Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

Bild:
<< vorherige Seite

Das Schmieden.
sie nachher ein einziges untrennbares Ganze bilden, man kann sie
schweißen. Bei diesen Metallen also ersetzt das Schmieden das Gießen
vollkommen. Nicht schmiedbar sind Gußeisen und Gußstahl.

Die einfachsten Formen, wie Stäbe, werden jetzt nicht mehr durch
Schmieden hergestellt, das Blattgold allein, wie es zum Vergolden von
Bücher-Einbänden, Holzwerk etc. angewendet wird, wird mit dem Hammer
verfertigt. Bei der Gold- (Silber-, Platin-, Aluminium-) Schlägerei
legt man eine größere Anzahl von Plättchen übereinander, nur getrennt
durch dazwischen gelegte Blätter, weil sonst die dünnen Bleche an-
einanderhaften und sich nicht ohne Beschädigung trennen lassen
würden. Solange die Bleche noch stärker sind, benutzt man hierzu
Pergament, später aber Goldschlägerhaut, d. h. das feine Oberhäutchen
vom Blinddarme des Ochsen, welches gereinigt, aufgespannt, getrocknet,
mit Alaunwasser gewaschen, endlich mit Wein, worin man Hausenblase
und einige Gewürze aufgelöst hat, bestrichen und mit Eiweiß überzogen ist.
Man benutzt zum Ausschlagen Handhämmer mit kreisrunder etwas ge-
wölbter Bahn. Dieses Arbeitsverfahren, bei welchem durch Hammerschläge
eine Verdünnung des Querschnitts und somit eine Ausdehung in der
Länge stattfindet, nennt man das Ausstrecken oder Zainen. Das Zainen
geschieht mit der Finne des Hammers, indem man Schlag neben Schlag
setzt; es entstehen dadurch eine große Anzahl schmaler Kerbe neben-
einander, das Metall wird gerieft, man gleicht daher diese Unebenheiten
durch Schlichten wieder aus, d. h. man schmiedet noch einmal mit der
Bahn des Hammers nach.

Führt man gegen irgend eine Stelle einer Metallplatte einen
Hammerschlag, so wird an dieser Stelle eine Verdünnung, gleichzeitig
aber auch ein Strecken stattfinden, und da die umgebenden vom Hammer
nicht getroffenen Teile nicht ausweichen können, so entsteht eine Ver-
tiefung, eine Beule. Führt man aber gegen die Mitte der Platte mit
einer kugligen Hammerbahn eine große Reihe von Schlägen, ohne den
Rand zu berühren, so wird der ganze mittlere Teil ausgebaucht, und
die Platte erhält die Form einer Schale oder eines Kessels. Man
nennt das Treiben oder Auftiefen. Je nachdem man auf verschiedene
Stellen mehr oder weniger starke oder häufige Hammerschläge fallen
läßt, kann man verschiedenartig geformte Hohlkörper erzeugen.

Stellt man ein Metallstück senkrecht auf den Amboß und schlägt
mit dem Hammer darauf, so wird sich das Stück verkürzen und gleich-
zeitig verdicken. Soll nur ein Teil gestaucht werden, so wird dieser
vorher erwärmt und zieht sich daher kräftiger zusammen wie die anderen.
Nach dem Stauchen wird stets noch überschmiedet. Das Stauchen ist
die entgegengesetzte Behandlung wie das Strecken. Ebenso hat man
eine dem Treiben entgegengesetzte Bearbeitungsmethode. Wenn man
eine flache Scheibe rings so hämmert, daß eine Aufbiegung des Randes
entsteht, so bekommt man einen Hohlkörper, dessen Durchmesser kleiner
ist, als der der ursprünglichen Platte, denn es findet hier eine Ver-

Das Schmieden.
ſie nachher ein einziges untrennbares Ganze bilden, man kann ſie
ſchweißen. Bei dieſen Metallen alſo erſetzt das Schmieden das Gießen
vollkommen. Nicht ſchmiedbar ſind Gußeiſen und Gußſtahl.

