stets wächst, sondern durch das Vergrößern der Städte überdies noch der Produktionskreis der Butter eingeschränkt wird.
Verlangen nun diese allerdings unbestreitbaren Thatsachen auch gleich das Einführen eines Surrogats für ein so wertvolles Nahrungs- mittel? Ist es nicht viel näher liegend, dasselbe aus denjenigen wenig bevölkerten Ländern zu beziehen, welche hauptsächlich Ackerbau treiben, wie z. B. aus dem Westen und Süden Amerikas, wie es ja auch schon längst mit dem dort frisch geschlachteten Fleische geschieht? Leider ist uns dieser Weg vorläufig noch verschlossen, denn es ist bis heute noch nicht gelungen, eine Konservierungsmethode für die Butter zu finden, welche es ermöglicht, dieselbe für so lange Zeit und so weite Reisen haltbar zu machen. Wie aus allen Fetten, bilden sich auch aus denjenigen der Butter die sog. Fettsäuren, eine Zersetzung, welche man mit dem Ausdrucke "Ranzigwerden" bezeichnet. Im Vergleich zu anderen Fetten wird die Butter besonders leicht ranzig, denn es ge- lingt bei ihrer Bereitung nicht, sie von allen Käseteilchen der Milch -- Kasein wird dieser stickstoffhaltige Körper genannt -- zu befreien, und diese sind, wie alle stickstoffhaltigen Substanzen, besonders geneigt, sich zu zersetzen und somit auch das Verderben der Butter zu ver- anlassen. Ebenso enthält sie in den eingeschlossenen Milchteilen den Milchzucker und das Milchsäureferment derselben, und der Gehalt an diesen Stoffen ist es auch, welcher uns zwingt, für ihre Haltbarkeit zu sorgen, selbst wenn die Butter auch nur in nächster Nähe von ihrem Produktionsorte auf den Markt gebracht werden soll. Das geschieht in Norddeutschland durch Einsalzen, in Süddeutschland durch Aus- schmelzen der Butter, und je nach der gewählten Behandlungsart wird die Butter dann als Salz-, bezw. Schmelzbutter bezeichnet. Schon hierbei muß erwähnt werden, daß es ein ganz wesentlicher Vorteil einer besonderen Art der Kunstbutter -- der sog. Marinebutter -- vor der natürlichen ist, viel haltbarer als diese zu sein und sich daher besonders für Seereisen und dergl. zu eignen, weil sie nur aus Fetten besteht und in ihr keine stickstoffhaltigen Substanzen enthalten sind.
In gerechter Erwägung des vorstehenden kommt man zweifellos zu der Ansicht, daß wir ein Surrogat für die Butter haben müssen, wenn nicht alle weniger begüterten Kreise auf dieses so wertvolle Nahrungsmittel verzichten sollen. Unter solchen Verhältnissen ist es entschieden als ein glücklicher Umstand zu bezeichnen, daß es dem Chemiker nach mühseligen und vielen vergeblichen Arbeiten endlich ge- lungen ist, ein solches Surrogat zu schaffen und zwar unter der Vor- aussetzung, daß es reell dargestellt wird, ein recht brauchbares.
Die Erfindung der Kunstbutter verdanken wir indirekt Napoleon III., da derselbe durch die vorstehend entwickelten Gründe veranlaßt, einen Preis für die Auffindung eines Surrogates für Butter aussetzte, an welches sehr hohe Ansprüche gestellt wurden, denn es sollte wohl- schmeckend, nahrhaft, unschädlich, haltbar und billig sein. Dem fran-
Nahrungs- und Genußmittel.
ſtets wächſt, ſondern durch das Vergrößern der Städte überdies noch der Produktionskreis der Butter eingeſchränkt wird.
Verlangen nun dieſe allerdings unbeſtreitbaren Thatſachen auch gleich das Einführen eines Surrogats für ein ſo wertvolles Nahrungs- mittel? Iſt es nicht viel näher liegend, dasſelbe aus denjenigen wenig bevölkerten Ländern zu beziehen, welche hauptſächlich Ackerbau treiben, wie z. B. aus dem Weſten und Süden Amerikas, wie es ja auch ſchon längſt mit dem dort friſch geſchlachteten Fleiſche geſchieht? Leider iſt uns dieſer Weg vorläufig noch verſchloſſen, denn es iſt bis heute noch nicht gelungen, eine Konſervierungsmethode für die Butter zu finden, welche es ermöglicht, dieſelbe für ſo lange Zeit und ſo weite Reiſen haltbar zu machen. Wie aus allen Fetten, bilden ſich auch aus denjenigen der Butter die ſog. Fettſäuren, eine Zerſetzung, welche man mit dem Ausdrucke „Ranzigwerden“ bezeichnet. Im Vergleich zu anderen Fetten wird die Butter beſonders leicht ranzig, denn es ge- lingt bei ihrer Bereitung nicht, ſie von allen Käſeteilchen der Milch — Kaſeïn wird dieſer ſtickſtoffhaltige Körper genannt — zu befreien, und dieſe ſind, wie alle ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen, beſonders geneigt, ſich zu zerſetzen und ſomit auch das Verderben der Butter zu ver- anlaſſen. Ebenſo enthält ſie in den eingeſchloſſenen Milchteilen den Milchzucker und das Milchſäureferment derſelben, und der Gehalt an dieſen Stoffen iſt es auch, welcher uns zwingt, für ihre Haltbarkeit zu ſorgen, ſelbſt wenn die Butter auch nur in nächſter Nähe von ihrem Produktionsorte auf den Markt gebracht werden ſoll. Das geſchieht in Norddeutſchland durch Einſalzen, in Süddeutſchland durch Aus- ſchmelzen der Butter, und je nach der gewählten Behandlungsart wird die Butter dann als Salz-, bezw. Schmelzbutter bezeichnet. Schon hierbei muß erwähnt werden, daß es ein ganz weſentlicher Vorteil einer beſonderen Art der Kunſtbutter — der ſog. Marinebutter — vor der natürlichen iſt, viel haltbarer als dieſe zu ſein und ſich daher beſonders für Seereiſen und dergl. zu eignen, weil ſie nur aus Fetten beſteht und in ihr keine ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen enthalten ſind.
