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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Der Verkehr zu Lande.
Straßennetzen erschlossen habe, auch von den Chinesen, den Persern
und den Phöniziern wird ähnliches berichtet, eine genaue Angabe über
die Technik dieser ältesten Straßenbauten fehlt jedoch; eine solche finden
wir zuerst bei den Griechen, und bei diesen beginnt daher unsere Kenntnis
von der Wegebaukunst der Alten.

In Hellas waren es die die Tempel und heiligen Ortschaften
untereinander und mit der Küste in Verbindung setzenden heiligen
Straßen
, welche uns zuerst das Bild einer Kunststraße darbieten.
Was diese heiligen Straßen uns so außerordentlich interessant erscheinen
läßt, das ist der Umstand, daß in ihnen uns das Urbild unserer
modernen Spurbahnen, der Straßen- und der Eisenbahnen, aus dem
Dunkel der Anfänge der Geschichtsschreibung entgegen tritt. Um
nämlich den Widerstand des auf der Erdoberfläche dahin bewegten
Fahrzeuges auf das Äußerste zu beschränken, legten schon die Griechen
für jedes Wagenrad ein besonderes Gleis, eine besondere Fahrbahn
an, welche entweder in den Fels eingearbeitet oder in dem lockeren
Erdreiche durch Pflasterung wohl befestigt wurde; die hierbei zur An-
wendung kommende Spurweite betrug durchgängig etwa 1,625 Meter.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte fast völlig in Vergessenheit ge-
raten, sollte diese alte Bauart der Hellenen erst wieder gegen Ende
des vorigen und im Laufe des jetzigen Jahrhunderts in unseren
Eisen- und Pferdebahnen von neuem zu Ehren und zu weitgehendster
Anwendung kommen.

Wie Curtius in seiner klassischen Abhandlung "Geschichte des Wege-
baues bei den Griechen" mitteilt, unterschied man bestimmt zwischen
der im losen Erdreiche sich bildenden Fahrspur, der armatrokhia und
dem künstlich angelegten, durch Pflasterung befestigten Gleise, dem ikhnos.
So wurden die Wagen in fest vorgeschriebener Bahn dahingezogen.
Begegneten sich zwei Fuhrwerke, so machte dieses erheblich mehr
Schwierigkeiten, als bei den jetzigen glatten Fahrstraßen, da die Räder
die tiefen Gleise verlassen und eine gewisse Wegeslänge auf weichem,
unbefestigtem Boden zurücklegen mußten. Auch diesem Umstande hat
man bereits bei den heiligen Straßen Griechenlands Rechnung getragen,
indem in gewissen Abständen sogenannte ektropai, d. h. Ausweichungen
angeordnet waren, welche im Bogen nach rechts und links abzweigten
und so die sich begegnenden Fuhrwerke aneinander vorüberführten.
Wem fällt hier nicht das Geschick des Ödipus ein, der in einem wegen
des Ausweichens auf offener Heerstraße entbrannten Streite zum Mörder
des Vaters wurde? -- Auch diese altgriechischen ektropai treten uns
in den Weichen unserer Eisenbahnen in moderner Umgestaltung wiederum
entgegen.

Das Verdienst, den Wegebau der weiteren und durchgreifenden
Vervollkommnung entgegengeführt zu haben, gebührt den Römern.
In richtiger Erkenntnis der hohen Wichtigkeit guter Straßen für die
Beherrschung der von ihnen eroberten gewaltigen Ländermassen, ließen

Der Verkehr zu Lande.
Straßennetzen erſchloſſen habe, auch von den Chineſen, den Perſern
und den Phöniziern wird ähnliches berichtet, eine genaue Angabe über
die Technik dieſer älteſten Straßenbauten fehlt jedoch; eine ſolche finden
wir zuerſt bei den Griechen, und bei dieſen beginnt daher unſere Kenntnis
von der Wegebaukunſt der Alten.

In Hellas waren es die die Tempel und heiligen Ortſchaften
untereinander und mit der Küſte in Verbindung ſetzenden heiligen
Straßen
, welche uns zuerſt das Bild einer Kunſtſtraße darbieten.
Was dieſe heiligen Straßen uns ſo außerordentlich intereſſant erſcheinen
läßt, das iſt der Umſtand, daß in ihnen uns das Urbild unſerer
modernen Spurbahnen, der Straßen- und der Eiſenbahnen, aus dem
Dunkel der Anfänge der Geſchichtsſchreibung entgegen tritt. Um
nämlich den Widerſtand des auf der Erdoberfläche dahin bewegten
Fahrzeuges auf das Äußerſte zu beſchränken, legten ſchon die Griechen
für jedes Wagenrad ein beſonderes Gleis, eine beſondere Fahrbahn
an, welche entweder in den Fels eingearbeitet oder in dem lockeren
Erdreiche durch Pflaſterung wohl befeſtigt wurde; die hierbei zur An-
wendung kommende Spurweite betrug durchgängig etwa 1,625 Meter.
Im Laufe der folgenden Jahrhunderte faſt völlig in Vergeſſenheit ge-
raten, ſollte dieſe alte Bauart der Hellenen erſt wieder gegen Ende
des vorigen und im Laufe des jetzigen Jahrhunderts in unſeren
Eiſen- und Pferdebahnen von neuem zu Ehren und zu weitgehendſter
Anwendung kommen.

