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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Der Bau der Eisenbahnen.
auf 1 : 20. Ist mit Hülfe dieser Steigungen die Bahn nicht zu er-
bauen, so muß man das gewöhnliche Eisenbahnsystem mit glatten
Schienen verlassen und zum Bau einer Zahnradbahn oder Seilbahn,
oder einer Kombinierung dieser Systeme schreiten.

Der den Bau einer Eisenbahn projektierende Ingenieur ist durch
diese Rücksichten außerordentlich gebunden im Vergleich zu seinen den
Wegebau betreibenden Kollegen. Es ist dieses aber eine Folge des
Wesens der Schienenbahn, und man muß daher bei dem Bau derselben
gewaltige Bauwerke, Einschnitte, Aufschüttungen, Tunnels, Brücken u. s. w.
ausführen, um die oben angegebenen Krümmungsradien und Steigungen
nicht zu überschreiten.

Die größten Hindernisse bilden die hohen Gebirge, sowie die großen
Flüsse und Meeresarme: erstere müssen durchtunnelt werden, letztere
bezwingt man dadurch, daß entweder gewaltige, früher für unmöglich
gehaltene Brückenbauten ausgeführt werden, oder daß man den Eisen-
bahnzug auf großen Dampfschiffen, sogenannten Trajektdampfern, über
das Wasser transportiert.

Von den Tunnels sind die großartigsten der Mont Cenis-Tunnel
von 12,2 Kilometer Länge, eröffnet am 17. September 1871, der
St. Gotthard-Tunnel von 15 Kilometer Länge, eröffnet im Juni 1882,
und der Arlberg-Tunnel von 10,25 Kilometer Länge, eröffnet im
Jahre 1884.

Auf dem Gebiete des Brückenbaues hat die Einführung der Eisen-
bahnen eine vollständig neue Ära herbeigeführt. Hatte in früheren
Jahrhunderten bei der Verwendung von Holz und Stein schon die
Uberbrückung kleiner Ströme ein erhebliches Maß von Zeit und Arbeit
erfordert, so brachte das Zeitalter des Dampfes auch hier alsbald
einen derartigen Aufschwung, daß bereits ein ernstgemeintes Projekt einer
Überbrückung des Kanals zwischen England und Frankreich auftauchen
konnte. Es ist dieses in erster Linie eine Folge der Einführung des
Schmiedeeisens und des Stahles in die Brückenbautechnik.

Als den gewaltigsten Repräsentanten dieses Teiles des Eisenbahn-
wesens lassen wir nachstehend die über den Firth of Forth bei Edin-
burg vor wenigen Jahren erbaute Brücke folgen. Der Umstand, daß
dieses gewaltige Werk überhaupt unternommen und ausgeführt wurde,
ist eine lebendige Illustration für den Wert, welchen gegenwärtig die
Zeit in unserem Leben besitzt, da der durch die Brücke beseitigte Umweg
nur 40 Kilometer, das Anlagekapital dagegen 2325000 Pfund Sterling
betrug.

Die Forth-Brücke ist erbaut von den Ingenieuren Sir John
Fowler und Benjamin Baker; die Überspannung des einen zahlreichen
Schiffsverkehr aufweisenden Meeresarmes geschieht in 2 kolossalen
Öffnungen von je 521,2 m lichter Weite. Als erschwerend für die
Ausführung der Brücke kam in Betracht, daß dieselbe wegen der Schiffahrt
sowie wegen der Tiefe des Wassers (60 m) ohne irgend welche Rüstung

Der Bau der Eiſenbahnen.
auf 1 : 20. Iſt mit Hülfe dieſer Steigungen die Bahn nicht zu er-
bauen, ſo muß man das gewöhnliche Eiſenbahnſyſtem mit glatten
Schienen verlaſſen und zum Bau einer Zahnradbahn oder Seilbahn,
oder einer Kombinierung dieſer Syſteme ſchreiten.

Der den Bau einer Eiſenbahn projektierende Ingenieur iſt durch
dieſe Rückſichten außerordentlich gebunden im Vergleich zu ſeinen den
Wegebau betreibenden Kollegen. Es iſt dieſes aber eine Folge des
Weſens der Schienenbahn, und man muß daher bei dem Bau derſelben
gewaltige Bauwerke, Einſchnitte, Aufſchüttungen, Tunnels, Brücken u. ſ. w.
ausführen, um die oben angegebenen Krümmungsradien und Steigungen
nicht zu überſchreiten.

Die größten Hinderniſſe bilden die hohen Gebirge, ſowie die großen
Flüſſe und Meeresarme: erſtere müſſen durchtunnelt werden, letztere
bezwingt man dadurch, daß entweder gewaltige, früher für unmöglich
gehaltene Brückenbauten ausgeführt werden, oder daß man den Eiſen-
bahnzug auf großen Dampfſchiffen, ſogenannten Trajektdampfern, über
das Waſſer transportiert.

Von den Tunnels ſind die großartigſten der Mont Cenis-Tunnel
von 12,2 Kilometer Länge, eröffnet am 17. September 1871, der
St. Gotthard-Tunnel von 15 Kilometer Länge, eröffnet im Juni 1882,
und der Arlberg-Tunnel von 10,25 Kilometer Länge, eröffnet im
Jahre 1884.

