Die Erfindung des Mikroskops, für welche mehrere Nationen die Priorität in Anspruch nehmen, dürfte vermutlich nur wenige Jahre nach der Erfindung des Fernrohrs anzusetzen sein; zweifellos aber ist sie durch die Erfindung der Brillen angebahnt worden, welche Armati aus Florenz das Dasein verdanken sollen, und von denen die erste authentische Mitteilung aus dem Jahre 1299 stammt. Bisher ist es nicht möglich gewesen, den zeitweilig mit großer Erbitterung ge- führten Prioritätsstreit zu Gunsten des einen oder anderen Volkes einer glücklichen Lösung entgegenzuführen; nur soviel steht fest, gleichviel ob dieselbe nun von Jansen oder Drebbel oder Lippershey gemacht sein mag, daß Galilei um 1620 wesentlich dazu beigetragen hat, die wichtige Erfindung in weiteren Kreisen bekannt zu geben. Zu der un- geahnten Bedeutung, welche das Mikroskop heutzutage erlangt hat, konnte es trotz aller Bemühungen des Optikers erst gelangen, seitdem man entgegen der von Newton vertretenen Ansicht von der Anschauung ausging, daß es möglich sein müsse, die früher so störend auftretenden Fehler der sphärischen und chromatischen Aberration wenigstens an- nähernd zu beseitigen. Um so unentbehrlicher ist das einfache Instru- ment heute nicht bloß für viele Zweige der Technik, sondern auch für die Wissenschaft, und es ist gar nicht abzusehen, welche ungeahnten Aufschlüsse über viele Dinge dem Mikroskop noch vorbehalten sein mögen.
Wie bereits bei den sphärischen Spiegeln andeutungsweise bemerkt wurde, entspricht auch bei den Linsen einem leuchtenden Punkte nicht in aller Strenge ein Bildpunkt, und zwar um so weniger, je größer Krümmung und Öffnung der Linse sind. Die einzelnen Bildkreise, welche infolge der sphärischen Abweichung entstehen, lagern sich demnach teilweise übereinander und lassen das Bild unscharf erscheinen. Daß man durch geeignete Wahl der Krümmungsradien der brechenden Flächen diesem Übelstande begegnen kann, ist im vorstehenden schon angedeutet; man nennt Linsensysteme, welche vom Kugelgestaltfehler frei sind, aplanatische.
Andererseits erzeugt aber auch jede Linse notwendigerweise ein farbiges Bild; denn wenn man sich eine Linse etwa in sehr viele kleine Prismen zerlegt denkt, so erzeugt jedes derselben ein Spektrum. So- weit diese sich aber übereinanderlagern, ergänzen sie sich wieder zu weiß, und nur der äußerste Saum des Bildes kann farbig bleiben. Diese Verhältnisse werden besonders deutlich, wenn wir in dem Vereinigungs- punkt f (Fig. 491) der roten Strahlen einen Schirm aufstellen würden; es ist klar, daß das Bild nach einander die Spektralfarben zeigen und außen mit violett abschließen wird; das Umgekehrte würde in f ein- treten. Ganz analog dem beim Prisma üblichen Verfahren kann man auch hier die chromatische Aberration, von welcher die Spiegel frei sind, dadurch beseitigen, daß man 2 Linsen von verschiedenem Zer- streuungsvermögen, also wieder etwa Kron- und Flintglas, zu einem
Das Mikroſkop.
Die Erfindung des Mikroſkops, für welche mehrere Nationen die Priorität in Anſpruch nehmen, dürfte vermutlich nur wenige Jahre nach der Erfindung des Fernrohrs anzuſetzen ſein; zweifellos aber iſt ſie durch die Erfindung der Brillen angebahnt worden, welche Armati aus Florenz das Daſein verdanken ſollen, und von denen die erſte authentiſche Mitteilung aus dem Jahre 1299 ſtammt. Bisher iſt es nicht möglich geweſen, den zeitweilig mit großer Erbitterung ge- führten Prioritätsſtreit zu Gunſten des einen oder anderen Volkes einer glücklichen Löſung entgegenzuführen; nur ſoviel ſteht feſt, gleichviel ob dieſelbe nun von Janſen oder Drebbel oder Lippershey gemacht ſein mag, daß Galilei um 1620 weſentlich dazu beigetragen hat, die wichtige Erfindung in weiteren Kreiſen bekannt zu geben. Zu der un- geahnten Bedeutung, welche das Mikroſkop heutzutage erlangt hat, konnte es trotz aller Bemühungen des Optikers erſt gelangen, ſeitdem man entgegen der von Newton vertretenen Anſicht von der Anſchauung ausging, daß es möglich ſein müſſe, die früher ſo ſtörend auftretenden Fehler der ſphäriſchen und chromatiſchen Aberration wenigſtens an- nähernd zu beſeitigen. Um ſo unentbehrlicher iſt das einfache Inſtru- ment heute nicht bloß für viele Zweige der Technik, ſondern auch für die Wiſſenſchaft, und es iſt gar nicht abzuſehen, welche ungeahnten Aufſchlüſſe über viele Dinge dem Mikroſkop noch vorbehalten ſein mögen.
