die Fleischfaser einzuwirken beginnt. Fütterung und Pflege des Tieres wirken ganz besonders günstig auf die Beschaffenheit der Fleischfaser ein, dahingegen wird dieselbe durch fortdauernde Anstrengung der Muskeln, wie z. B. bei Zugtieren härter, zäher und dadurch schwerer verdaulich, als bei dem Mastvieh, welches derartigen Anstrengungen nicht ausgesetzt ist.
Der am leichtesten zu verdauende Bestandteil des Fleisches ist der zwischen den Fleischfasern sich befindende Fleischsaft, den man durch Aus- pressen des rohen, frisch geschlachteten Fleisches als eine wässrige, rote Flüssigkeit gewinnen kann, und der die Eiweißstoffe, wie die Salze des Fleisches, gelöst enthält. Als Nahrungsmittel hat der so dargestellte Fleischsaft aus rein praktischen Gründen keine Bedeutung, wohl aber dient er unter Zusatz von Fett und Kohlehydraten wie Stärkemehl und Zucker, als vorzügliches Stärkemittel für Kranke.
Auch vom Fettgehalte des Fleisches hängen Nahrhaftigkeit und Verdaulichkeit desselben ab, und zwar erhöht der größere Fettgehalt die erstere, indem er den Wassergehalt zurückdrängt, verringert aber gleich- zeitig die letztere dadurch, daß er das Fleisch, im Magen mit einer Fettschicht bedeckend, vor der Einwirkung der Verdauungssäfte schützt. Wie sehr dieser Fettgehalt des Fleisches künstlich durch eine geeignete Fütterung und Pflege des betreffenden Tieres erhöht werden kann, ist durch das so zahlreich bei Mastvieh, Stopfgänsen u. dgl. vorgenommene Verfahren genügend bekannt. In Bezug auf jene, die Verdauung er- schwerende Wirkung, sind aber die verschiedenen Fettarten einander nicht gleich, sondern die weichen Fette den härteren vorzuziehen. Die Begriffe "weich" und "hart" hängen einzig und allein von dem Schmelzpunkt der betreffenden Fette ab, und man wird in dem hierbei in Betracht kommenden Falle alle Fette weich nennen, deren Schmelzpunkt unter unserer Körpertemperatur liegt, wie z. B. das Gänsefett, Hühnerfett und die Butter, während andererseits z. B. Ochsen- und Hammeltalg, deren Schmelzpunkt über unserer Körpertemperatur liegt, als harte Fette zu bezeichnen sind.
Wir genießen im allgemeinen das Fleisch der Pflanzenfresser, be- sonders der wiederkäuenden Haustiere, wie dasjenige der Vögel und Fische. Alle diese Fleischarten haben qualitativ fast dieselbe Zusammen- setzung, zeigen aber quantitativ, wie auch im Geschmack, sehr wesentliche Unterschiede. Ohne an dieser Stelle auf die genannten Unterschiede näher einzugehen, darf für die Volksernährung nicht unerwähnt bleiben, daß das Vorurteil, welches gegen das Pferdefleisch besteht, ein durch- aus unberechtigtes und dieses Fleisch um so mehr zu empfehlen ist, da es als ein ganz vorzügliches Nahrungsmittel gleichzeitig einen sehr billigen Preis hat. Es wird natürlich hierbei vorausgesetzt, daß das betreffende Fleisch nicht von einem kranken Pferde herstammen darf, das ist ja aber auch bei allen anderem Schlachtvieh eine ganz selbst- verständliche Voraussetzung. In Frankreich hat man während des letzten
36*
Das Fleiſch.
die Fleiſchfaſer einzuwirken beginnt. Fütterung und Pflege des Tieres wirken ganz beſonders günſtig auf die Beſchaffenheit der Fleiſchfaſer ein, dahingegen wird dieſelbe durch fortdauernde Anſtrengung der Muskeln, wie z. B. bei Zugtieren härter, zäher und dadurch ſchwerer verdaulich, als bei dem Maſtvieh, welches derartigen Anſtrengungen nicht ausgeſetzt iſt.
