"Martinstahl" oder auch "Flußstahl" eine große Bedeutung erlangt. Der Tunnersche Glühstahl, auch hämmerbares Gußeisen genannt, wird ohne Schmelzung durch Glühen aus weißem Roheisen mit Sauerstoff- abgebenden Substanzen, wie Eisenoxyd, Braunstein, Zinkoxyd etc. dar- gestellt. Heaton frischt das Roheisen mit Natronsalpeter und entkohlt hierdurch dasselbe nicht nur, sondern treibt gleichzeitig auch Phosphor und Schwefel in die Schlacke; dieser Stahl wird Heatonstahl genannt.
Die Fabrikation des Cementstahls, durch Vermehrung des Kohlen- stoffgehaltes des Schmiedeeisens dargestellt, besteht darin, daß man Schmiedeeisen in Kästen von feuerfestem Thon in Kohlepulver sog. "Cementierpulver" lagert und diese Kästen, luftdicht verschlossen, längere Zeit in einem Ofen erhitzt. Bei der dritten Art der Stahlgewinnung wird einfach gutes Schmiedeeisen mit Spiegeleisen zusammengeschmolzen.
Die so gewonnenen Stahlsorten sind in ihrer Masse nicht homogen und müssen deshalb noch weiter verarbeitet werden. Sie werden in Stücke geschlagen, zu flachen dünnen Stäben ausgereckt und weiß- glühend wieder zusammengeschweißt; so behandelt, geben sie den Gerb- stahl. Der Gußstahl hingegen wird durch Umschmelzen in feuerfesten Tiegeln ohne Gebläse erzeugt.
Eigenschaften. Der Stahl ist der festeste aller Eisenarten, von grauweißer Farbe, sehr feinkörnig und höchst politurfähig. Sobald man ihn glühend schnell in kaltes Wasser taucht, wird er sehr hart und elastisch, welche Eigenschaften bei nochmaligem Erhitzen und lang- samem Abkühlen wieder verloren gehen. Der polierte Stahl nimmt beim Erhitzen an der Luft verschiedene Farben an, welche Operation man das "Anlassen" des Stahles nennt; bei 200° C. wird er blau- gelb, bei 240° strohgelb, bei 260° purpurrot, bei 280° hellblau, bei 300° dunkelblau und bei 320° endlich schwarzblau.
Die bereits vorher erwähnten Gasgeneratoren, welche ein gas- förmiges Brennmaterial liefern, indem sie aus der Steinkohle Kohlen- oxyd entwickeln, finden immer mehr Aufnahme und werden zu den vorstehend beschriebenen Prozessen bei den Puddel- und Schweißöfen jetzt viel verwendet, da man die hierbei erzeugte Flamme, je nach Re- gulierung der Luftzufuhr beliebig zu einer oxydierenden oder redu- zierenden machen kann. Auch sind mit den wachsenden Dimensionen der Hochöfen die Konstruktionen der Gebläsemaschinen wesentlich ver- bessert worden, und heute liefern dieselben 100 cbm Wind in der Minute von einer Pressung, welche einer Quecksilbersäule von 22 cm Höhe das Gleichgewicht hält. Fig. 344 zeigt eine solche Balancier- Gebläsemaschine, in welcher der Dampfcylinder c den Balancier d in Bewegung setzt, wodurch wiederum der Kolben im Luftcylinder a die Luft durch das Windrohr b in ein Reservoir preßt, wo dieselbe vor der weiteren Verwendung -- wie weiter unten näher beschrieben -- vorgewärmt wird. Ein Schwungrad e -- mittels Pleuelstange an d befestigt -- reguliert die Gleichmäßigkeit der Bewegung.
Die Rohgewinnung der Metalle.
„Martinſtahl“ oder auch „Flußſtahl“ eine große Bedeutung erlangt. Der Tunnerſche Glühſtahl, auch hämmerbares Gußeiſen genannt, wird ohne Schmelzung durch Glühen aus weißem Roheiſen mit Sauerſtoff- abgebenden Subſtanzen, wie Eiſenoxyd, Braunſtein, Zinkoxyd ꝛc. dar- geſtellt. Heaton friſcht das Roheiſen mit Natronſalpeter und entkohlt hierdurch dasſelbe nicht nur, ſondern treibt gleichzeitig auch Phosphor und Schwefel in die Schlacke; dieſer Stahl wird Heatonſtahl genannt.
Die Fabrikation des Cementſtahls, durch Vermehrung des Kohlen- ſtoffgehaltes des Schmiedeeiſens dargeſtellt, beſteht darin, daß man Schmiedeeiſen in Käſten von feuerfeſtem Thon in Kohlepulver ſog. „Cementierpulver“ lagert und dieſe Käſten, luftdicht verſchloſſen, längere Zeit in einem Ofen erhitzt. Bei der dritten Art der Stahlgewinnung wird einfach gutes Schmiedeeiſen mit Spiegeleiſen zuſammengeſchmolzen.
Die ſo gewonnenen Stahlſorten ſind in ihrer Maſſe nicht homogen und müſſen deshalb noch weiter verarbeitet werden. Sie werden in Stücke geſchlagen, zu flachen dünnen Stäben ausgereckt und weiß- glühend wieder zuſammengeſchweißt; ſo behandelt, geben ſie den Gerb- ſtahl. Der Gußſtahl hingegen wird durch Umſchmelzen in feuerfeſten Tiegeln ohne Gebläſe erzeugt.
