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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896.

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Die Lithographie und der Steindruck.
die Druckerschwärze und den Abdruck unempfindlich zu machen, sondern
der chemische Gegensatz von Wasser und Druckerschwärze bewirkte bei
geeigneter Behandlung des Steines, daß nur die geschriebenen oder
gezeichneten Stellen der Platte zum Abdruck gelangten.

Senefelder selbst sollte erst nach langen sorgenvollen Kämpfen,
während welcher andere bereits die Früchte seiner Erfindung ernteten,
eine materiell gesicherte Existenz erhalten, aber vorher wie nachher
war er bemüht, seine Erfindung zu verbessern und zu erweitern und
nach allen möglichen Richtungen auszunutzen. Fast alle Anwendungen,
die die Lithographie erfahren hat, hat bereits Senefelder erdacht
und meist auch selbst zu einem hohen Grade der Vollkommenheit ge-
bracht. Senefelder starb in München, wo ihm die bayrische Regierung
eine feste Stellung gegeben hatte, am 26. Februar 1834.

Das heute übliche Verfahren ist nun etwa folgendes: Mit litho-
graphischer Tinte oder Farbe wird, natürlich umgekehrt wie gewöhn-
liche Schrift, die Schrift oder Zeichnung auf den Stein aufgetragen.
Die Tinte besteht aus einer Mischung von Seife und Fett, die,
nachdem geschrieben oder gezeichnet ist, durch Säurebehandlung -- das
"Ätzen" -- gegen Befeuchtung mit Wasser unempfindlich gemacht wird.
Daß beim Ätzen die freien Plattenteile etwas vertieft werden, hat bei
dieser vollkommenen Lithographie keine prinzipielle Bedeutung mehr.
Man überzieht nun die Platte mit arabischem Gummi, das sich an
allen unbeschriebenen Stellen festsetzt, befeuchtet darauf die Platte und
kann sie dann mit Druckerfarbe einschwärzen, ohne daß von dieser an
irgend einer nicht beschriebenen oder bezeichneten Stelle etwas haften
bleibt, während bei einfacher Befeuchtung ohne Gummi während des
Druckens leicht einzelne Stellen allmählich trocken gelegt und dadurch
für die Druckerschwärze empfänglich werden.

Es giebt natürlich auch in der Lithographie eine ganze Reihe von
Zeichenmanieren, die meist alle von Senefelder selbst herrühren und von
denen wir nur einige, die Feder- oder Pinselmanier, die Kreidemanier und
die Graviermanier erwähnen wollen. Die erste haben wir eigentlich schon
eben beschrieben; die Kreidemanier besteht darin, daß man dem Stein durch
Reiben mit feinem Sand ein zartes Korn giebt, auf dem man mit litho-
graphischen, chemisch präparierten Stiften in ähnlicher Weise zeichnet oder
schreibt, wie man Kreidezeichnungen anfertigt. Bei der Graviermanier wird
der Stein mit einem Grund aus Gummi und Ruß überzogen, in diesen
die Zeichnung so tief eingraviert, daß an den bezüglichen Stellen der
Stein gerade freiliegt, darauf Leinöl über das ganze gegossen, das
nur an den Stellen der Zeichnung den Stein gegen Wasser unempfindlich
und infolge dessen gegen die Druckerschwärze empfindlich macht. Dann
wird die Platte gereinigt, mit Wasser befeuchtet und eingeschwärzt,
worauf man mit dem Druck beginnen kann.

Außerdem kann man auch den Überdruck anwenden, wie es schon
Senefelder gethan hat, d. h. eine Zeichnung oder Schrift in Holzschnitt,

Die Lithographie und der Steindruck.
die Druckerſchwärze und den Abdruck unempfindlich zu machen, ſondern
der chemiſche Gegenſatz von Waſſer und Druckerſchwärze bewirkte bei
geeigneter Behandlung des Steines, daß nur die geſchriebenen oder
gezeichneten Stellen der Platte zum Abdruck gelangten.

Senefelder ſelbſt ſollte erſt nach langen ſorgenvollen Kämpfen,
während welcher andere bereits die Früchte ſeiner Erfindung ernteten,
eine materiell geſicherte Exiſtenz erhalten, aber vorher wie nachher
war er bemüht, ſeine Erfindung zu verbeſſern und zu erweitern und
nach allen möglichen Richtungen auszunutzen. Faſt alle Anwendungen,
die die Lithographie erfahren hat, hat bereits Senefelder erdacht
und meiſt auch ſelbſt zu einem hohen Grade der Vollkommenheit ge-
bracht. Senefelder ſtarb in München, wo ihm die bayriſche Regierung
eine feſte Stellung gegeben hatte, am 26. Februar 1834.

Das heute übliche Verfahren iſt nun etwa folgendes: Mit litho-
graphiſcher Tinte oder Farbe wird, natürlich umgekehrt wie gewöhn-
liche Schrift, die Schrift oder Zeichnung auf den Stein aufgetragen.
Die Tinte beſteht aus einer Miſchung von Seife und Fett, die,
nachdem geſchrieben oder gezeichnet iſt, durch Säurebehandlung — das
„Ätzen“ — gegen Befeuchtung mit Waſſer unempfindlich gemacht wird.
Daß beim Ätzen die freien Plattenteile etwas vertieft werden, hat bei
dieſer vollkommenen Lithographie keine prinzipielle Bedeutung mehr.
Man überzieht nun die Platte mit arabiſchem Gummi, das ſich an
allen unbeſchriebenen Stellen feſtſetzt, befeuchtet darauf die Platte und
kann ſie dann mit Druckerfarbe einſchwärzen, ohne daß von dieſer an
irgend einer nicht beſchriebenen oder bezeichneten Stelle etwas haften
bleibt, während bei einfacher Befeuchtung ohne Gummi während des
Druckens leicht einzelne Stellen allmählich trocken gelegt und dadurch
für die Druckerſchwärze empfänglich werden.

