Jedenfalls gehörte ein besonderer Mut dazu, zuerst sich dem un- zuverlässigen Element auf schwankendem Fahrzeuge anzuvertrauen:
Illi robur et aes triplex Circum pectus erat, qui fragilem truci Commisit pelago ratem Primus.*)
Die zunächst zu Wasser sich darbietenden Verkehrsstraßen waren jedenfalls die schiffbaren Flüsse, auf deren Rücken schon im frühesten Altertum der Handelsverkehr sich entspann. Es war dann ein großer Fortschritt, als man auch begann das Meer zu durchkreuzen und die entlegenen Küsten der Anwohner aufzusuchen.
Erforderte der Verkehr auf den Flüssen nur in untergeordnetem Maße den Bau besonderer Verkehrseinrichtungen, so war dieses bei dem Meere in bedeutend höherem Maße der Fall. Hier galt es, Häfen zu bauen für die sichere Unterkunft zu Zeiten von Stürmen. Die Landungseinrichtungen mußten sich dem verschiedenen Stande von Ebbe und Flut anpassen.
Ganz besonders aber zeitigte der Verkehr auf dem Meere bereits in den frühesten Zeiten eine genaue Kenntnis des Himmels und seiner Gestirne und eine Ausbildung des Signalwesens. Nach dieser Rich- tung giebt uns folgende Stelle aus dem neunzehnten Gesange von Homers Ilias den ersten Anhalt:
"Wie wenn draußen im Meere der Glanz herleuchtet den Schiffern Von aufloderndem Feuer, das hoch am Berge entflammet, Brennt in einsamer Hürd', indes mit Gewalt sie der Sturmwind Durch fischwimmelnde Fluten entfernt von dem Freunde hinwegträgt."
Die letzte Art der Wasserwege, die künstlich hergestellten Kanäle, beginnt gerade in der Neuzeit eine erhöhte Bedeutung zu gewinnen, und man sieht in allen Kulturländern der Erde mächtige Kanalanlagen entstehen.
Will man die Aufgabe, welche den Kanälen in der Gegenwart zufällt, kurz bezeichnen, so kann man dieselbe -- abgesehen von den außergewöhnlichen Verhältnissen des Suezkanals, des Nord-Ostseekanals, desjenigen durch den Isthmus von Korinth -- dahin präcisieren, daß im allgemeinen den Kanälen der Transport der Rohstoffe, den Eisen- bahnen dagegen der Transport der fertigen Produkte zufällt.
Die Zahl der im Betriebe befindlichen Schiffahrtskanäle wäre un- streitig eine bedeutend größere, wenn denselben nicht verschiedene, be- sonders schwerwiegende Mängel anhafteten. Neben der Beschaffung der nötigen Wassermenge und neben der langsamen Beförderung der zu transportierenden Güter ist es besonders die Schwierigkeit, die Höhenzüge der Gebirge mit Kanälen zu überschreiten, welche natur- gemäß in vielen Fällen hindernd in den Weg treten und nicht um-
*)Horaz. Carm. I 3.
Die Waſſerwege.
Jedenfalls gehörte ein beſonderer Mut dazu, zuerſt ſich dem un- zuverläſſigen Element auf ſchwankendem Fahrzeuge anzuvertrauen:
Illi robur et aes triplex Circum pectus erat, qui fragilem truci Commisit pelago ratem Primus.*)
Die zunächſt zu Waſſer ſich darbietenden Verkehrsſtraßen waren jedenfalls die ſchiffbaren Flüſſe, auf deren Rücken ſchon im früheſten Altertum der Handelsverkehr ſich entſpann. Es war dann ein großer Fortſchritt, als man auch begann das Meer zu durchkreuzen und die entlegenen Küſten der Anwohner aufzuſuchen.
Erforderte der Verkehr auf den Flüſſen nur in untergeordnetem Maße den Bau beſonderer Verkehrseinrichtungen, ſo war dieſes bei dem Meere in bedeutend höherem Maße der Fall. Hier galt es, Häfen zu bauen für die ſichere Unterkunft zu Zeiten von Stürmen. Die Landungseinrichtungen mußten ſich dem verſchiedenen Stande von Ebbe und Flut anpaſſen.
Ganz beſonders aber zeitigte der Verkehr auf dem Meere bereits in den früheſten Zeiten eine genaue Kenntnis des Himmels und ſeiner Geſtirne und eine Ausbildung des Signalweſens. Nach dieſer Rich- tung giebt uns folgende Stelle aus dem neunzehnten Geſange von Homers Ilias den erſten Anhalt:
„Wie wenn draußen im Meere der Glanz herleuchtet den Schiffern Von aufloderndem Feuer, das hoch am Berge entflammet, Brennt in einſamer Hürd’, indes mit Gewalt ſie der Sturmwind Durch fiſchwimmelnde Fluten entfernt von dem Freunde hinwegträgt.“
Die letzte Art der Waſſerwege, die künſtlich hergeſtellten Kanäle, beginnt gerade in der Neuzeit eine erhöhte Bedeutung zu gewinnen, und man ſieht in allen Kulturländern der Erde mächtige Kanalanlagen entſtehen.