Wie bereits bei den ſphäriſchen Spiegeln andeutungsweiſe bemerkt wurde, entſpricht auch bei den Linſen einem leuchtenden Punkte nicht in aller Strenge ein Bildpunkt, und zwar um ſo weniger, je größer Krümmung und Öffnung der Linſe ſind. Die einzelnen Bildkreiſe, welche infolge der ſphäriſchen Abweichung entſtehen, lagern ſich demnach teilweiſe übereinander und laſſen das Bild unſcharf erſcheinen. Daß man durch geeignete Wahl der Krümmungsradien der brechenden Flächen dieſem Übelſtande begegnen kann, iſt im vorſtehenden ſchon angedeutet; man nennt Linſenſyſteme, welche vom Kugelgeſtaltfehler frei ſind, aplanatiſche.
Andererſeits erzeugt aber auch jede Linſe notwendigerweiſe ein farbiges Bild; denn wenn man ſich eine Linſe etwa in ſehr viele kleine Prismen zerlegt denkt, ſo erzeugt jedes derſelben ein Spektrum. So- weit dieſe ſich aber übereinanderlagern, ergänzen ſie ſich wieder zu weiß, und nur der äußerſte Saum des Bildes kann farbig bleiben. Dieſe Verhältniſſe werden beſonders deutlich, wenn wir in dem Vereinigungs- punkt f (Fig. 491) der roten Strahlen einen Schirm aufſtellen würden; es iſt klar, daß das Bild nach einander die Spektralfarben zeigen und außen mit violett abſchließen wird; das Umgekehrte würde in f ein- treten. Ganz analog dem beim Prisma üblichen Verfahren kann man auch hier die chromatiſche Aberration, von welcher die Spiegel frei ſind, dadurch beſeitigen, daß man 2 Linſen von verſchiedenem Zer- ſtreuungsvermögen, alſo wieder etwa Kron- und Flintglas, zu einem
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Das Mikroſkop.
Die Erfindung des Mikroſkops, für welche mehrere Nationen die
Priorität in Anſpruch nehmen, dürfte vermutlich nur wenige Jahre
nach der Erfindung des Fernrohrs anzuſetzen ſein; zweifellos aber iſt
ſie durch die Erfindung der Brillen angebahnt worden, welche
Armati aus Florenz das Daſein verdanken ſollen, und von denen die
erſte authentiſche Mitteilung aus dem Jahre 1299 ſtammt. Bisher iſt
es nicht möglich geweſen, den zeitweilig mit großer Erbitterung ge-
führten Prioritätsſtreit zu Gunſten des einen oder anderen Volkes einer
glücklichen Löſung entgegenzuführen; nur ſoviel ſteht feſt, gleichviel ob
dieſelbe nun von Janſen oder Drebbel oder Lippershey gemacht ſein
mag, daß Galilei um 1620 weſentlich dazu beigetragen hat, die
wichtige Erfindung in weiteren Kreiſen bekannt zu geben. Zu der un-
geahnten Bedeutung, welche das Mikroſkop heutzutage erlangt hat,
konnte es trotz aller Bemühungen des Optikers erſt gelangen, ſeitdem
man entgegen der von Newton vertretenen Anſicht von der Anſchauung
ausging, daß es möglich ſein müſſe, die früher ſo ſtörend auftretenden
Fehler der ſphäriſchen und chromatiſchen Aberration wenigſtens an-
nähernd zu beſeitigen. Um ſo unentbehrlicher iſt das einfache Inſtru-
ment heute nicht bloß für viele Zweige der Technik, ſondern auch für
die Wiſſenſchaft, und es iſt gar nicht abzuſehen, welche ungeahnten
Aufſchlüſſe über viele Dinge dem Mikroſkop noch vorbehalten ſein
mögen.
Wie bereits bei den ſphäriſchen Spiegeln andeutungsweiſe bemerkt
wurde, entſpricht auch bei den Linſen einem leuchtenden Punkte nicht
in aller Strenge ein Bildpunkt, und zwar um ſo weniger, je größer
Krümmung und Öffnung der Linſe ſind. Die einzelnen Bildkreiſe,
welche infolge der ſphäriſchen Abweichung entſtehen, lagern ſich
demnach teilweiſe übereinander und laſſen das Bild unſcharf erſcheinen.
Daß man durch geeignete Wahl der Krümmungsradien der brechenden
Flächen dieſem Übelſtande begegnen kann, iſt im vorſtehenden ſchon
angedeutet; man nennt Linſenſyſteme, welche vom Kugelgeſtaltfehler frei
ſind, aplanatiſche.
Andererſeits erzeugt aber auch jede Linſe notwendigerweiſe ein
farbiges Bild; denn wenn man ſich eine Linſe etwa in ſehr viele kleine
Prismen zerlegt denkt, ſo erzeugt jedes derſelben ein Spektrum. So-
weit dieſe ſich aber übereinanderlagern, ergänzen ſie ſich wieder zu weiß,
und nur der äußerſte Saum des Bildes kann farbig bleiben. Dieſe
Verhältniſſe werden beſonders deutlich, wenn wir in dem Vereinigungs-
punkt f (Fig. 491) der roten Strahlen einen Schirm aufſtellen würden;
es iſt klar, daß das Bild nach einander die Spektralfarben zeigen und
außen mit violett abſchließen wird; das Umgekehrte würde in f ein-
treten. Ganz analog dem beim Prisma üblichen Verfahren kann man
auch hier die chromatiſche Aberration, von welcher die Spiegel frei
ſind, dadurch beſeitigen, daß man 2 Linſen von verſchiedenem Zer-
ſtreuungsvermögen, alſo wieder etwa Kron- und Flintglas, zu einem
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 903. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/921>, abgerufen am 24.11.2024.
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