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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Das Fleisch.
haft, als es auch durch die in Lösung gebliebenen Eiweißstoffe bezw.
durch die weich gebliebenen Fleischfasern, leicht verdaulich ist.

Hat man das Braten oder auch Kochen des Fleisches so gehand-
habt, also den Fleischsaft fast vollständig im Fleische behalten, so wird
natürlich die gleichzeitig beim Kochen gewonnene Fleischbrühe nicht be-
sonders wertvoll sein können, und wenn es darauf ankommt, eine gute
Brühe zu erhalten, so wird man also ganz anders verfahren müssen.
In diesem Falle will man möglichst allen Fleischsaft mit den darin
enthaltenen Salzen und Extraktivstoffen aus dem Fleische extrahieren
und daher vor allen Dingen verhüten, daß die sich beim Braten ab-
sichtlich erzeugte, schützende Hülle durch geronnene Eiweißstoffe um das
Fleisch herum bildet; wenigstens dürfen diese Eiweißstosse nicht früher
gerinnen, als bis aller Fleischsaft aus dem Fleische ausgezogen ist.
Zu diesem Zwecke legt man das in möglichst kleine Stücke zerschnittene
Fleisch in kaltes Wasser, dessen Temperatur man nur ganz langsam
bis zur Siedehitze, welche man schließlich erreichen muß, steigen läßt.
Auf diese Weise entzieht man dem Fleische alle jene Säfte und Extraktiv-
stoffe, welche uns die Brühe mit Recht so wertvoll erscheinen lassen,
behält aber natürlich ein an Nahrungsstoffen nur ziemlich wertloses
Fleisch zurück. Hieraus ergiebt sich von selbst, daß es unmöglich ist,
gleichzeitig aus ein und demselben Stücke rohen Fleisches eine gute Brühe
und einen guten Braten oder nahrhaft gekochtes Fleisch zu bereiten.
Auch der Wert der Brühe wird durch die Fleischart bestimmt, aus der
dieselbe gewonnen wird, und so kommt z. B. der höhere Wert der
Hühnerbrühe im Verhältnis zu der aus Ochsenfleisch gewonnenen da-
her, daß das Hühnerfleisch mehr lösliche Stoffe enthält als jenes.

Da aber selbst bei dieser rationellen Bereitung der Fleischbrühe
dieselbe doch schließlich zum Kochen kommt, so gerinnen auch hierbei
endlich die auf dem vorher beschriebenem Wege langsam extrahierten
Eiweißstoffe. Sie bilden jenen bekannten schmutziggrauen Schaum,
welcher bei der Bereitung der Brühe fast immer so sorgfältig abge-
schöpft wird und welcher sich so lange wieder erneuert, als noch Eiweiß-
stoffe in Lösung vorhanden sind. Da aber die Eiweißstoffe das einzig
direkt Nahrhafte in der Brühe waren und durch Abschöpfen aus der-
selben entfernt wurden, so enthält die Brühe keine Nahrungsstoffe mehr,
und kann deshalb auch nicht mehr zu den Nahrungsmitteln gerechnet
werden. Wir zählen sie auch in der That nicht zu diesen, sondern zu
den Genußmitteln, weshalb aber ihr hoher Wert für die Ernährung
keineswegs als ein geringerer zu betrachten ist. Außer den verschiedenen
Salzen und Extraktivstoffen, welche unsere Verdauung in sehr hohem
Maße befördern, enthält die Fleischbrühe noch einen Stoff, den der
Chemiker "Kreatin" nennt, und welcher eine ähnliche erregende Wirkung
hat, wie derjenige Stoff, der unter dem Namen "Kaffein" als wirk-
samer Bestandteil des Kaffees und des Thees, bei den Aufgußgetränken
beschrieben ist. Eine gute Fleischbrühe reizt daher nicht nur, wie kein

Das Fleiſch.
haft, als es auch durch die in Löſung gebliebenen Eiweißſtoffe bezw.
durch die weich gebliebenen Fleiſchfaſern, leicht verdaulich iſt.

