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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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IX. Die optischen Instrumente.

1. Die Spiegelung des Lichtes.

Welche Empfindung mag jenes Urmenschen Herz durchzogen haben,
der am Rande des frisch sprudelnden Quells ruhend zum erstenmale
verwundert sein Ebenbild im Wasser erblickte -- und welch' eine Fülle
von geistiger Arbeit in jahrhundertelangem Sinnen mußte aufgewendet
werden, ehe die erste spiegelnde Fläche geschaffen war, welche dem
eitlen Drang des Menschenherzens Genüge that?! Es war zweifellos
ein gewaltiger Schritt in der kulturellen Entwicklung des Menschen-
geschlechtes, der durch die Erfindung des Spiegels bezeichnet wird, --
und doch blieben die Vorstellungen von dem geheimnisvollen Etwas,
das zum Sehen unbedingt notwendig ist, weit entfernt von geistiger
Klarheit. Erst verhältnismäßig spät mag die Vorstellung, daß vom
Auge gewissermaßen unsichtbare Fühler ausgingen, welche die gleichsam
tastend empfangenen Eindrücke unserem Vorstellungsvermögen über-
mitteln, in den Köpfen der alten Philosophen aufgetaucht sein, um
schließlich derjenigen Anschauung Platz zu machen, welche den Vorgang
des Sehens auf die Bewegung eines unsichtbaren Mediums zurück-
führte. So richtig an sich die letztere Deutung war -- die An-
schauung, welche man damit verband, war falsch; sollten doch von
dem leuchtenden Körper nach allen Richtungen Stoffteilchen ausgesendet
werden, die wie Pfeile auf unser Auge prallen und dort die Empfindung
des Lichtes hervorrufen. Noch Newton verharrte trotz aller Angriffe
auf dem Standpunkte dieser Emanationstheorie. Aber Kepler bereits
äußerte seine Zweifel, und so trat allmählich an die Stelle dieser
Ansicht die von Huyghens 1690 begründete, von Euler energisch
verteidigte Undulations- oder Wellentheorie, die allerdings erst 1854
durch Foucault die rechte Sanktion erhielt und seitdem unbestrittene
Geltung hat.

Nach der Undulationstheorie des Lichtes besteht dieses in Schwin-
gungen des den Weltenraum stetig erfüllenden Äthers, von dessen

IX. Die optiſchen Inſtrumente.

1. Die Spiegelung des Lichtes.

Welche Empfindung mag jenes Urmenſchen Herz durchzogen haben,
der am Rande des friſch ſprudelnden Quells ruhend zum erſtenmale
verwundert ſein Ebenbild im Waſſer erblickte — und welch’ eine Fülle
von geiſtiger Arbeit in jahrhundertelangem Sinnen mußte aufgewendet
werden, ehe die erſte ſpiegelnde Fläche geſchaffen war, welche dem
eitlen Drang des Menſchenherzens Genüge that?! Es war zweifellos
ein gewaltiger Schritt in der kulturellen Entwicklung des Menſchen-
geſchlechtes, der durch die Erfindung des Spiegels bezeichnet wird, —
und doch blieben die Vorſtellungen von dem geheimnisvollen Etwas,
das zum Sehen unbedingt notwendig iſt, weit entfernt von geiſtiger
Klarheit. Erſt verhältnismäßig ſpät mag die Vorſtellung, daß vom
Auge gewiſſermaßen unſichtbare Fühler ausgingen, welche die gleichſam
taſtend empfangenen Eindrücke unſerem Vorſtellungsvermögen über-
mitteln, in den Köpfen der alten Philoſophen aufgetaucht ſein, um
ſchließlich derjenigen Anſchauung Platz zu machen, welche den Vorgang
des Sehens auf die Bewegung eines unſichtbaren Mediums zurück-
führte. So richtig an ſich die letztere Deutung war — die An-
ſchauung, welche man damit verband, war falſch; ſollten doch von
dem leuchtenden Körper nach allen Richtungen Stoffteilchen ausgeſendet
werden, die wie Pfeile auf unſer Auge prallen und dort die Empfindung
des Lichtes hervorrufen. Noch Newton verharrte trotz aller Angriffe
auf dem Standpunkte dieſer Emanationstheorie. Aber Kepler bereits
äußerte ſeine Zweifel, und ſo trat allmählich an die Stelle dieſer
Anſicht die von Huyghens 1690 begründete, von Euler energiſch
verteidigte Undulations- oder Wellentheorie, die allerdings erſt 1854
durch Foucault die rechte Sanktion erhielt und ſeitdem unbeſtrittene
Geltung hat.

Nach der Undulationstheorie des Lichtes beſteht dieſes in Schwin-
gungen des den Weltenraum ſtetig erfüllenden Äthers, von deſſen

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[[884]/0902] IX. Die optiſchen Inſtrumente. 1. Die Spiegelung des Lichtes. Welche Empfindung mag jenes Urmenſchen Herz durchzogen haben, der am Rande des friſch ſprudelnden Quells ruhend zum erſtenmale verwundert ſein Ebenbild im Waſſer erblickte — und welch’ eine Fülle von geiſtiger Arbeit in jahrhundertelangem Sinnen mußte aufgewendet werden, ehe die erſte ſpiegelnde Fläche geſchaffen war, welche dem eitlen Drang des Menſchenherzens Genüge that?! Es war zweifellos ein gewaltiger Schritt in der kulturellen Entwicklung des Menſchen- geſchlechtes, der durch die Erfindung des Spiegels bezeichnet wird, — und doch blieben die Vorſtellungen von dem geheimnisvollen Etwas, das zum Sehen unbedingt notwendig iſt, weit entfernt von geiſtiger Klarheit. Erſt verhältnismäßig ſpät mag die Vorſtellung, daß vom Auge gewiſſermaßen unſichtbare Fühler ausgingen, welche die gleichſam taſtend empfangenen Eindrücke unſerem Vorſtellungsvermögen über- mitteln, in den Köpfen der alten Philoſophen aufgetaucht ſein, um ſchließlich derjenigen Anſchauung Platz zu machen, welche den Vorgang des Sehens auf die Bewegung eines unſichtbaren Mediums zurück- führte. So richtig an ſich die letztere Deutung war — die An- ſchauung, welche man damit verband, war falſch; ſollten doch von dem leuchtenden Körper nach allen Richtungen Stoffteilchen ausgeſendet werden, die wie Pfeile auf unſer Auge prallen und dort die Empfindung des Lichtes hervorrufen. Noch Newton verharrte trotz aller Angriffe auf dem Standpunkte dieſer Emanationstheorie. Aber Kepler bereits äußerte ſeine Zweifel, und ſo trat allmählich an die Stelle dieſer Anſicht die von Huyghens 1690 begründete, von Euler energiſch verteidigte Undulations- oder Wellentheorie, die allerdings erſt 1854 durch Foucault die rechte Sanktion erhielt und ſeitdem unbeſtrittene Geltung hat. Nach der Undulationstheorie des Lichtes beſteht dieſes in Schwin- gungen des den Weltenraum ſtetig erfüllenden Äthers, von deſſen

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. [884]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/902>, abgerufen am 24.11.2024.