Eigenſchaften. Der Stahl iſt der feſteſte aller Eiſenarten, von grauweißer Farbe, ſehr feinkörnig und höchſt politurfähig. Sobald man ihn glühend ſchnell in kaltes Waſſer taucht, wird er ſehr hart und elaſtiſch, welche Eigenſchaften bei nochmaligem Erhitzen und lang- ſamem Abkühlen wieder verloren gehen. Der polierte Stahl nimmt beim Erhitzen an der Luft verſchiedene Farben an, welche Operation man das „Anlaſſen“ des Stahles nennt; bei 200° C. wird er blau- gelb, bei 240° ſtrohgelb, bei 260° purpurrot, bei 280° hellblau, bei 300° dunkelblau und bei 320° endlich ſchwarzblau.
Die bereits vorher erwähnten Gasgeneratoren, welche ein gas- förmiges Brennmaterial liefern, indem ſie aus der Steinkohle Kohlen- oxyd entwickeln, finden immer mehr Aufnahme und werden zu den vorſtehend beſchriebenen Prozeſſen bei den Puddel- und Schweißöfen jetzt viel verwendet, da man die hierbei erzeugte Flamme, je nach Re- gulierung der Luftzufuhr beliebig zu einer oxydierenden oder redu- zierenden machen kann. Auch ſind mit den wachſenden Dimenſionen der Hochöfen die Konſtruktionen der Gebläſemaſchinen weſentlich ver- beſſert worden, und heute liefern dieſelben 100 cbm Wind in der Minute von einer Preſſung, welche einer Queckſilberſäule von 22 cm Höhe das Gleichgewicht hält. Fig. 344 zeigt eine ſolche Balancier- Gebläſemaſchine, in welcher der Dampfcylinder c den Balancier d in Bewegung ſetzt, wodurch wiederum der Kolben im Luftcylinder a die Luft durch das Windrohr b in ein Reſervoir preßt, wo dieſelbe vor der weiteren Verwendung — wie weiter unten näher beſchrieben — vorgewärmt wird. Ein Schwungrad e — mittels Pleuelſtange an d befeſtigt — reguliert die Gleichmäßigkeit der Bewegung.
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Die Rohgewinnung der Metalle.
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Der Tunnerſche Glühſtahl, auch hämmerbares Gußeiſen genannt, wird
ohne Schmelzung durch Glühen aus weißem Roheiſen mit Sauerſtoff-
abgebenden Subſtanzen, wie Eiſenoxyd, Braunſtein, Zinkoxyd ꝛc. dar-
geſtellt. Heaton friſcht das Roheiſen mit Natronſalpeter und entkohlt
hierdurch dasſelbe nicht nur, ſondern treibt gleichzeitig auch Phosphor
und Schwefel in die Schlacke; dieſer Stahl wird Heatonſtahl genannt.
Die Fabrikation des Cementſtahls, durch Vermehrung des Kohlen-
ſtoffgehaltes des Schmiedeeiſens dargeſtellt, beſteht darin, daß man
Schmiedeeiſen in Käſten von feuerfeſtem Thon in Kohlepulver ſog.
„Cementierpulver“ lagert und dieſe Käſten, luftdicht verſchloſſen, längere
Zeit in einem Ofen erhitzt. Bei der dritten Art der Stahlgewinnung
wird einfach gutes Schmiedeeiſen mit Spiegeleiſen zuſammengeſchmolzen.
Die ſo gewonnenen Stahlſorten ſind in ihrer Maſſe nicht homogen
und müſſen deshalb noch weiter verarbeitet werden. Sie werden in
Stücke geſchlagen, zu flachen dünnen Stäben ausgereckt und weiß-
glühend wieder zuſammengeſchweißt; ſo behandelt, geben ſie den Gerb-
ſtahl. Der Gußſtahl hingegen wird durch Umſchmelzen in feuerfeſten
Tiegeln ohne Gebläſe erzeugt.
Eigenſchaften. Der Stahl iſt der feſteſte aller Eiſenarten, von
grauweißer Farbe, ſehr feinkörnig und höchſt politurfähig. Sobald
man ihn glühend ſchnell in kaltes Waſſer taucht, wird er ſehr hart
und elaſtiſch, welche Eigenſchaften bei nochmaligem Erhitzen und lang-
ſamem Abkühlen wieder verloren gehen. Der polierte Stahl nimmt
beim Erhitzen an der Luft verſchiedene Farben an, welche Operation
man das „Anlaſſen“ des Stahles nennt; bei 200° C. wird er blau-
gelb, bei 240° ſtrohgelb, bei 260° purpurrot, bei 280° hellblau, bei
300° dunkelblau und bei 320° endlich ſchwarzblau.
Die bereits vorher erwähnten Gasgeneratoren, welche ein gas-
förmiges Brennmaterial liefern, indem ſie aus der Steinkohle Kohlen-
oxyd entwickeln, finden immer mehr Aufnahme und werden zu den
vorſtehend beſchriebenen Prozeſſen bei den Puddel- und Schweißöfen
jetzt viel verwendet, da man die hierbei erzeugte Flamme, je nach Re-
gulierung der Luftzufuhr beliebig zu einer oxydierenden oder redu-
zierenden machen kann. Auch ſind mit den wachſenden Dimenſionen
der Hochöfen die Konſtruktionen der Gebläſemaſchinen weſentlich ver-
beſſert worden, und heute liefern dieſelben 100 cbm Wind in der
Minute von einer Preſſung, welche einer Queckſilberſäule von 22 cm
Höhe das Gleichgewicht hält. Fig. 344 zeigt eine ſolche Balancier-
Gebläſemaſchine, in welcher der Dampfcylinder c den Balancier d in
Bewegung ſetzt, wodurch wiederum der Kolben im Luftcylinder a die
Luft durch das Windrohr b in ein Reſervoir preßt, wo dieſelbe vor
der weiteren Verwendung — wie weiter unten näher beſchrieben —
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 580. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/598>, abgerufen am 22.11.2024.
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