kommt meist mit undurchsichtiger weißer Glasur versehen zurück. Man malt die Fayence vor und nach der Glasur. Man verwendet sie zu allen möglichen Geschirren. Doch ist die ordinäre Ware, der z. B. die Ofen- kacheln angehören, wegen ihrer geringen Widerstandskraft für Koch- geschirre nicht zu benutzen. Unter Majolika versteht man heutzutage die verschiedensten Gattungen der minderwertigen Fayencesorten.
Ihre Verwertung zu künstlerischen Erzeugnissen läßt sich bis zu der Zeit der arabischen Herrschaft in Iberien zurückführen. Die Wände des gewaltigsten Restes maurischer Baukunst, der Alhambra, sind mit bunten Fliesen bedeckt, ebenso wie die morgenländischen Moscheen. Das sind Fayencen, welche mit Zinnglasur bedeckt und mit eingebrannten Farben bemalt sind. Die Kunst der Fayencemalerei wurde um den Ausgang des Mittelalters immer mehr verbreitet und ausgebildet. In Deutschland waren es vor allem Veit Hirschvogel und seine Söhne in Nürnberg, deren Hirschvogelkrüge und kunstvolle Ofenkacheln um die Wende des 16. Jahrhunderts berühmt waren. Man malte glatte Stücke oder Reliefs und gab diesen beim Brande der Emailleglasur die warmen Töne, die wir noch heute bei ihnen bewundern. Ihnen ahmte der Franzose Palissy nach und übertraf sie sogar in der Technik der Farbengebung. Die französischen Fayencen waren während der folgenden Jahrhunderte, immer unter der Anregung der orientalischen Völker stehend, die schönsten. Als in der Holländerzeit die chinesischen Produkte in Europa bekannter wurden, das Porzellan aber noch nicht erfunden war, gaben jene immer neue Muster für die Entwicklung der verschiedensten Arten der Fayence und ihrer künstlerischen Behandlung. Im vorigen Jahrhundert wurden in Deutschland Blumenmuster und Landschaftsbilder am meisten gepflegt. Heutzutage pflegt die Kunst- industrie die Majoliken, wiewohl gerade in den letzten Jahren in der Porzellanmalerei die größten Fortschritte gemacht sind, nur noch mehr, denn es läßt sich mit dieser nie die Wärme der Tongebung erreichen, welche den Majoliken eigen ist. Diese sind unserm Geschmack etwa in demselben Maße mehr angepaßt, wie uns der Kupferstich mehr als der Stahlstich gefällt. Fayenceteller von Deck in Paris werden mit 2000 bis 4000 Francs bezahlt.
Von der stolzen Höhe der Kunst steigen wir zur Fabrikation der ordinärsten aller Thonwaren, des Töpfergeschirrs, herab. Wenn wir von den Blumentöpfen absehen, an denen wir so recht die poröse Struktur des Scherbens erkennen können, so sind alle diese Waren mit einer leider bleihaltigen Glasur überzogen. Man kann alle möglichen, noch so unreinen Thone zu diesem Geschirr brennen, erhält aber eine feuerbeständige Ware -- das Bunzlauer Geschirr -- nur, wenn die- selben nicht zu viele Beimengungen enthalten. Man nennt diesen Zweig der Thonindustrie die Brauntöpferei und bezeichnet mit Weiß- töpferei denjenigen, welcher die schlechtesten Küchengeschirre liefert. Die Farbe erhalten die auf der Töpferscheibe geformten Gegenstände,
Die Thonwaren.
kommt meiſt mit undurchſichtiger weißer Glaſur verſehen zurück. Man malt die Fayence vor und nach der Glaſur. Man verwendet ſie zu allen möglichen Geſchirren. Doch iſt die ordinäre Ware, der z. B. die Ofen- kacheln angehören, wegen ihrer geringen Widerſtandskraft für Koch- geſchirre nicht zu benutzen. Unter Majolika verſteht man heutzutage die verſchiedenſten Gattungen der minderwertigen Fayenceſorten.
Ihre Verwertung zu künſtleriſchen Erzeugniſſen läßt ſich bis zu der Zeit der arabiſchen Herrſchaft in Iberien zurückführen. Die Wände des gewaltigſten Reſtes mauriſcher Baukunſt, der Alhambra, ſind mit bunten Flieſen bedeckt, ebenſo wie die morgenländiſchen Moſcheen. Das ſind Fayencen, welche mit Zinnglaſur bedeckt und mit eingebrannten Farben bemalt ſind. Die Kunſt der Fayencemalerei wurde um den Ausgang des Mittelalters immer mehr verbreitet und ausgebildet. In Deutſchland waren es vor allem Veit Hirſchvogel und ſeine Söhne in Nürnberg, deren Hirſchvogelkrüge und kunſtvolle Ofenkacheln um die Wende des 16. Jahrhunderts berühmt waren. Man malte glatte Stücke oder Reliefs und gab dieſen beim Brande der Emailleglaſur die warmen Töne, die wir noch heute bei ihnen bewundern. Ihnen ahmte der Franzoſe Paliſſy nach und übertraf ſie ſogar in der Technik der Farbengebung. Die franzöſiſchen Fayencen waren während der folgenden Jahrhunderte, immer unter der Anregung der orientaliſchen Völker ſtehend, die ſchönſten. Als in der Holländerzeit die chineſiſchen Produkte in Europa bekannter wurden, das Porzellan aber noch nicht erfunden war, gaben jene immer neue Muſter für die Entwicklung der verſchiedenſten Arten der Fayence und ihrer künſtleriſchen Behandlung. Im vorigen Jahrhundert wurden in Deutſchland Blumenmuſter und Landſchaftsbilder am meiſten gepflegt. Heutzutage pflegt die Kunſt- induſtrie die Majoliken, wiewohl gerade in den letzten Jahren in der Porzellanmalerei die größten Fortſchritte gemacht ſind, nur noch mehr, denn es läßt ſich mit dieſer nie die Wärme der Tongebung erreichen, welche den Majoliken eigen iſt. Dieſe ſind unſerm Geſchmack etwa in demſelben Maße mehr angepaßt, wie uns der Kupferſtich mehr als der Stahlſtich gefällt. Fayenceteller von Deck in Paris werden mit 2000 bis 4000 Francs bezahlt.