Auf dem Gebiete des Brückenbaues hat die Einführung der Eiſen-
bahnen eine vollſtändig neue Ära herbeigeführt. Hatte in früheren
Jahrhunderten bei der Verwendung von Holz und Stein ſchon die
Uberbrückung kleiner Ströme ein erhebliches Maß von Zeit und Arbeit
erfordert, ſo brachte das Zeitalter des Dampfes auch hier alsbald
einen derartigen Aufſchwung, daß bereits ein ernſtgemeintes Projekt einer
Überbrückung des Kanals zwiſchen England und Frankreich auftauchen
konnte. Es iſt dieſes in erſter Linie eine Folge der Einführung des
Schmiedeeiſens und des Stahles in die Brückenbautechnik.

Als den gewaltigſten Repräſentanten dieſes Teiles des Eiſenbahn-
weſens laſſen wir nachſtehend die über den Firth of Forth bei Edin-
burg vor wenigen Jahren erbaute Brücke folgen. Der Umſtand, daß
dieſes gewaltige Werk überhaupt unternommen und ausgeführt wurde,
iſt eine lebendige Illuſtration für den Wert, welchen gegenwärtig die
Zeit in unſerem Leben beſitzt, da der durch die Brücke beſeitigte Umweg
nur 40 Kilometer, das Anlagekapital dagegen 2325000 Pfund Sterling
betrug.

Die Forth-Brücke iſt erbaut von den Ingenieuren Sir John
Fowler und Benjamin Baker; die Überſpannung des einen zahlreichen
Schiffsverkehr aufweiſenden Meeresarmes geſchieht in 2 koloſſalen
Öffnungen von je 521,2 m lichter Weite. Als erſchwerend für die
Ausführung der Brücke kam in Betracht, daß dieſelbe wegen der Schiffahrt
ſowie wegen der Tiefe des Waſſers (60 m) ohne irgend welche Rüſtung

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[749/0767] Der Bau der Eiſenbahnen. auf 1 : 20. Iſt mit Hülfe dieſer Steigungen die Bahn nicht zu er- bauen, ſo muß man das gewöhnliche Eiſenbahnſyſtem mit glatten Schienen verlaſſen und zum Bau einer Zahnradbahn oder Seilbahn, oder einer Kombinierung dieſer Syſteme ſchreiten. Der den Bau einer Eiſenbahn projektierende Ingenieur iſt durch dieſe Rückſichten außerordentlich gebunden im Vergleich zu ſeinen den Wegebau betreibenden Kollegen. Es iſt dieſes aber eine Folge des Weſens der Schienenbahn, und man muß daher bei dem Bau derſelben gewaltige Bauwerke, Einſchnitte, Aufſchüttungen, Tunnels, Brücken u. ſ. w. ausführen, um die oben angegebenen Krümmungsradien und Steigungen nicht zu überſchreiten. Die größten Hinderniſſe bilden die hohen Gebirge, ſowie die großen Flüſſe und Meeresarme: erſtere müſſen durchtunnelt werden, letztere bezwingt man dadurch, daß entweder gewaltige, früher für unmöglich gehaltene Brückenbauten ausgeführt werden, oder daß man den Eiſen- bahnzug auf großen Dampfſchiffen, ſogenannten Trajektdampfern, über das Waſſer transportiert. Von den Tunnels ſind die großartigſten der Mont Cenis-Tunnel von 12,2 Kilometer Länge, eröffnet am 17. September 1871, der St. Gotthard-Tunnel von 15 Kilometer Länge, eröffnet im Juni 1882, und der Arlberg-Tunnel von 10,25 Kilometer Länge, eröffnet im Jahre 1884. Auf dem Gebiete des Brückenbaues hat die Einführung der Eiſen- bahnen eine vollſtändig neue Ära herbeigeführt. Hatte in früheren Jahrhunderten bei der Verwendung von Holz und Stein ſchon die Uberbrückung kleiner Ströme ein erhebliches Maß von Zeit und Arbeit erfordert, ſo brachte das Zeitalter des Dampfes auch hier alsbald einen derartigen Aufſchwung, daß bereits ein ernſtgemeintes Projekt einer Überbrückung des Kanals zwiſchen England und Frankreich auftauchen konnte. Es iſt dieſes in erſter Linie eine Folge der Einführung des Schmiedeeiſens und des Stahles in die Brückenbautechnik. Als den gewaltigſten Repräſentanten dieſes Teiles des Eiſenbahn- weſens laſſen wir nachſtehend die über den Firth of Forth bei Edin- burg vor wenigen Jahren erbaute Brücke folgen. Der Umſtand, daß dieſes gewaltige Werk überhaupt unternommen und ausgeführt wurde, iſt eine lebendige Illuſtration für den Wert, welchen gegenwärtig die Zeit in unſerem Leben beſitzt, da der durch die Brücke beſeitigte Umweg nur 40 Kilometer, das Anlagekapital dagegen 2325000 Pfund Sterling betrug. Die Forth-Brücke iſt erbaut von den Ingenieuren Sir John Fowler und Benjamin Baker; die Überſpannung des einen zahlreichen Schiffsverkehr aufweiſenden Meeresarmes geſchieht in 2 koloſſalen Öffnungen von je 521,2 m lichter Weite. Als erſchwerend für die Ausführung der Brücke kam in Betracht, daß dieſelbe wegen der Schiffahrt ſowie wegen der Tiefe des Waſſers (60 m) ohne irgend welche Rüſtung

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 749. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/767>, abgerufen am 22.11.2024.