Die einfachſten Formen, wie Stäbe, werden jetzt nicht mehr durch
Schmieden hergeſtellt, das Blattgold allein, wie es zum Vergolden von
Bücher-Einbänden, Holzwerk ꝛc. angewendet wird, wird mit dem Hammer
verfertigt. Bei der Gold- (Silber-, Platin-, Aluminium-) Schlägerei
legt man eine größere Anzahl von Plättchen übereinander, nur getrennt
durch dazwiſchen gelegte Blätter, weil ſonſt die dünnen Bleche an-
einanderhaften und ſich nicht ohne Beſchädigung trennen laſſen
würden. Solange die Bleche noch ſtärker ſind, benutzt man hierzu
Pergament, ſpäter aber Goldſchlägerhaut, d. h. das feine Oberhäutchen
vom Blinddarme des Ochſen, welches gereinigt, aufgeſpannt, getrocknet,
mit Alaunwaſſer gewaſchen, endlich mit Wein, worin man Hauſenblaſe
und einige Gewürze aufgelöſt hat, beſtrichen und mit Eiweiß überzogen iſt.
Man benutzt zum Ausſchlagen Handhämmer mit kreisrunder etwas ge-
wölbter Bahn. Dieſes Arbeitsverfahren, bei welchem durch Hammerſchläge
eine Verdünnung des Querſchnitts und ſomit eine Ausdehung in der
Länge ſtattfindet, nennt man das Ausſtrecken oder Zainen. Das Zainen
geſchieht mit der Finne des Hammers, indem man Schlag neben Schlag
ſetzt; es entſtehen dadurch eine große Anzahl ſchmaler Kerbe neben-
einander, das Metall wird gerieft, man gleicht daher dieſe Unebenheiten
durch Schlichten wieder aus, d. h. man ſchmiedet noch einmal mit der
Bahn des Hammers nach.

Führt man gegen irgend eine Stelle einer Metallplatte einen
Hammerſchlag, ſo wird an dieſer Stelle eine Verdünnung, gleichzeitig
aber auch ein Strecken ſtattfinden, und da die umgebenden vom Hammer
nicht getroffenen Teile nicht ausweichen können, ſo entſteht eine Ver-
tiefung, eine Beule. Führt man aber gegen die Mitte der Platte mit
einer kugligen Hammerbahn eine große Reihe von Schlägen, ohne den
Rand zu berühren, ſo wird der ganze mittlere Teil ausgebaucht, und
die Platte erhält die Form einer Schale oder eines Keſſels. Man
nennt das Treiben oder Auftiefen. Je nachdem man auf verſchiedene
Stellen mehr oder weniger ſtarke oder häufige Hammerſchläge fallen
läßt, kann man verſchiedenartig geformte Hohlkörper erzeugen.