Von der ſtolzen Höhe der Kunſt ſteigen wir zur Fabrikation der ordinärſten aller Thonwaren, des Töpfergeſchirrs, herab. Wenn wir von den Blumentöpfen abſehen, an denen wir ſo recht die poröſe Struktur des Scherbens erkennen können, ſo ſind alle dieſe Waren mit einer leider bleihaltigen Glaſur überzogen. Man kann alle möglichen, noch ſo unreinen Thone zu dieſem Geſchirr brennen, erhält aber eine feuerbeſtändige Ware — das Bunzlauer Geſchirr — nur, wenn die- ſelben nicht zu viele Beimengungen enthalten. Man nennt dieſen Zweig der Thoninduſtrie die Brauntöpferei und bezeichnet mit Weiß- töpferei denjenigen, welcher die ſchlechteſten Küchengeſchirre liefert. Die Farbe erhalten die auf der Töpferſcheibe geformten Gegenſtände,
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Die Thonwaren.
kommt meiſt mit undurchſichtiger weißer Glaſur verſehen zurück. Man
malt die Fayence vor und nach der Glaſur. Man verwendet ſie zu allen
möglichen Geſchirren. Doch iſt die ordinäre Ware, der z. B. die Ofen-
kacheln angehören, wegen ihrer geringen Widerſtandskraft für Koch-
geſchirre nicht zu benutzen. Unter Majolika verſteht man heutzutage
die verſchiedenſten Gattungen der minderwertigen Fayenceſorten.
Ihre Verwertung zu künſtleriſchen Erzeugniſſen läßt ſich bis zu
der Zeit der arabiſchen Herrſchaft in Iberien zurückführen. Die Wände
des gewaltigſten Reſtes mauriſcher Baukunſt, der Alhambra, ſind mit
bunten Flieſen bedeckt, ebenſo wie die morgenländiſchen Moſcheen. Das
ſind Fayencen, welche mit Zinnglaſur bedeckt und mit eingebrannten
Farben bemalt ſind. Die Kunſt der Fayencemalerei wurde um den
Ausgang des Mittelalters immer mehr verbreitet und ausgebildet. In
Deutſchland waren es vor allem Veit Hirſchvogel und ſeine Söhne in
Nürnberg, deren Hirſchvogelkrüge und kunſtvolle Ofenkacheln um die
Wende des 16. Jahrhunderts berühmt waren. Man malte glatte Stücke
oder Reliefs und gab dieſen beim Brande der Emailleglaſur die warmen
Töne, die wir noch heute bei ihnen bewundern. Ihnen ahmte der
Franzoſe Paliſſy nach und übertraf ſie ſogar in der Technik der
Farbengebung. Die franzöſiſchen Fayencen waren während der
folgenden Jahrhunderte, immer unter der Anregung der orientaliſchen
Völker ſtehend, die ſchönſten. Als in der Holländerzeit die chineſiſchen
Produkte in Europa bekannter wurden, das Porzellan aber noch nicht
erfunden war, gaben jene immer neue Muſter für die Entwicklung der
verſchiedenſten Arten der Fayence und ihrer künſtleriſchen Behandlung.
Im vorigen Jahrhundert wurden in Deutſchland Blumenmuſter und
Landſchaftsbilder am meiſten gepflegt. Heutzutage pflegt die Kunſt-
induſtrie die Majoliken, wiewohl gerade in den letzten Jahren in der
Porzellanmalerei die größten Fortſchritte gemacht ſind, nur noch mehr,
denn es läßt ſich mit dieſer nie die Wärme der Tongebung erreichen,
welche den Majoliken eigen iſt. Dieſe ſind unſerm Geſchmack etwa in
demſelben Maße mehr angepaßt, wie uns der Kupferſtich mehr als
der Stahlſtich gefällt. Fayenceteller von Deck in Paris werden mit
2000 bis 4000 Francs bezahlt.
Von der ſtolzen Höhe der Kunſt ſteigen wir zur Fabrikation der
ordinärſten aller Thonwaren, des Töpfergeſchirrs, herab. Wenn wir
von den Blumentöpfen abſehen, an denen wir ſo recht die poröſe
Struktur des Scherbens erkennen können, ſo ſind alle dieſe Waren mit
einer leider bleihaltigen Glaſur überzogen. Man kann alle möglichen,
noch ſo unreinen Thone zu dieſem Geſchirr brennen, erhält aber eine
feuerbeſtändige Ware — das Bunzlauer Geſchirr — nur, wenn die-
ſelben nicht zu viele Beimengungen enthalten. Man nennt dieſen
Zweig der Thoninduſtrie die Brauntöpferei und bezeichnet mit Weiß-
töpferei denjenigen, welcher die ſchlechteſten Küchengeſchirre liefert.
Die Farbe erhalten die auf der Töpferſcheibe geformten Gegenſtände,
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 882. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/900>, abgerufen am 24.11.2024.
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