graphie, war am 6. November 1771 in Prag geboren, verließ nach dem Tode seines Vaters im Jahre 1790 die Universität, wo er die Rechte studiert hatte, und ergriff den Schauspielerberuf, den er jedoch nach zwei Jahren wieder aufgab, um sich ganz der litterarischen Be- schäftigung zu widmen. Wenn aber auch seine Erstlingsarbeiten ge- fielen, so war er doch bald nicht mehr in der Lage, seine Werke drucken zu lassen, weil ihm seine Kunst zu wenig Geld einbrachte. Er faßte daher den kühnen Gedanken, seine Werke selbst zu drucken, und übte sich darum zunächst im Radieren und Ätzen einer Kupferplatte. Da diese bald abgenutzt war, ging er zu billigerem Material über, nämlich zu dem Solnhofener Kalkstein. Einst schrieb er, in Ermangelung von Papier einen Wäschezettel direkt mit der sonst als Ätzgrund be- nutzten Flüssigkeit, die aus Wachs, Seife und Ruß bestand, auf den Stein. Als er die Schrift später wieder abwaschen wollte, kam er auf die Idee, einmal zu probieren, wie sie sich gegen eine Säure verhalten würde. Der Erfolg war erstaunlich, die Schrift blieb erhaben stehen, während der Stein an allen anderen Stellen von der Säure etwas angegriffen und daher vertieft wurde. Es lag nun nahe, die erhabenen Stellen mit Druckerschwärze einzureiben und einen Abzug von ihnen auf Papier zu machen. Im Jahre 1796 gab Senefelder den ersten lithographischen Notendruck, der mittels dieses Hochätzverfahrens her- gestellt war, heraus.
Der erste Anfang zu Senefelders großer Erfindung, die auf der verschiedenartigen chemischen Verwandtschaft von Stoffen, besonders auf der Abstoßung von Fetten und Wasser beruht, war gemacht. Der Abdruck von seinen Steinen war aber sehr schwer, da von der ein- geschwärzten Druckwalze leicht auch die tieferen Stellen des Steins geschwärzt wurden, weil die Höhendifferenz nur sehr gering war. In- folgedessen wurden viele Abzüge ganz schwarz, da die Presse das Papier auch noch mit den tiefer liegenden Teilen der Platte in Berührung brachte. Diese Schwierigkeit war es, die Senefelder zur Erfindung der wahren Lithographie führte. Er kam auf die Idee, ein besseres, reineres Drucken vielleicht dadurch zu ermöglichen, daß er die Schrift auf Papier ausführte und dann mechanisch unter Benutzung der chemischen Eigen- schaften der angewandten Materialien auf den Stein übertrug. Er überzog nun das Papier vor dem Schreiben mit einer Mischung von Stärke und Gummi, um ein besseres Übertragen auf den Stein zu er- möglichen. Als er zufällig einmal ein solches Blatt in Wasser tauchte, auf dem einige Öltropfen schwammen, sah er, wie letztere an der Schrift festhafteten, am unbeschriebenen Papier dagegen nicht. In der richtigen Annahme, daß Druckerschwärze sich wohl ähnlich, wie das Öl verhalten würde, wurde Senefelder so zur vollen Entdeckung der Lithographie geführt, die weder Hochdruck, wie Buchdruck und Holzschnitt, noch Tiefdruck, wie Kupferstich und Stahlstich ist. Es war nicht mehr nötig, den Stein an den unbeschriebenen Stellen fortzuätzen, um diese gegen
Die vervielfältigenden Künſte.
graphie, war am 6. November 1771 in Prag geboren, verließ nach dem Tode ſeines Vaters im Jahre 1790 die Univerſität, wo er die Rechte ſtudiert hatte, und ergriff den Schauſpielerberuf, den er jedoch nach zwei Jahren wieder aufgab, um ſich ganz der litterariſchen Be- ſchäftigung zu widmen. Wenn aber auch ſeine Erſtlingsarbeiten ge- fielen, ſo war er doch bald nicht mehr in der Lage, ſeine Werke drucken zu laſſen, weil ihm ſeine Kunſt zu wenig Geld einbrachte. Er faßte daher den kühnen Gedanken, ſeine Werke ſelbſt zu drucken, und übte ſich darum zunächſt im Radieren und Ätzen einer Kupferplatte. Da dieſe bald abgenutzt war, ging er zu billigerem Material über, nämlich zu dem Solnhofener Kalkſtein. Einſt ſchrieb er, in Ermangelung von Papier einen Wäſchezettel direkt mit der ſonſt als Ätzgrund be- nutzten Flüſſigkeit, die aus Wachs, Seife und Ruß beſtand, auf den Stein. Als er die Schrift ſpäter wieder abwaſchen wollte, kam er auf die Idee, einmal zu probieren, wie ſie ſich gegen eine Säure verhalten würde. Der Erfolg war erſtaunlich, die Schrift blieb erhaben ſtehen, während der Stein an allen anderen Stellen von der Säure etwas angegriffen und daher vertieft wurde. Es lag nun nahe, die erhabenen Stellen mit Druckerſchwärze einzureiben und einen Abzug von ihnen auf Papier zu machen. Im Jahre 1796 gab Senefelder den erſten lithographiſchen Notendruck, der mittels dieſes Hochätzverfahrens her- geſtellt war, heraus.