Wie Curtius in ſeiner klaſſiſchen Abhandlung „Geſchichte des Wege-
baues bei den Griechen“ mitteilt, unterſchied man beſtimmt zwiſchen
der im loſen Erdreiche ſich bildenden Fahrſpur, der ἁρματροχία und
dem künſtlich angelegten, durch Pflaſterung befeſtigten Gleiſe, dem ἴχνος.
So wurden die Wagen in feſt vorgeſchriebener Bahn dahingezogen.
Begegneten ſich zwei Fuhrwerke, ſo machte dieſes erheblich mehr
Schwierigkeiten, als bei den jetzigen glatten Fahrſtraßen, da die Räder
die tiefen Gleiſe verlaſſen und eine gewiſſe Wegeslänge auf weichem,
unbefeſtigtem Boden zurücklegen mußten. Auch dieſem Umſtande hat
man bereits bei den heiligen Straßen Griechenlands Rechnung getragen,
indem in gewiſſen Abſtänden ſogenannte ἓκτροπαι, d. h. Ausweichungen
angeordnet waren, welche im Bogen nach rechts und links abzweigten
und ſo die ſich begegnenden Fuhrwerke aneinander vorüberführten.
Wem fällt hier nicht das Geſchick des Ödipus ein, der in einem wegen
des Ausweichens auf offener Heerſtraße entbrannten Streite zum Mörder
des Vaters wurde? — Auch dieſe altgriechiſchen ἓκτροπαι treten uns
in den Weichen unſerer Eiſenbahnen in moderner Umgeſtaltung wiederum
entgegen.

Das Verdienſt, den Wegebau der weiteren und durchgreifenden
Vervollkommnung entgegengeführt zu haben, gebührt den Römern.
In richtiger Erkenntnis der hohen Wichtigkeit guter Straßen für die
Beherrſchung der von ihnen eroberten gewaltigen Ländermaſſen, ließen

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[718/0736] Der Verkehr zu Lande. Straßennetzen erſchloſſen habe, auch von den Chineſen, den Perſern und den Phöniziern wird ähnliches berichtet, eine genaue Angabe über die Technik dieſer älteſten Straßenbauten fehlt jedoch; eine ſolche finden wir zuerſt bei den Griechen, und bei dieſen beginnt daher unſere Kenntnis von der Wegebaukunſt der Alten. In Hellas waren es die die Tempel und heiligen Ortſchaften untereinander und mit der Küſte in Verbindung ſetzenden heiligen Straßen, welche uns zuerſt das Bild einer Kunſtſtraße darbieten. Was dieſe heiligen Straßen uns ſo außerordentlich intereſſant erſcheinen läßt, das iſt der Umſtand, daß in ihnen uns das Urbild unſerer modernen Spurbahnen, der Straßen- und der Eiſenbahnen, aus dem Dunkel der Anfänge der Geſchichtsſchreibung entgegen tritt. Um nämlich den Widerſtand des auf der Erdoberfläche dahin bewegten Fahrzeuges auf das Äußerſte zu beſchränken, legten ſchon die Griechen für jedes Wagenrad ein beſonderes Gleis, eine beſondere Fahrbahn an, welche entweder in den Fels eingearbeitet oder in dem lockeren Erdreiche durch Pflaſterung wohl befeſtigt wurde; die hierbei zur An- wendung kommende Spurweite betrug durchgängig etwa 1,625 Meter. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte faſt völlig in Vergeſſenheit ge- raten, ſollte dieſe alte Bauart der Hellenen erſt wieder gegen Ende des vorigen und im Laufe des jetzigen Jahrhunderts in unſeren Eiſen- und Pferdebahnen von neuem zu Ehren und zu weitgehendſter Anwendung kommen. Wie Curtius in ſeiner klaſſiſchen Abhandlung „Geſchichte des Wege- baues bei den Griechen“ mitteilt, unterſchied man beſtimmt zwiſchen der im loſen Erdreiche ſich bildenden Fahrſpur, der ἁρματροχία und dem künſtlich angelegten, durch Pflaſterung befeſtigten Gleiſe, dem ἴχνος. So wurden die Wagen in feſt vorgeſchriebener Bahn dahingezogen. Begegneten ſich zwei Fuhrwerke, ſo machte dieſes erheblich mehr Schwierigkeiten, als bei den jetzigen glatten Fahrſtraßen, da die Räder die tiefen Gleiſe verlaſſen und eine gewiſſe Wegeslänge auf weichem, unbefeſtigtem Boden zurücklegen mußten. Auch dieſem Umſtande hat man bereits bei den heiligen Straßen Griechenlands Rechnung getragen, indem in gewiſſen Abſtänden ſogenannte ἓκτροπαι, d. h. Ausweichungen angeordnet waren, welche im Bogen nach rechts und links abzweigten und ſo die ſich begegnenden Fuhrwerke aneinander vorüberführten. Wem fällt hier nicht das Geſchick des Ödipus ein, der in einem wegen des Ausweichens auf offener Heerſtraße entbrannten Streite zum Mörder des Vaters wurde? — Auch dieſe altgriechiſchen ἓκτροπαι treten uns in den Weichen unſerer Eiſenbahnen in moderner Umgeſtaltung wiederum entgegen. Das Verdienſt, den Wegebau der weiteren und durchgreifenden Vervollkommnung entgegengeführt zu haben, gebührt den Römern. In richtiger Erkenntnis der hohen Wichtigkeit guter Straßen für die Beherrſchung der von ihnen eroberten gewaltigen Ländermaſſen, ließen

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 718. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/736>, abgerufen am 22.11.2024.