Hat man das Braten oder auch Kochen des Fleiſches ſo gehand-
habt, alſo den Fleiſchſaft faſt vollſtändig im Fleiſche behalten, ſo wird
natürlich die gleichzeitig beim Kochen gewonnene Fleiſchbrühe nicht be-
ſonders wertvoll ſein können, und wenn es darauf ankommt, eine gute
Brühe zu erhalten, ſo wird man alſo ganz anders verfahren müſſen.
In dieſem Falle will man möglichſt allen Fleiſchſaft mit den darin
enthaltenen Salzen und Extraktivſtoffen aus dem Fleiſche extrahieren
und daher vor allen Dingen verhüten, daß die ſich beim Braten ab-
ſichtlich erzeugte, ſchützende Hülle durch geronnene Eiweißſtoffe um das
Fleiſch herum bildet; wenigſtens dürfen dieſe Eiweißſtoſſe nicht früher
gerinnen, als bis aller Fleiſchſaft aus dem Fleiſche ausgezogen iſt.
Zu dieſem Zwecke legt man das in möglichſt kleine Stücke zerſchnittene
Fleiſch in kaltes Waſſer, deſſen Temperatur man nur ganz langſam
bis zur Siedehitze, welche man ſchließlich erreichen muß, ſteigen läßt.
Auf dieſe Weiſe entzieht man dem Fleiſche alle jene Säfte und Extraktiv-
ſtoffe, welche uns die Brühe mit Recht ſo wertvoll erſcheinen laſſen,
behält aber natürlich ein an Nahrungsſtoffen nur ziemlich wertloſes
Fleiſch zurück. Hieraus ergiebt ſich von ſelbſt, daß es unmöglich iſt,
gleichzeitig aus ein und demſelben Stücke rohen Fleiſches eine gute Brühe
und einen guten Braten oder nahrhaft gekochtes Fleiſch zu bereiten.
Auch der Wert der Brühe wird durch die Fleiſchart beſtimmt, aus der
dieſelbe gewonnen wird, und ſo kommt z. B. der höhere Wert der
Hühnerbrühe im Verhältnis zu der aus Ochſenfleiſch gewonnenen da-
her, daß das Hühnerfleiſch mehr lösliche Stoffe enthält als jenes.

Da aber ſelbſt bei dieſer rationellen Bereitung der Fleiſchbrühe
dieſelbe doch ſchließlich zum Kochen kommt, ſo gerinnen auch hierbei
endlich die auf dem vorher beſchriebenem Wege langſam extrahierten
Eiweißſtoffe. Sie bilden jenen bekannten ſchmutziggrauen Schaum,
welcher bei der Bereitung der Brühe faſt immer ſo ſorgfältig abge-
ſchöpft wird und welcher ſich ſo lange wieder erneuert, als noch Eiweiß-
ſtoffe in Löſung vorhanden ſind. Da aber die Eiweißſtoffe das einzig
direkt Nahrhafte in der Brühe waren und durch Abſchöpfen aus der-
ſelben entfernt wurden, ſo enthält die Brühe keine Nahrungsſtoffe mehr,
und kann deshalb auch nicht mehr zu den Nahrungsmitteln gerechnet
werden. Wir zählen ſie auch in der That nicht zu dieſen, ſondern zu
den Genußmitteln, weshalb aber ihr hoher Wert für die Ernährung
keineswegs als ein geringerer zu betrachten iſt. Außer den verſchiedenen
Salzen und Extraktivſtoffen, welche unſere Verdauung in ſehr hohem
Maße befördern, enthält die Fleiſchbrühe noch einen Stoff, den der
Chemiker „Kreatin“ nennt, und welcher eine ähnliche erregende Wirkung
hat, wie derjenige Stoff, der unter dem Namen „Kaffeïn“ als wirk-
ſamer Beſtandteil des Kaffees und des Thees, bei den Aufgußgetränken
beſchrieben iſt. Eine gute Fleiſchbrühe reizt daher nicht nur, wie kein