Der am leichteſten zu verdauende Beſtandteil des Fleiſches iſt der zwiſchen den Fleiſchfaſern ſich befindende Fleiſchſaft, den man durch Aus- preſſen des rohen, friſch geſchlachteten Fleiſches als eine wäſſrige, rote Flüſſigkeit gewinnen kann, und der die Eiweißſtoffe, wie die Salze des Fleiſches, gelöſt enthält. Als Nahrungsmittel hat der ſo dargeſtellte Fleiſchſaft aus rein praktiſchen Gründen keine Bedeutung, wohl aber dient er unter Zuſatz von Fett und Kohlehydraten wie Stärkemehl und Zucker, als vorzügliches Stärkemittel für Kranke.
Auch vom Fettgehalte des Fleiſches hängen Nahrhaftigkeit und Verdaulichkeit desſelben ab, und zwar erhöht der größere Fettgehalt die erſtere, indem er den Waſſergehalt zurückdrängt, verringert aber gleich- zeitig die letztere dadurch, daß er das Fleiſch, im Magen mit einer Fettſchicht bedeckend, vor der Einwirkung der Verdauungsſäfte ſchützt. Wie ſehr dieſer Fettgehalt des Fleiſches künſtlich durch eine geeignete Fütterung und Pflege des betreffenden Tieres erhöht werden kann, iſt durch das ſo zahlreich bei Maſtvieh, Stopfgänſen u. dgl. vorgenommene Verfahren genügend bekannt. In Bezug auf jene, die Verdauung er- ſchwerende Wirkung, ſind aber die verſchiedenen Fettarten einander nicht gleich, ſondern die weichen Fette den härteren vorzuziehen. Die Begriffe „weich“ und „hart“ hängen einzig und allein von dem Schmelzpunkt der betreffenden Fette ab, und man wird in dem hierbei in Betracht kommenden Falle alle Fette weich nennen, deren Schmelzpunkt unter unſerer Körpertemperatur liegt, wie z. B. das Gänſefett, Hühnerfett und die Butter, während andererſeits z. B. Ochſen- und Hammeltalg, deren Schmelzpunkt über unſerer Körpertemperatur liegt, als harte Fette zu bezeichnen ſind.
Wir genießen im allgemeinen das Fleiſch der Pflanzenfreſſer, be- ſonders der wiederkäuenden Haustiere, wie dasjenige der Vögel und Fiſche. Alle dieſe Fleiſcharten haben qualitativ faſt dieſelbe Zuſammen- ſetzung, zeigen aber quantitativ, wie auch im Geſchmack, ſehr weſentliche Unterſchiede. Ohne an dieſer Stelle auf die genannten Unterſchiede näher einzugehen, darf für die Volksernährung nicht unerwähnt bleiben, daß das Vorurteil, welches gegen das Pferdefleiſch beſteht, ein durch- aus unberechtigtes und dieſes Fleiſch um ſo mehr zu empfehlen iſt, da es als ein ganz vorzügliches Nahrungsmittel gleichzeitig einen ſehr billigen Preis hat. Es wird natürlich hierbei vorausgeſetzt, daß das betreffende Fleiſch nicht von einem kranken Pferde herſtammen darf, das iſt ja aber auch bei allen anderem Schlachtvieh eine ganz ſelbſt- verſtändliche Vorausſetzung. In Frankreich hat man während des letzten
36*
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0581"n="563"/><fwplace="top"type="header">Das Fleiſch.</fw><lb/>
die Fleiſchfaſer einzuwirken beginnt. Fütterung und Pflege des Tieres<lb/>
wirken ganz beſonders günſtig auf die Beſchaffenheit der Fleiſchfaſer<lb/>
ein, dahingegen wird dieſelbe durch fortdauernde Anſtrengung der<lb/>
Muskeln, wie z. B. bei Zugtieren härter, zäher und dadurch ſchwerer<lb/>
verdaulich, als bei dem Maſtvieh, welches derartigen Anſtrengungen<lb/>
nicht ausgeſetzt iſt.</p><lb/><p>Der am leichteſten zu verdauende Beſtandteil des Fleiſches iſt der<lb/>