Stellt man ein Metallſtück ſenkrecht auf den Amboß und ſchlägt
mit dem Hammer darauf, ſo wird ſich das Stück verkürzen und gleich-
zeitig verdicken. Soll nur ein Teil geſtaucht werden, ſo wird dieſer
vorher erwärmt und zieht ſich daher kräftiger zuſammen wie die anderen.
Nach dem Stauchen wird ſtets noch überſchmiedet. Das Stauchen iſt
die entgegengeſetzte Behandlung wie das Strecken. Ebenſo hat man
eine dem Treiben entgegengeſetzte Bearbeitungsmethode. Wenn man
eine flache Scheibe rings ſo hämmert, daß eine Aufbiegung des Randes
entſteht, ſo bekommt man einen Hohlkörper, deſſen Durchmeſſer kleiner
iſt, als der der urſprünglichen Platte, denn es findet hier eine Ver-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0671" n="653"/><fw place="top" type="header">Das Schmieden.</fw><lb/>
&#x017F;ie nachher ein einziges untrennbares Ganze bilden, man kann &#x017F;ie<lb/>
&#x017F;chweißen. Bei die&#x017F;en Metallen al&#x017F;o er&#x017F;etzt das Schmieden das Gießen<lb/>
vollkommen. Nicht &#x017F;chmiedbar &#x017F;ind Gußei&#x017F;en und Guß&#x017F;tahl.</p><lb/>
              <p>Die einfach&#x017F;ten Formen, wie Stäbe, werden jetzt nicht mehr durch<lb/>
Schmieden herge&#x017F;tellt, das Blattgold allein, wie es zum Vergolden von<lb/>
Bücher-Einbänden, Holzwerk &#xA75B;c. angewendet wird, wird mit dem Hammer<lb/>
verfertigt. Bei der Gold- (Silber-, Platin-, Aluminium-) Schlägerei<lb/>
legt man eine größere Anzahl von Plättchen übereinander, nur getrennt<lb/>
durch dazwi&#x017F;chen gelegte Blätter, weil &#x017F;on&#x017F;t die dünnen Bleche an-<lb/>
einanderhaften und &#x017F;ich nicht ohne Be&#x017F;chädigung trennen la&#x017F;&#x017F;en<lb/>
würden. Solange die Bleche noch &#x017F;tärker &#x017F;ind, benutzt man hierzu<lb/>
Pergament, &#x017F;päter aber Gold&#x017F;chlägerhaut, d. h. das feine Oberhäutchen<lb/>
vom Blinddarme des Och&#x017F;en, welches gereinigt, aufge&#x017F;pannt, getrocknet,<lb/>
mit Alaunwa&#x017F;&#x017F;er gewa&#x017F;chen, endlich mit Wein, worin man Hau&#x017F;enbla&#x017F;e<lb/>
und einige Gewürze aufgelö&#x017F;t hat, be&#x017F;trichen und mit Eiweiß überzogen i&#x017F;t.<lb/>
Man benutzt zum Aus&#x017F;chlagen Handhämmer mit kreisrunder etwas ge-<lb/>
wölbter Bahn. Die&#x017F;es Arbeitsverfahren, bei welchem durch Hammer&#x017F;chläge<lb/>
eine Verdünnung des Quer&#x017F;chnitts und &#x017F;omit eine Ausdehung in der<lb/>
Länge &#x017F;tattfindet, nennt man das Aus&#x017F;trecken oder Zainen. Das Zainen<lb/>
ge&#x017F;chieht mit der Finne des Hammers, indem man Schlag neben Schlag<lb/>
&#x017F;etzt; es ent&#x017F;tehen dadurch eine große Anzahl &#x017F;chmaler Kerbe neben-<lb/>
einander, das Metall wird gerieft, man gleicht daher die&#x017F;e Unebenheiten<lb/>
durch Schlichten wieder aus, d. h. man &#x017F;chmiedet noch einmal mit der<lb/>
Bahn des Hammers nach.</p><lb/>
              <p>Führt man gegen irgend eine Stelle einer Metallplatte einen<lb/>
Hammer&#x017F;chlag, &#x017F;o wird an die&#x017F;er Stelle eine Verdünnung, gleichzeitig<lb/>
aber auch ein Strecken &#x017F;tattfinden, und da die umgebenden vom Hammer<lb/>
nicht getroffenen Teile nicht ausweichen können, &#x017F;o ent&#x017F;teht eine Ver-<lb/>
tiefung, eine Beule. Führt man aber gegen die Mitte der Platte mit<lb/>
einer kugligen Hammerbahn eine große Reihe von Schlägen, ohne den<lb/>
Rand zu berühren, &#x017F;o wird der ganze mittlere Teil ausgebaucht, und<lb/>
die Platte erhält die Form einer Schale oder eines Ke&#x017F;&#x017F;els. Man<lb/>
nennt das Treiben oder Auftiefen. Je nachdem man auf ver&#x017F;chiedene<lb/>
Stellen mehr oder weniger &#x017F;tarke oder häufige Hammer&#x017F;chläge fallen<lb/>
läßt, kann man ver&#x017F;chiedenartig geformte Hohlkörper erzeugen.</p><lb/>
              <p>Stellt man ein Metall&#x017F;tück &#x017F;enkrecht auf den Amboß und &#x017F;chlägt<lb/>
mit dem Hammer darauf, &#x017F;o wird &#x017F;ich das Stück verkürzen und gleich-<lb/>
