lies wegen der Kommissarien votiren, und es wurden Cassi- ni, der Sohn, und noch einer, ernannt. -- Nachdem dann diese so wichtige Sache endlich mit vieler Mühe und nach langem Geschrei auf die Seite geschaft war; so las noch einer einen kurzen Aufsatz vor, von einer neuen Art, Sei- de weis zu bleichen, auf dem Tisch lagen Proben davon, -- aber, wiewohl er die Wichtigkeit dieser Sache für Europa, und besonders für Frankreich vorstellen woll- te; so stand man doch auf, plauderte, und alles lief aus einander. Ich sah die Seide, sie war ziemlich weis, aber hart und rauh. Für die Fremden ist hinter dem Tisch der Ak. ein Kanape' gesetzt. Heut sah ich hier auch den alten Bernard de Jussieu, der sonst nicht mehr aus- ging und auch bald nachher in die Ewigkeit gegangen ist. Ehrwürdig, mild, und ruhig sah sein noch rothes, aber faltenvolles Gesicht aus. Man führte ihn die Treppe herab, und hob ihn in seine Chaise. So dacht' ich, würd' auch sein alter Freund Linne', aussehen. Es war ein süßer, aber auch ein wehmüthiger Gedanke für mich, diese beiden Männer, die mit einander im Gar- ten der Natur grau geworden und der Welt soviel Nutzen geschaft haben, beisammen am Rande der Ewigkeit zu denken. -- Lange sah ich der Chaise nach, worinn der liebenswürdige Greis hinfuhr und freute mich, auch die- sen Mann gesprochen zu haben, weil's mir doch so gut nicht worden ist, Linne' zu sprechen und ihm für seine lehrreichen Schriften zu danken. Von hier ging ich zu
Mr. de Portal. Er wohnte Rue Cimetiere. Ein etwas alter, dürrer, hagrer, langer, Mann. Sein Gesicht hat die blasse Farbe des Gelehrten. Im Win- ter hält er öffentliche Vorlesungen über die Anatomie und
besucht
lies wegen der Kommiſſarien votiren, und es wurden Caſſi- ni, der Sohn, und noch einer, ernannt. — Nachdem dann dieſe ſo wichtige Sache endlich mit vieler Muͤhe und nach langem Geſchrei auf die Seite geſchaft war; ſo las noch einer einen kurzen Aufſatz vor, von einer neuen Art, Sei- de weis zu bleichen, auf dem Tiſch lagen Proben davon, — aber, wiewohl er die Wichtigkeit dieſer Sache fuͤr Europa, und beſonders fuͤr Frankreich vorſtellen woll- te; ſo ſtand man doch auf, plauderte, und alles lief aus einander. Ich ſah die Seide, ſie war ziemlich weis, aber hart und rauh. Fuͤr die Fremden iſt hinter dem Tiſch der Ak. ein Kanape’ geſetzt. Heut ſah ich hier auch den alten Bernard de Juſſieu, der ſonſt nicht mehr aus- ging und auch bald nachher in die Ewigkeit gegangen iſt. Ehrwuͤrdig, mild, und ruhig ſah ſein noch rothes, aber faltenvolles Geſicht aus. Man fuͤhrte ihn die Treppe herab, und hob ihn in ſeine Chaiſe. So dacht’ ich, wuͤrd’ auch ſein alter Freund Linne’, ausſehen. Es war ein ſuͤßer, aber auch ein wehmuͤthiger Gedanke fuͤr mich, dieſe beiden Maͤnner, die mit einander im Gar- ten der Natur grau geworden und der Welt ſoviel Nutzen geſchaft haben, beiſammen am Rande der Ewigkeit zu denken. — Lange ſah ich der Chaiſe nach, worinn der liebenswuͤrdige Greis hinfuhr und freute mich, auch die- ſen Mann geſprochen zu haben, weil’s mir doch ſo gut nicht worden iſt, Linne’ zu ſprechen und ihm fuͤr ſeine lehrreichen Schriften zu danken. Von hier ging ich zu
Mr. de Portal. Er wohnte Rue Cimetiere. Ein etwas alter, duͤrrer, hagrer, langer, Mann. Sein Geſicht hat die blaſſe Farbe des Gelehrten. Im Win- ter haͤlt er oͤffentliche Vorleſungen uͤber die Anatomie und
beſucht
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lies wegen der Kommiſſarien votiren, und es wurden Caſſi-
ni, der Sohn, und noch einer, ernannt. — Nachdem dann
dieſe ſo wichtige Sache endlich mit vieler Muͤhe und nach
langem Geſchrei auf die Seite geſchaft war; ſo las noch
einer einen kurzen Aufſatz vor, von einer neuen Art, Sei-
de weis zu bleichen, auf dem Tiſch lagen Proben davon,
— aber, wiewohl er die Wichtigkeit dieſer Sache fuͤr
Europa, und beſonders fuͤr Frankreich vorſtellen woll-
te; ſo ſtand man doch auf, plauderte, und alles lief aus
einander. Ich ſah die Seide, ſie war ziemlich weis,
aber hart und rauh. Fuͤr die Fremden iſt hinter dem
Tiſch der Ak. ein Kanape’ geſetzt. Heut ſah ich hier auch
den alten Bernard de Juſſieu, der ſonſt nicht mehr aus-
ging und auch bald nachher in die Ewigkeit gegangen iſt.
Ehrwuͤrdig, mild, und ruhig ſah ſein noch rothes, aber
faltenvolles Geſicht aus. Man fuͤhrte ihn die Treppe
herab, und hob ihn in ſeine Chaiſe. So dacht’ ich,
wuͤrd’ auch ſein alter Freund Linne’, ausſehen. Es
war ein ſuͤßer, aber auch ein wehmuͤthiger Gedanke fuͤr
mich, dieſe beiden Maͤnner, die mit einander im Gar-
ten der Natur grau geworden und der Welt ſoviel Nutzen
geſchaft haben, beiſammen am Rande der Ewigkeit zu
denken. — Lange ſah ich der Chaiſe nach, worinn der
liebenswuͤrdige Greis hinfuhr und freute mich, auch die-
ſen Mann geſprochen zu haben, weil’s mir doch ſo gut
nicht worden iſt, Linne’ zu ſprechen und ihm fuͤr ſeine
lehrreichen Schriften zu danken. Von hier ging ich zu
Mr. de Portal. Er wohnte Rue Cimetiere.
Ein etwas alter, duͤrrer, hagrer, langer, Mann. Sein
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 98. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/122>, abgerufen am 21.11.2024.
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