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[565/0583] Das Fleiſch. haft, als es auch durch die in Löſung gebliebenen Eiweißſtoffe bezw. durch die weich gebliebenen Fleiſchfaſern, leicht verdaulich iſt. Hat man das Braten oder auch Kochen des Fleiſches ſo gehand- habt, alſo den Fleiſchſaft faſt vollſtändig im Fleiſche behalten, ſo wird natürlich die gleichzeitig beim Kochen gewonnene Fleiſchbrühe nicht be- ſonders wertvoll ſein können, und wenn es darauf ankommt, eine gute Brühe zu erhalten, ſo wird man alſo ganz anders verfahren müſſen. In dieſem Falle will man möglichſt allen Fleiſchſaft mit den darin enthaltenen Salzen und Extraktivſtoffen aus dem Fleiſche extrahieren und daher vor allen Dingen verhüten, daß die ſich beim Braten ab- ſichtlich erzeugte, ſchützende Hülle durch geronnene Eiweißſtoffe um das Fleiſch herum bildet; wenigſtens dürfen dieſe Eiweißſtoſſe nicht früher gerinnen, als bis aller Fleiſchſaft aus dem Fleiſche ausgezogen iſt. Zu dieſem Zwecke legt man das in möglichſt kleine Stücke zerſchnittene Fleiſch in kaltes Waſſer, deſſen Temperatur man nur ganz langſam bis zur Siedehitze, welche man ſchließlich erreichen muß, ſteigen läßt. Auf dieſe Weiſe entzieht man dem Fleiſche alle jene Säfte und Extraktiv- ſtoffe, welche uns die Brühe mit Recht ſo wertvoll erſcheinen laſſen, behält aber natürlich ein an Nahrungsſtoffen nur ziemlich wertloſes Fleiſch zurück. Hieraus ergiebt ſich von ſelbſt, daß es unmöglich iſt, gleichzeitig aus ein und demſelben Stücke rohen Fleiſches eine gute Brühe und einen guten Braten oder nahrhaft gekochtes Fleiſch zu bereiten. Auch der Wert der Brühe wird durch die Fleiſchart beſtimmt, aus der dieſelbe gewonnen wird, und ſo kommt z. B. der höhere Wert der Hühnerbrühe im Verhältnis zu der aus Ochſenfleiſch gewonnenen da- her, daß das Hühnerfleiſch mehr lösliche Stoffe enthält als jenes. Da aber ſelbſt bei dieſer rationellen Bereitung der Fleiſchbrühe dieſelbe doch ſchließlich zum Kochen kommt, ſo gerinnen auch hierbei endlich die auf dem vorher beſchriebenem Wege langſam extrahierten Eiweißſtoffe. Sie bilden jenen bekannten ſchmutziggrauen Schaum, welcher bei der Bereitung der Brühe faſt immer ſo ſorgfältig abge- ſchöpft wird und welcher ſich ſo lange wieder erneuert, als noch Eiweiß- ſtoffe in Löſung vorhanden ſind. Da aber die Eiweißſtoffe das einzig direkt Nahrhafte in der Brühe waren und durch Abſchöpfen aus der- ſelben entfernt wurden, ſo enthält die Brühe keine Nahrungsſtoffe mehr, und kann deshalb auch nicht mehr zu den Nahrungsmitteln gerechnet werden. Wir zählen ſie auch in der That nicht zu dieſen, ſondern zu den Genußmitteln, weshalb aber ihr hoher Wert für die Ernährung keineswegs als ein geringerer zu betrachten iſt. Außer den verſchiedenen Salzen und Extraktivſtoffen, welche unſere Verdauung in ſehr hohem Maße befördern, enthält die Fleiſchbrühe noch einen Stoff, den der Chemiker „Kreatin“ nennt, und welcher eine ähnliche erregende Wirkung hat, wie derjenige Stoff, der unter dem Namen „Kaffeïn“ als wirk- ſamer Beſtandteil des Kaffees und des Thees, bei den Aufgußgetränken beſchrieben iſt. Eine gute Fleiſchbrühe reizt daher nicht nur, wie kein

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 565. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/583>, abgerufen am 22.11.2024.