Der erſte Anfang zu Senefelders großer Erfindung, die auf der verſchiedenartigen chemiſchen Verwandtſchaft von Stoffen, beſonders auf der Abſtoßung von Fetten und Waſſer beruht, war gemacht. Der Abdruck von ſeinen Steinen war aber ſehr ſchwer, da von der ein- geſchwärzten Druckwalze leicht auch die tieferen Stellen des Steins geſchwärzt wurden, weil die Höhendifferenz nur ſehr gering war. In- folgedeſſen wurden viele Abzüge ganz ſchwarz, da die Preſſe das Papier auch noch mit den tiefer liegenden Teilen der Platte in Berührung brachte. Dieſe Schwierigkeit war es, die Senefelder zur Erfindung der wahren Lithographie führte. Er kam auf die Idee, ein beſſeres, reineres Drucken vielleicht dadurch zu ermöglichen, daß er die Schrift auf Papier ausführte und dann mechaniſch unter Benutzung der chemiſchen Eigen- ſchaften der angewandten Materialien auf den Stein übertrug. Er überzog nun das Papier vor dem Schreiben mit einer Miſchung von Stärke und Gummi, um ein beſſeres Übertragen auf den Stein zu er- möglichen. Als er zufällig einmal ein ſolches Blatt in Waſſer tauchte, auf dem einige Öltropfen ſchwammen, ſah er, wie letztere an der Schrift feſthafteten, am unbeſchriebenen Papier dagegen nicht. In der richtigen Annahme, daß Druckerſchwärze ſich wohl ähnlich, wie das Öl verhalten würde, wurde Senefelder ſo zur vollen Entdeckung der Lithographie geführt, die weder Hochdruck, wie Buchdruck und Holzſchnitt, noch Tiefdruck, wie Kupferſtich und Stahlſtich iſt. Es war nicht mehr nötig, den Stein an den unbeſchriebenen Stellen fortzuätzen, um dieſe gegen
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Die vervielfältigenden Künſte.
graphie, war am 6. November 1771 in Prag geboren, verließ nach
dem Tode ſeines Vaters im Jahre 1790 die Univerſität, wo er die
Rechte ſtudiert hatte, und ergriff den Schauſpielerberuf, den er jedoch
nach zwei Jahren wieder aufgab, um ſich ganz der litterariſchen Be-
ſchäftigung zu widmen. Wenn aber auch ſeine Erſtlingsarbeiten ge-
fielen, ſo war er doch bald nicht mehr in der Lage, ſeine Werke drucken
zu laſſen, weil ihm ſeine Kunſt zu wenig Geld einbrachte. Er
faßte daher den kühnen Gedanken, ſeine Werke ſelbſt zu drucken, und
übte ſich darum zunächſt im Radieren und Ätzen einer Kupferplatte.
Da dieſe bald abgenutzt war, ging er zu billigerem Material über,
nämlich zu dem Solnhofener Kalkſtein. Einſt ſchrieb er, in Ermangelung
von Papier einen Wäſchezettel direkt mit der ſonſt als Ätzgrund be-
nutzten Flüſſigkeit, die aus Wachs, Seife und Ruß beſtand, auf den
Stein. Als er die Schrift ſpäter wieder abwaſchen wollte, kam er auf
die Idee, einmal zu probieren, wie ſie ſich gegen eine Säure verhalten
würde. Der Erfolg war erſtaunlich, die Schrift blieb erhaben ſtehen,
während der Stein an allen anderen Stellen von der Säure etwas
angegriffen und daher vertieft wurde. Es lag nun nahe, die erhabenen
Stellen mit Druckerſchwärze einzureiben und einen Abzug von ihnen
auf Papier zu machen. Im Jahre 1796 gab Senefelder den erſten
lithographiſchen Notendruck, der mittels dieſes Hochätzverfahrens her-
geſtellt war, heraus.
Der erſte Anfang zu Senefelders großer Erfindung, die auf der
verſchiedenartigen chemiſchen Verwandtſchaft von Stoffen, beſonders auf
der Abſtoßung von Fetten und Waſſer beruht, war gemacht. Der
Abdruck von ſeinen Steinen war aber ſehr ſchwer, da von der ein-
geſchwärzten Druckwalze leicht auch die tieferen Stellen des Steins
geſchwärzt wurden, weil die Höhendifferenz nur ſehr gering war. In-
folgedeſſen wurden viele Abzüge ganz ſchwarz, da die Preſſe das Papier
auch noch mit den tiefer liegenden Teilen der Platte in Berührung
brachte. Dieſe Schwierigkeit war es, die Senefelder zur Erfindung der
wahren Lithographie führte. Er kam auf die Idee, ein beſſeres, reineres
Drucken vielleicht dadurch zu ermöglichen, daß er die Schrift auf Papier
ausführte und dann mechaniſch unter Benutzung der chemiſchen Eigen-
ſchaften der angewandten Materialien auf den Stein übertrug. Er
überzog nun das Papier vor dem Schreiben mit einer Miſchung von
Stärke und Gummi, um ein beſſeres Übertragen auf den Stein zu er-
möglichen. Als er zufällig einmal ein ſolches Blatt in Waſſer tauchte,
auf dem einige Öltropfen ſchwammen, ſah er, wie letztere an der Schrift
feſthafteten, am unbeſchriebenen Papier dagegen nicht. In der richtigen
Annahme, daß Druckerſchwärze ſich wohl ähnlich, wie das Öl verhalten
würde, wurde Senefelder ſo zur vollen Entdeckung der Lithographie
geführt, die weder Hochdruck, wie Buchdruck und Holzſchnitt, noch
Tiefdruck, wie Kupferſtich und Stahlſtich iſt. Es war nicht mehr nötig,
den Stein an den unbeſchriebenen Stellen fortzuätzen, um dieſe gegen
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Samter, Heinrich: Das Reich der Erfindungen. Berlin, 1896, S. 972. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/samter_erfindungen_1896/990>, abgerufen am 22.11.2024.
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