zeitig verdicken. Soll nur ein Teil ge&#x017F;taucht werden, &#x017F;o wird die&#x017F;er<lb/>
vorher erwärmt und zieht &#x017F;ich daher kräftiger zu&#x017F;ammen wie die anderen.<lb/>
Nach dem Stauchen wird &#x017F;tets noch über&#x017F;chmiedet. Das Stauchen i&#x017F;t<lb/>
die entgegenge&#x017F;etzte Behandlung wie das Strecken. Eben&#x017F;o hat man<lb/>
eine dem Treiben entgegenge&#x017F;etzte Bearbeitungsmethode. Wenn man<lb/>
eine flache Scheibe rings &#x017F;o hämmert, daß eine Aufbiegung des Randes<lb/>
ent&#x017F;teht, &#x017F;o bekommt man einen Hohlkörper, de&#x017F;&#x017F;en Durchme&#x017F;&#x017F;er kleiner<lb/>
i&#x017F;t, als der der ur&#x017F;prünglichen Platte, denn es findet hier eine Ver-<lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[653/0671] Das Schmieden. ſie nachher ein einziges untrennbares Ganze bilden, man kann ſie ſchweißen. Bei dieſen Metallen alſo erſetzt das Schmieden das Gießen vollkommen. Nicht ſchmiedbar ſind Gußeiſen und Gußſtahl. Die einfachſten Formen, wie Stäbe, werden jetzt nicht mehr durch Schmieden hergeſtellt, das Blattgold allein, wie es zum Vergolden von Bücher-Einbänden, Holzwerk ꝛc. angewendet wird, wird mit dem Hammer verfertigt. Bei der Gold- (Silber-, Platin-, Aluminium-) Schlägerei legt man eine größere Anzahl von Plättchen übereinander, nur getrennt durch dazwiſchen gelegte Blätter, weil ſonſt die dünnen Bleche an- einanderhaften und ſich nicht ohne Beſchädigung trennen laſſen würden. Solange die Bleche noch ſtärker ſind, benutzt man hierzu Pergament, ſpäter aber Goldſchlägerhaut, d. h. das feine Oberhäutchen vom Blinddarme des Ochſen, welches gereinigt, aufgeſpannt, getrocknet, mit Alaunwaſſer gewaſchen, endlich mit Wein, worin man Hauſenblaſe und einige Gewürze aufgelöſt hat, beſtrichen und mit Eiweiß überzogen iſt. Man benutzt zum Ausſchlagen Handhämmer mit kreisrunder etwas ge- wölbter Bahn. Dieſes Arbeitsverfahren, bei welchem durch Hammerſchläge eine Verdünnung des Querſchnitts und ſomit eine Ausdehung in der Länge ſtattfindet, nennt man das Ausſtrecken oder Zainen. Das Zainen geſchieht mit der Finne des Hammers, indem man Schlag neben Schlag ſetzt; es entſtehen dadurch eine große Anzahl ſchmaler Kerbe neben- einander, das Metall wird gerieft, man gleicht daher dieſe Unebenheiten durch Schlichten wieder aus, d. h. man ſchmiedet noch einmal mit der Bahn des Hammers nach. Führt man gegen irgend eine Stelle einer Metallplatte einen Hammerſchlag, ſo wird an dieſer Stelle eine Verdünnung, gleichzeitig aber auch ein Strecken ſtattfinden, und da die umgebenden vom Hammer nicht getroffenen Teile nicht ausweichen können, ſo entſteht eine Ver- tiefung, eine Beule. Führt man aber gegen die Mitte der Platte mit einer kugligen Hammerbahn eine große Reihe von Schlägen, ohne den Rand zu berühren, ſo wird der ganze mittlere Teil ausgebaucht, und die Platte erhält die Form einer Schale oder eines Keſſels. Man nennt das Treiben oder Auftiefen. Je nachdem man auf verſchiedene Stellen mehr oder weniger ſtarke oder häufige Hammerſchläge fallen läßt, kann man verſchiedenartig geformte Hohlkörper erzeugen. Stellt man ein Metallſtück ſenkrecht auf den Amboß und ſchlägt mit dem Hammer darauf, ſo wird ſich das Stück verkürzen und gleich- zeitig verdicken. Soll nur ein Teil geſtaucht werden, ſo wird dieſer vorher erwärmt und zieht ſich daher kräftiger zuſammen wie die anderen. Nach dem Stauchen wird ſtets noch überſchmiedet. Das Stauchen iſt die entgegengeſetzte Behandlung wie das Strecken. Ebenſo hat man eine dem Treiben entgegengeſetzte Bearbeitungsmethode. Wenn man eine flache Scheibe rings ſo hämmert, daß eine Aufbiegung des Randes entſteht, ſo bekommt man einen Hohlkörper, deſſen Durchmeſſer kleiner iſt, als der der urſprünglichen Platte, denn es findet hier eine Ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/671
Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 653. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/671>, abgerufen am 22.11.2024.