In gerechter Erwägung des vorſtehenden kommt man zweifellos zu der Anſicht, daß wir ein Surrogat für die Butter haben müſſen, wenn nicht alle weniger begüterten Kreiſe auf dieſes ſo wertvolle Nahrungsmittel verzichten ſollen. Unter ſolchen Verhältniſſen iſt es entſchieden als ein glücklicher Umſtand zu bezeichnen, daß es dem Chemiker nach mühſeligen und vielen vergeblichen Arbeiten endlich ge- lungen iſt, ein ſolches Surrogat zu ſchaffen und zwar unter der Vor- ausſetzung, daß es reell dargeſtellt wird, ein recht brauchbares.
Die Erfindung der Kunſtbutter verdanken wir indirekt Napoleon III., da derſelbe durch die vorſtehend entwickelten Gründe veranlaßt, einen Preis für die Auffindung eines Surrogates für Butter ausſetzte, an welches ſehr hohe Anſprüche geſtellt wurden, denn es ſollte wohl- ſchmeckend, nahrhaft, unſchädlich, haltbar und billig ſein. Dem fran-
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Nahrungs- und Genußmittel.
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der Produktionskreis der Butter eingeſchränkt wird.
Verlangen nun dieſe allerdings unbeſtreitbaren Thatſachen auch
gleich das Einführen eines Surrogats für ein ſo wertvolles Nahrungs-
mittel? Iſt es nicht viel näher liegend, dasſelbe aus denjenigen
wenig bevölkerten Ländern zu beziehen, welche hauptſächlich Ackerbau
treiben, wie z. B. aus dem Weſten und Süden Amerikas, wie es ja
auch ſchon längſt mit dem dort friſch geſchlachteten Fleiſche geſchieht?
Leider iſt uns dieſer Weg vorläufig noch verſchloſſen, denn es iſt bis
heute noch nicht gelungen, eine Konſervierungsmethode für die Butter
zu finden, welche es ermöglicht, dieſelbe für ſo lange Zeit und ſo weite
Reiſen haltbar zu machen. Wie aus allen Fetten, bilden ſich auch aus
denjenigen der Butter die ſog. Fettſäuren, eine Zerſetzung, welche
man mit dem Ausdrucke „Ranzigwerden“ bezeichnet. Im Vergleich zu
anderen Fetten wird die Butter beſonders leicht ranzig, denn es ge-
lingt bei ihrer Bereitung nicht, ſie von allen Käſeteilchen der Milch —
Kaſeïn wird dieſer ſtickſtoffhaltige Körper genannt — zu befreien, und
dieſe ſind, wie alle ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen, beſonders geneigt,
ſich zu zerſetzen und ſomit auch das Verderben der Butter zu ver-
anlaſſen. Ebenſo enthält ſie in den eingeſchloſſenen Milchteilen den
Milchzucker und das Milchſäureferment derſelben, und der Gehalt an
dieſen Stoffen iſt es auch, welcher uns zwingt, für ihre Haltbarkeit zu
ſorgen, ſelbſt wenn die Butter auch nur in nächſter Nähe von ihrem
Produktionsorte auf den Markt gebracht werden ſoll. Das geſchieht
in Norddeutſchland durch Einſalzen, in Süddeutſchland durch Aus-
ſchmelzen der Butter, und je nach der gewählten Behandlungsart wird
die Butter dann als Salz-, bezw. Schmelzbutter bezeichnet. Schon
hierbei muß erwähnt werden, daß es ein ganz weſentlicher Vorteil einer
beſonderen Art der Kunſtbutter — der ſog. Marinebutter — vor der
natürlichen iſt, viel haltbarer als dieſe zu ſein und ſich daher beſonders
für Seereiſen und dergl. zu eignen, weil ſie nur aus Fetten beſteht
und in ihr keine ſtickſtoffhaltigen Subſtanzen enthalten ſind.
In gerechter Erwägung des vorſtehenden kommt man zweifellos
zu der Anſicht, daß wir ein Surrogat für die Butter haben müſſen,
wenn nicht alle weniger begüterten Kreiſe auf dieſes ſo wertvolle
Nahrungsmittel verzichten ſollen. Unter ſolchen Verhältniſſen iſt es
entſchieden als ein glücklicher Umſtand zu bezeichnen, daß es dem
Chemiker nach mühſeligen und vielen vergeblichen Arbeiten endlich ge-
lungen iſt, ein ſolches Surrogat zu ſchaffen und zwar unter der Vor-
ausſetzung, daß es reell dargeſtellt wird, ein recht brauchbares.
Die Erfindung der Kunſtbutter verdanken wir indirekt Napoleon III.,
da derſelbe durch die vorſtehend entwickelten Gründe veranlaßt, einen
Preis für die Auffindung eines Surrogates für Butter ausſetzte, an
welches ſehr hohe Anſprüche geſtellt wurden, denn es ſollte wohl-
ſchmeckend, nahrhaft, unſchädlich, haltbar und billig ſein. Dem fran-
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 550. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/568>, abgerufen am 22.11.2024.
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