Will man die Aufgabe, welche den Kanälen in der Gegenwart zufällt, kurz bezeichnen, ſo kann man dieſelbe — abgeſehen von den außergewöhnlichen Verhältniſſen des Suezkanals, des Nord-Oſtſeekanals, desjenigen durch den Iſthmus von Korinth — dahin präciſieren, daß im allgemeinen den Kanälen der Transport der Rohſtoffe, den Eiſen- bahnen dagegen der Transport der fertigen Produkte zufällt.
Die Zahl der im Betriebe befindlichen Schiffahrtskanäle wäre un- ſtreitig eine bedeutend größere, wenn denſelben nicht verſchiedene, be- ſonders ſchwerwiegende Mängel anhafteten. Neben der Beſchaffung der nötigen Waſſermenge und neben der langſamen Beförderung der zu transportierenden Güter iſt es beſonders die Schwierigkeit, die Höhenzüge der Gebirge mit Kanälen zu überſchreiten, welche natur- gemäß in vielen Fällen hindernd in den Weg treten und nicht um-
*)Horaz. Carm. I 3.
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Die Waſſerwege.
Jedenfalls gehörte ein beſonderer Mut dazu, zuerſt ſich dem un-
zuverläſſigen Element auf ſchwankendem Fahrzeuge anzuvertrauen:
Illi robur et aes triplex
Circum pectus erat, qui fragilem truci
Commisit pelago ratem
Primus. *)
Die zunächſt zu Waſſer ſich darbietenden Verkehrsſtraßen waren
jedenfalls die ſchiffbaren Flüſſe, auf deren Rücken ſchon im früheſten
Altertum der Handelsverkehr ſich entſpann. Es war dann ein großer
Fortſchritt, als man auch begann das Meer zu durchkreuzen und die
entlegenen Küſten der Anwohner aufzuſuchen.
Erforderte der Verkehr auf den Flüſſen nur in untergeordnetem
Maße den Bau beſonderer Verkehrseinrichtungen, ſo war dieſes bei
dem Meere in bedeutend höherem Maße der Fall. Hier galt es, Häfen
zu bauen für die ſichere Unterkunft zu Zeiten von Stürmen. Die
Landungseinrichtungen mußten ſich dem verſchiedenen Stande von Ebbe
und Flut anpaſſen.
Ganz beſonders aber zeitigte der Verkehr auf dem Meere bereits
in den früheſten Zeiten eine genaue Kenntnis des Himmels und ſeiner
Geſtirne und eine Ausbildung des Signalweſens. Nach dieſer Rich-
tung giebt uns folgende Stelle aus dem neunzehnten Geſange von
Homers Ilias den erſten Anhalt:
„Wie wenn draußen im Meere der Glanz herleuchtet den Schiffern
Von aufloderndem Feuer, das hoch am Berge entflammet,
Brennt in einſamer Hürd’, indes mit Gewalt ſie der Sturmwind
Durch fiſchwimmelnde Fluten entfernt von dem Freunde hinwegträgt.“
Die letzte Art der Waſſerwege, die künſtlich hergeſtellten Kanäle,
beginnt gerade in der Neuzeit eine erhöhte Bedeutung zu gewinnen,
und man ſieht in allen Kulturländern der Erde mächtige Kanalanlagen
entſtehen.
Will man die Aufgabe, welche den Kanälen in der Gegenwart
zufällt, kurz bezeichnen, ſo kann man dieſelbe — abgeſehen von den
außergewöhnlichen Verhältniſſen des Suezkanals, des Nord-Oſtſeekanals,
desjenigen durch den Iſthmus von Korinth — dahin präciſieren, daß
im allgemeinen den Kanälen der Transport der Rohſtoffe, den Eiſen-
bahnen dagegen der Transport der fertigen Produkte zufällt.
Die Zahl der im Betriebe befindlichen Schiffahrtskanäle wäre un-
ſtreitig eine bedeutend größere, wenn denſelben nicht verſchiedene, be-
ſonders ſchwerwiegende Mängel anhafteten. Neben der Beſchaffung
der nötigen Waſſermenge und neben der langſamen Beförderung der
zu transportierenden Güter iſt es beſonders die Schwierigkeit, die
Höhenzüge der Gebirge mit Kanälen zu überſchreiten, welche natur-
gemäß in vielen Fällen hindernd in den Weg treten und nicht um-
*) Horaz. Carm. I 3.
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 775. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/793>, abgerufen am 22.11.2024.
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