Es giebt natürlich auch in der Lithographie eine ganze Reihe von
Zeichenmanieren, die meiſt alle von Senefelder ſelbſt herrühren und von
denen wir nur einige, die Feder- oder Pinſelmanier, die Kreidemanier und
die Graviermanier erwähnen wollen. Die erſte haben wir eigentlich ſchon
eben beſchrieben; die Kreidemanier beſteht darin, daß man dem Stein durch
Reiben mit feinem Sand ein zartes Korn giebt, auf dem man mit litho-
graphiſchen, chemiſch präparierten Stiften in ähnlicher Weiſe zeichnet oder
ſchreibt, wie man Kreidezeichnungen anfertigt. Bei der Graviermanier wird
der Stein mit einem Grund aus Gummi und Ruß überzogen, in dieſen
die Zeichnung ſo tief eingraviert, daß an den bezüglichen Stellen der
Stein gerade freiliegt, darauf Leinöl über das ganze gegoſſen, das
nur an den Stellen der Zeichnung den Stein gegen Waſſer unempfindlich
und infolge deſſen gegen die Druckerſchwärze empfindlich macht. Dann
wird die Platte gereinigt, mit Waſſer befeuchtet und eingeſchwärzt,
worauf man mit dem Druck beginnen kann.

Außerdem kann man auch den Überdruck anwenden, wie es ſchon
Senefelder gethan hat, d. h. eine Zeichnung oder Schrift in Holzſchnitt,

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[973/0991] Die Lithographie und der Steindruck. die Druckerſchwärze und den Abdruck unempfindlich zu machen, ſondern der chemiſche Gegenſatz von Waſſer und Druckerſchwärze bewirkte bei geeigneter Behandlung des Steines, daß nur die geſchriebenen oder gezeichneten Stellen der Platte zum Abdruck gelangten. Senefelder ſelbſt ſollte erſt nach langen ſorgenvollen Kämpfen, während welcher andere bereits die Früchte ſeiner Erfindung ernteten, eine materiell geſicherte Exiſtenz erhalten, aber vorher wie nachher war er bemüht, ſeine Erfindung zu verbeſſern und zu erweitern und nach allen möglichen Richtungen auszunutzen. Faſt alle Anwendungen, die die Lithographie erfahren hat, hat bereits Senefelder erdacht und meiſt auch ſelbſt zu einem hohen Grade der Vollkommenheit ge- bracht. Senefelder ſtarb in München, wo ihm die bayriſche Regierung eine feſte Stellung gegeben hatte, am 26. Februar 1834. Das heute übliche Verfahren iſt nun etwa folgendes: Mit litho- graphiſcher Tinte oder Farbe wird, natürlich umgekehrt wie gewöhn- liche Schrift, die Schrift oder Zeichnung auf den Stein aufgetragen. Die Tinte beſteht aus einer Miſchung von Seife und Fett, die, nachdem geſchrieben oder gezeichnet iſt, durch Säurebehandlung — das „Ätzen“ — gegen Befeuchtung mit Waſſer unempfindlich gemacht wird. Daß beim Ätzen die freien Plattenteile etwas vertieft werden, hat bei dieſer vollkommenen Lithographie keine prinzipielle Bedeutung mehr. Man überzieht nun die Platte mit arabiſchem Gummi, das ſich an allen unbeſchriebenen Stellen feſtſetzt, befeuchtet darauf die Platte und kann ſie dann mit Druckerfarbe einſchwärzen, ohne daß von dieſer an irgend einer nicht beſchriebenen oder bezeichneten Stelle etwas haften bleibt, während bei einfacher Befeuchtung ohne Gummi während des Druckens leicht einzelne Stellen allmählich trocken gelegt und dadurch für die Druckerſchwärze empfänglich werden. Es giebt natürlich auch in der Lithographie eine ganze Reihe von Zeichenmanieren, die meiſt alle von Senefelder ſelbſt herrühren und von denen wir nur einige, die Feder- oder Pinſelmanier, die Kreidemanier und die Graviermanier erwähnen wollen. Die erſte haben wir eigentlich ſchon eben beſchrieben; die Kreidemanier beſteht darin, daß man dem Stein durch Reiben mit feinem Sand ein zartes Korn giebt, auf dem man mit litho- graphiſchen, chemiſch präparierten Stiften in ähnlicher Weiſe zeichnet oder ſchreibt, wie man Kreidezeichnungen anfertigt. Bei der Graviermanier wird der Stein mit einem Grund aus Gummi und Ruß überzogen, in dieſen die Zeichnung ſo tief eingraviert, daß an den bezüglichen Stellen der Stein gerade freiliegt, darauf Leinöl über das ganze gegoſſen, das nur an den Stellen der Zeichnung den Stein gegen Waſſer unempfindlich und infolge deſſen gegen die Druckerſchwärze empfindlich macht. Dann wird die Platte gereinigt, mit Waſſer befeuchtet und eingeſchwärzt, worauf man mit dem Druck beginnen kann. Außerdem kann man auch den Überdruck anwenden, wie es ſchon Senefelder gethan hat, d. h. eine Zeichnung oder Schrift in Holzſchnitt,

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Zitationshilfe: Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 973. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/991>, abgerufen am 22.11.2024.