nach ſeinem Fundort „Staffelit“ genannt, und andere. Die Thomasſchlacke iſt ein Nebenprodukt der Stahlfabrikation im Beſſemer-Prozeß. Nach Thomas und Gilchriſt wird behufs Entphos- phorierung des geſchmolzenen Eiſens die Beſſemer-Birne mit Steinen von Dolomit ausgekleidet. Der Phosphor des Eiſens wird infolge der hohen Temperatur und des zugeführten Sauerſtoffes der atmoſphäriſchen Luft zu Phosphorſäure oxydiert, und dieſe verbindet ſich mit dem Kalk der Dolomitſteine und außerdem mit direkt hinzugegebenem Kalk zu phos- phorſaurem Kalk, welcher — nach Beendigung des Prozeſſes als Schlacke gewonnen — fein gemahlen als Düngemittel in den Handel kommt. Die Produktion iſt jetzt in Deutſchland jährlich 5 bis 6 Millionen Zentner und deckt ungefähr ¼ des Bedarfs der Landwirtſchaft an Phosphorſäure. Wenn auch für eine intenſive Kultur die Zufuhr von konzentrierten Stickſtoffdüngemitteln abſolut unerläßlich iſt, ſo ſollen doch hier auch diejenigen Mittel erwähnt werden, mit deren Hülfe man den Boden außer durch die käuflichen Düngemittel mit Stickſtoff bereichern kann. Solche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/456
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 438. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/456>, abgerufen am 22.11.2024.