entziehen. Die Verwendbarkeit derselben war daher von Haus aus naturgemäß eine sehr beschränkte.
Bei weitem unabhängiger waren die durch die bewegten Wasser- massen der Flüsse und Ströme angetriebenen Wassermotoren. Jedoch auch bei Anwendung dieser war man an ganz bestimmte örtliche Verhältnisse gebunden, indem man dieselben nur an denjenigen Plätzen errichten und betreiben konnte, wo Betriebswasser und Gefälle in hin- reichendem Maße vorhanden war.
Mit diesen Wind- und Wassermotoren hat sich trotz ihrer Unzu- verlässigkeit das menschliche Geschlecht Jahrtausende lang beholfen. Die Folge hiervon war, daß der industrielle Betrieb, sofern derselbe auf eine größere, sichere Kraftquelle angewiesen war, sich an den Fluß- läufen konzentrierte. Das Merkmal der Industrie des Zeitalters der Wind- und Wassermotoren ist der Kleinbetrieb und die Hausindustrie. Hierin schaffte die Erfindung der Dampfmaschine bezw. die Vervoll- kommnung derselben, wie sie durch James Watt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit durchgreifendem Erfolge ausgeführt wurde, einen völligen Wandel herbei. Als dritte Kraftquelle trat nun- mehr neben dem Winde und dem Wasser die Wärme auf.
Die Wirkung der Erfindung der Dampfmaschine erstreckte sich zunächst auf den Bergwerksbetrieb. Hier übernahm der gespannte Wasserdampf alsbald erfolgreich die bis dahin mühsam durch Tiere und Menschen bewirkte Förderung der unterirdischen Schätze aus der Nacht der Schächte zum Tageslicht. Das Wasserrad, welches Jahr- hunderte lang mit schwerfälliger Behäbigkeit die Entwässerung der unterirdischen Gänge bewirkt und diese vor der Überflutung bewahrt hatte, mußte nun der mächtigen unterirdischen Dampfpumpe weichen.
Alsbald eroberte sich der Dampf auch die übrigen Zweige der menschlichen Thätigkeit, die Gewerbe wie das Verkehrswesen in raschem Siegeslaufe. Der großen Allgemeinheit erscheint der Einfluß der Ein- führung der Dampfmaschine am gewaltigsten und überzeugendsten auf dem Gebiete des Verkehrswesens, wo das Dampfroß in unauf- haltsamem Siegeszuge eine völlige Umwälzung von Handel und Wandel bewirkte. Weniger bekannt dürfte die Wirkung sein, welche die Ausnützung der Dampfkraft auf dem Gebiete der Gewerbe ge- zeitigt hat; man kann dieselbe kurz dahin zusammenfassen, daß an Stelle der zahlreichen kleinen Gewerbebetriebe und der Hausindustrie alsbald ein Überwiegen der Großindustrie eintrat. Ja, eine große Anzahl ehemals blühender Kleinindustrien mußte angesichts der die Dampfmaschine in ihre Dienste nehmenden Großindustrie alsbald fast völlig vom Schauplatz ihrer Thätigkeit zurücktreten. Dieser Kampf zwischen Groß- und Kleinindustrie, das Kennzeichen des bisher ver- flossenen Teiles des Zeitalters der Dampfmaschine, dauert auch noch heute in alter Heftigkeit fort. Zum Beweise dessen mögen hier einige wenige Zahlenangaben folgen.
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Allgemeines.
entziehen. Die Verwendbarkeit derſelben war daher von Haus aus naturgemäß eine ſehr beſchränkte.
Bei weitem unabhängiger waren die durch die bewegten Waſſer- maſſen der Flüſſe und Ströme angetriebenen Waſſermotoren. Jedoch auch bei Anwendung dieſer war man an ganz beſtimmte örtliche Verhältniſſe gebunden, indem man dieſelben nur an denjenigen Plätzen errichten und betreiben konnte, wo Betriebswaſſer und Gefälle in hin- reichendem Maße vorhanden war.
Mit dieſen Wind- und Waſſermotoren hat ſich trotz ihrer Unzu- verläſſigkeit das menſchliche Geſchlecht Jahrtauſende lang beholfen. Die Folge hiervon war, daß der induſtrielle Betrieb, ſofern derſelbe auf eine größere, ſichere Kraftquelle angewieſen war, ſich an den Fluß- läufen konzentrierte. Das Merkmal der Induſtrie des Zeitalters der Wind- und Waſſermotoren iſt der Kleinbetrieb und die Hausinduſtrie. Hierin ſchaffte die Erfindung der Dampfmaſchine bezw. die Vervoll- kommnung derſelben, wie ſie durch James Watt in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts mit durchgreifendem Erfolge ausgeführt wurde, einen völligen Wandel herbei. Als dritte Kraftquelle trat nun- mehr neben dem Winde und dem Waſſer die Wärme auf.
Die Wirkung der Erfindung der Dampfmaſchine erſtreckte ſich zunächſt auf den Bergwerksbetrieb. Hier übernahm der geſpannte Waſſerdampf alsbald erfolgreich die bis dahin mühſam durch Tiere und Menſchen bewirkte Förderung der unterirdiſchen Schätze aus der Nacht der Schächte zum Tageslicht. Das Waſſerrad, welches Jahr- hunderte lang mit ſchwerfälliger Behäbigkeit die Entwäſſerung der unterirdiſchen Gänge bewirkt und dieſe vor der Überflutung bewahrt hatte, mußte nun der mächtigen unterirdiſchen Dampfpumpe weichen.