zwiſchen den Fleiſchfaſern ſich befindende Fleiſchſaft, den man durch Aus-<lb/>
preſſen des rohen, friſch geſchlachteten Fleiſches als eine wäſſrige, rote<lb/>
Flüſſigkeit gewinnen kann, und der die Eiweißſtoffe, wie die Salze des<lb/>
Fleiſches, gelöſt enthält. Als Nahrungsmittel hat der ſo dargeſtellte<lb/>
Fleiſchſaft aus rein praktiſchen Gründen keine Bedeutung, wohl aber<lb/>
dient er unter Zuſatz von Fett und Kohlehydraten wie Stärkemehl und<lb/>
Zucker, als vorzügliches Stärkemittel für Kranke.</p><lb/><p>Auch vom Fettgehalte des Fleiſches hängen Nahrhaftigkeit und<lb/>
Verdaulichkeit desſelben ab, und zwar erhöht der größere Fettgehalt die<lb/>
erſtere, indem er den Waſſergehalt zurückdrängt, verringert aber gleich-<lb/>
zeitig die letztere dadurch, daß er das Fleiſch, im Magen mit einer<lb/>
Fettſchicht bedeckend, vor der Einwirkung der Verdauungsſäfte ſchützt.<lb/>
Wie ſehr dieſer Fettgehalt des Fleiſches künſtlich durch eine geeignete<lb/>
Fütterung und Pflege des betreffenden Tieres erhöht werden kann, iſt<lb/>
durch das ſo zahlreich bei Maſtvieh, Stopfgänſen u. dgl. vorgenommene<lb/>
Verfahren genügend bekannt. In Bezug auf jene, die Verdauung er-<lb/>ſchwerende Wirkung, ſind aber die verſchiedenen Fettarten einander nicht<lb/>
gleich, ſondern die weichen Fette den härteren vorzuziehen. Die Begriffe<lb/>„weich“ und „hart“ hängen einzig und allein von dem Schmelzpunkt<lb/>
der betreffenden Fette ab, und man wird in dem hierbei in Betracht<lb/>
kommenden Falle alle Fette weich nennen, deren Schmelzpunkt unter<lb/>
unſerer Körpertemperatur liegt, wie z. B. das Gänſefett, Hühnerfett und<lb/>
die Butter, während andererſeits z. B. Ochſen- und Hammeltalg, deren<lb/>
Schmelzpunkt über unſerer Körpertemperatur liegt, als harte Fette zu<lb/>
bezeichnen ſind.</p><lb/><p>Wir genießen im allgemeinen das Fleiſch der Pflanzenfreſſer, be-<lb/>ſonders der wiederkäuenden Haustiere, wie dasjenige der Vögel und<lb/>
Fiſche. Alle dieſe Fleiſcharten haben qualitativ faſt dieſelbe Zuſammen-<lb/>ſetzung, zeigen aber quantitativ, wie auch im Geſchmack, ſehr weſentliche<lb/>
Unterſchiede. Ohne an dieſer Stelle auf die genannten Unterſchiede<lb/>
näher einzugehen, darf für die Volksernährung nicht unerwähnt bleiben,<lb/>
daß das Vorurteil, welches gegen das Pferdefleiſch beſteht, ein durch-<lb/>
aus unberechtigtes und dieſes Fleiſch um ſo mehr zu empfehlen iſt, da<lb/>
es als ein ganz vorzügliches Nahrungsmittel gleichzeitig einen ſehr<lb/>
billigen Preis hat. Es wird natürlich hierbei vorausgeſetzt, daß das<lb/>
betreffende Fleiſch nicht von einem kranken Pferde herſtammen darf,<lb/>
das iſt ja aber auch bei allen anderem Schlachtvieh eine ganz ſelbſt-<lb/>
verſtändliche Vorausſetzung. In Frankreich hat man während des letzten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">36*</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[563/0581]
Das Fleiſch.
die Fleiſchfaſer einzuwirken beginnt. Fütterung und Pflege des Tieres
wirken ganz beſonders günſtig auf die Beſchaffenheit der Fleiſchfaſer
ein, dahingegen wird dieſelbe durch fortdauernde Anſtrengung der
Muskeln, wie z. B. bei Zugtieren härter, zäher und dadurch ſchwerer
verdaulich, als bei dem Maſtvieh, welches derartigen Anſtrengungen
nicht ausgeſetzt iſt.
Der am leichteſten zu verdauende Beſtandteil des Fleiſches iſt der
zwiſchen den Fleiſchfaſern ſich befindende Fleiſchſaft, den man durch Aus-
preſſen des rohen, friſch geſchlachteten Fleiſches als eine wäſſrige, rote
Flüſſigkeit gewinnen kann, und der die Eiweißſtoffe, wie die Salze des
Fleiſches, gelöſt enthält. Als Nahrungsmittel hat der ſo dargeſtellte
Fleiſchſaft aus rein praktiſchen Gründen keine Bedeutung, wohl aber
dient er unter Zuſatz von Fett und Kohlehydraten wie Stärkemehl und
Zucker, als vorzügliches Stärkemittel für Kranke.
Auch vom Fettgehalte des Fleiſches hängen Nahrhaftigkeit und
Verdaulichkeit desſelben ab, und zwar erhöht der größere Fettgehalt die
erſtere, indem er den Waſſergehalt zurückdrängt, verringert aber gleich-
zeitig die letztere dadurch, daß er das Fleiſch, im Magen mit einer
Fettſchicht bedeckend, vor der Einwirkung der Verdauungsſäfte ſchützt.
Wie ſehr dieſer Fettgehalt des Fleiſches künſtlich durch eine geeignete
Fütterung und Pflege des betreffenden Tieres erhöht werden kann, iſt
durch das ſo zahlreich bei Maſtvieh, Stopfgänſen u. dgl. vorgenommene
Verfahren genügend bekannt. In Bezug auf jene, die Verdauung er-
ſchwerende Wirkung, ſind aber die verſchiedenen Fettarten einander nicht
gleich, ſondern die weichen Fette den härteren vorzuziehen. Die Begriffe
„weich“ und „hart“ hängen einzig und allein von dem Schmelzpunkt
der betreffenden Fette ab, und man wird in dem hierbei in Betracht
kommenden Falle alle Fette weich nennen, deren Schmelzpunkt unter
unſerer Körpertemperatur liegt, wie z. B. das Gänſefett, Hühnerfett und
die Butter, während andererſeits z. B. Ochſen- und Hammeltalg, deren
Schmelzpunkt über unſerer Körpertemperatur liegt, als harte Fette zu
bezeichnen ſind.
Wir genießen im allgemeinen das Fleiſch der Pflanzenfreſſer, be-
ſonders der wiederkäuenden Haustiere, wie dasjenige der Vögel und
Fiſche. Alle dieſe Fleiſcharten haben qualitativ faſt dieſelbe Zuſammen-
ſetzung, zeigen aber quantitativ, wie auch im Geſchmack, ſehr weſentliche
Unterſchiede. Ohne an dieſer Stelle auf die genannten Unterſchiede
näher einzugehen, darf für die Volksernährung nicht unerwähnt bleiben,
daß das Vorurteil, welches gegen das Pferdefleiſch beſteht, ein durch-
aus unberechtigtes und dieſes Fleiſch um ſo mehr zu empfehlen iſt, da
es als ein ganz vorzügliches Nahrungsmittel gleichzeitig einen ſehr
billigen Preis hat. Es wird natürlich hierbei vorausgeſetzt, daß das
betreffende Fleiſch nicht von einem kranken Pferde herſtammen darf,
das iſt ja aber auch bei allen anderem Schlachtvieh eine ganz ſelbſt-
verſtändliche Vorausſetzung. In Frankreich hat man während des letzten
36*
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/581>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.