Alsbald eroberte ſich der Dampf auch die übrigen Zweige der menſchlichen Thätigkeit, die Gewerbe wie das Verkehrsweſen in raſchem Siegeslaufe. Der großen Allgemeinheit erſcheint der Einfluß der Ein- führung der Dampfmaſchine am gewaltigſten und überzeugendſten auf dem Gebiete des Verkehrsweſens, wo das Dampfroß in unauf- haltſamem Siegeszuge eine völlige Umwälzung von Handel und Wandel bewirkte. Weniger bekannt dürfte die Wirkung ſein, welche die Ausnützung der Dampfkraft auf dem Gebiete der Gewerbe ge- zeitigt hat; man kann dieſelbe kurz dahin zuſammenfaſſen, daß an Stelle der zahlreichen kleinen Gewerbebetriebe und der Hausinduſtrie alsbald ein Überwiegen der Großinduſtrie eintrat. Ja, eine große Anzahl ehemals blühender Kleininduſtrien mußte angeſichts der die Dampfmaſchine in ihre Dienſte nehmenden Großinduſtrie alsbald faſt völlig vom Schauplatz ihrer Thätigkeit zurücktreten. Dieſer Kampf zwiſchen Groß- und Kleininduſtrie, das Kennzeichen des bisher ver- floſſenen Teiles des Zeitalters der Dampfmaſchine, dauert auch noch heute in alter Heftigkeit fort. Zum Beweiſe deſſen mögen hier einige wenige Zahlenangaben folgen.
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Allgemeines.
entziehen. Die Verwendbarkeit derſelben war daher von Haus aus
naturgemäß eine ſehr beſchränkte.
Bei weitem unabhängiger waren die durch die bewegten Waſſer-
maſſen der Flüſſe und Ströme angetriebenen Waſſermotoren. Jedoch
auch bei Anwendung dieſer war man an ganz beſtimmte örtliche
Verhältniſſe gebunden, indem man dieſelben nur an denjenigen Plätzen
errichten und betreiben konnte, wo Betriebswaſſer und Gefälle in hin-
reichendem Maße vorhanden war.
Mit dieſen Wind- und Waſſermotoren hat ſich trotz ihrer Unzu-
verläſſigkeit das menſchliche Geſchlecht Jahrtauſende lang beholfen.
Die Folge hiervon war, daß der induſtrielle Betrieb, ſofern derſelbe
auf eine größere, ſichere Kraftquelle angewieſen war, ſich an den Fluß-
läufen konzentrierte. Das Merkmal der Induſtrie des Zeitalters der
Wind- und Waſſermotoren iſt der Kleinbetrieb und die Hausinduſtrie.
Hierin ſchaffte die Erfindung der Dampfmaſchine bezw. die Vervoll-
kommnung derſelben, wie ſie durch James Watt in der zweiten Hälfte
des vorigen Jahrhunderts mit durchgreifendem Erfolge ausgeführt
wurde, einen völligen Wandel herbei. Als dritte Kraftquelle trat nun-
mehr neben dem Winde und dem Waſſer die Wärme auf.
Die Wirkung der Erfindung der Dampfmaſchine erſtreckte ſich
zunächſt auf den Bergwerksbetrieb. Hier übernahm der geſpannte
Waſſerdampf alsbald erfolgreich die bis dahin mühſam durch Tiere
und Menſchen bewirkte Förderung der unterirdiſchen Schätze aus der
Nacht der Schächte zum Tageslicht. Das Waſſerrad, welches Jahr-
hunderte lang mit ſchwerfälliger Behäbigkeit die Entwäſſerung der
unterirdiſchen Gänge bewirkt und dieſe vor der Überflutung bewahrt
hatte, mußte nun der mächtigen unterirdiſchen Dampfpumpe weichen.
Alsbald eroberte ſich der Dampf auch die übrigen Zweige der
menſchlichen Thätigkeit, die Gewerbe wie das Verkehrsweſen in raſchem
Siegeslaufe. Der großen Allgemeinheit erſcheint der Einfluß der Ein-
führung der Dampfmaſchine am gewaltigſten und überzeugendſten auf
dem Gebiete des Verkehrsweſens, wo das Dampfroß in unauf-
haltſamem Siegeszuge eine völlige Umwälzung von Handel und
Wandel bewirkte. Weniger bekannt dürfte die Wirkung ſein, welche
die Ausnützung der Dampfkraft auf dem Gebiete der Gewerbe ge-
zeitigt hat; man kann dieſelbe kurz dahin zuſammenfaſſen, daß an
Stelle der zahlreichen kleinen Gewerbebetriebe und der Hausinduſtrie
alsbald ein Überwiegen der Großinduſtrie eintrat. Ja, eine große
Anzahl ehemals blühender Kleininduſtrien mußte angeſichts der die
Dampfmaſchine in ihre Dienſte nehmenden Großinduſtrie alsbald faſt
völlig vom Schauplatz ihrer Thätigkeit zurücktreten. Dieſer Kampf
zwiſchen Groß- und Kleininduſtrie, das Kennzeichen des bisher ver-
floſſenen Teiles des Zeitalters der Dampfmaſchine, dauert auch noch
heute in alter Heftigkeit fort. Zum Beweiſe deſſen mögen hier einige
wenige Zahlenangaben folgen.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 51. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/69>, abgerufen am 21.11.2024.
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