Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

zerrt und zerrt, will fort mit ihm, so schnell er kan; da
kommt eine Frau, im Zorn schlüpft ihr die linke Brust
aus der Kleidung heraus; sie schießt auf Christum los,
und raft mit der andern Hand Geld vom Boden zusam-
men etc. Christus war herrlich, weil er hier orientalisch,
vorgestellt ist, wenn er nur keinen Heiligenschein um den
Kopf hätte! -- Krankenheilung, Lazari Auferwe-
ckung,
unglaublich ists, wie viel auf so einer Tapete ist.
Man muß die Lorgnette nehmen, wenn man alles sehen
will. Christi Nachtessen beim Pharisäer, Luc.
VII.
O, die Sünderin liegt da, ein herrlicher Anblick,
und der Pharisäer fährt zurück, daß er ja nicht angesteckt
werde. -- Christi Fußwaschen, er kniet vorm Pe-
trus, das Becken steht neben ihm, unten steht aus der
Vulgata: Exemplum dedi vobis, -- es macht,
beides schnell gesehen, einen mächtigen Eindruck. Ei-
ne Akademie zu Athen,
nach einem Gemälde von
Raphael ausm Vatikan; alle Wissenschaften, jede
durch einen Philosophen vorgestellt, in einer andern Stel-
lung, einer schreibt, ein andrer mißt mit dem Zirkel, ei-
ner meditirt, observirt etc. Consta[ntin]'s Gesicht, man
glaubts nichts, wie viel Kunst, Pracht, Verwicklung
ohne Verwirrung auf so einem Teppich ist, bis man's
sieht. Jakob, Laban, und Rahel und Lea --
Ach,
unbeschreiblich schön! Die Scene ist natürlich, ganz
ländlich, Bäume, Gras, Blumen, Schafe, Men-
schen nur halb gekleidet; Lea in der Ecke, mit rothem
Haar, und Pockennarben bis auf die Brust herab; aber
Rahel unterm Baum, ganz herrlich blicktsie auf den schö-
nen Jüngling so halb hin, Jakob spricht mit dem Geiz-
hals, der immer nach den Heerden schielt. Noch viel
vortreflicher ist Josephs Unterredung mit seinen

Brüdern,
K 4

zerrt und zerrt, will fort mit ihm, ſo ſchnell er kan; da
kommt eine Frau, im Zorn ſchluͤpft ihr die linke Bruſt
aus der Kleidung heraus; ſie ſchießt auf Chriſtum los,
und raft mit der andern Hand Geld vom Boden zuſam-
men ꝛc. Chriſtus war herrlich, weil er hier orientaliſch,
vorgeſtellt iſt, wenn er nur keinen Heiligenſchein um den
Kopf haͤtte! — Krankenheilung, Lazari Auferwe-
ckung,
unglaublich iſts, wie viel auf ſo einer Tapete iſt.
Man muß die Lorgnette nehmen, wenn man alles ſehen
will. Chriſti Nachteſſen beim Phariſaͤer, Luc.
VII.
O, die Suͤnderin liegt da, ein herrlicher Anblick,
und der Phariſaͤer faͤhrt zuruͤck, daß er ja nicht angeſteckt
werde. — Chriſti Fußwaſchen, er kniet vorm Pe-
trus, das Becken ſteht neben ihm, unten ſteht aus der
Vulgata: Exemplum dedi vobis, — es macht,
beides ſchnell geſehen, einen maͤchtigen Eindruck. Ei-
ne Akademie zu Athen,
nach einem Gemaͤlde von
Raphael ausm Vatikan; alle Wiſſenſchaften, jede
durch einen Philoſophen vorgeſtellt, in einer andern Stel-
lung, einer ſchreibt, ein andrer mißt mit dem Zirkel, ei-
ner meditirt, obſervirt ꝛc. Conſta[ntin]’s Geſicht, man
glaubts nichts, wie viel Kunſt, Pracht, Verwicklung
ohne Verwirrung auf ſo einem Teppich iſt, bis man’s
ſieht. Jakob, Laban, und Rahel und Lea —
Ach,
unbeſchreiblich ſchoͤn! Die Scene iſt natuͤrlich, ganz
laͤndlich, Baͤume, Gras, Blumen, Schafe, Men-
ſchen nur halb gekleidet; Lea in der Ecke, mit rothem
Haar, und Pockennarben bis auf die Bruſt herab; aber
Rahel unterm Baum, ganz herrlich blicktſie auf den ſchoͤ-
nen Juͤngling ſo halb hin, Jakob ſpricht mit dem Geiz-
hals, der immer nach den Heerden ſchielt. Noch viel
vortreflicher iſt Joſephs Unterredung mit ſeinen

Bruͤdern,
K 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0175" n="151"/>
zerrt und zerrt, will fort mit ihm, &#x017F;o &#x017F;chnell er kan; da<lb/>
kommt eine Frau, im Zorn &#x017F;chlu&#x0364;pft ihr die linke Bru&#x017F;t<lb/>
aus der Kleidung heraus; &#x017F;ie &#x017F;chießt auf Chri&#x017F;tum los,<lb/>
und raft mit der andern Hand Geld vom Boden zu&#x017F;am-<lb/>
men &#xA75B;c. Chri&#x017F;tus war herrlich, weil er hier orientali&#x017F;ch,<lb/>
vorge&#x017F;tellt i&#x017F;t, wenn er nur keinen Heiligen&#x017F;chein um den<lb/>
Kopf ha&#x0364;tte! &#x2014; <hi rendition="#fr">Krankenheilung, Lazari Auferwe-<lb/>
ckung,</hi> unglaublich i&#x017F;ts, wie viel auf &#x017F;o einer Tapete i&#x017F;t.<lb/>
Man muß die Lorgnette nehmen, wenn man alles &#x017F;ehen<lb/>
will. <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ti Nachte&#x017F;&#x017F;en beim Phari&#x017F;a&#x0364;er,</hi> <hi rendition="#aq">Luc.<lb/>
VII.</hi> O, die Su&#x0364;nderin liegt da, ein herrlicher Anblick,<lb/>
und der Phari&#x017F;a&#x0364;er fa&#x0364;hrt zuru&#x0364;ck, daß er ja nicht ange&#x017F;teckt<lb/>
werde. &#x2014; <hi rendition="#fr">Chri&#x017F;ti Fußwa&#x017F;chen,</hi> er kniet vorm Pe-<lb/>
trus, das Becken &#x017F;teht neben ihm, unten &#x017F;teht aus der<lb/>
Vulgata: <hi rendition="#aq">Exemplum dedi vobis,</hi> &#x2014; es macht,<lb/>
beides &#x017F;chnell ge&#x017F;ehen, einen ma&#x0364;chtigen Eindruck. <hi rendition="#fr">Ei-<lb/>
ne Akademie zu Athen,</hi> nach einem Gema&#x0364;lde von<lb/><hi rendition="#fr">Raphael</hi> ausm <hi rendition="#fr">Vatikan;</hi> alle Wi&#x017F;&#x017F;en&#x017F;chaften, jede<lb/>
durch einen Philo&#x017F;ophen vorge&#x017F;tellt, in einer andern Stel-<lb/>
lung, einer &#x017F;chreibt, ein andrer mißt mit dem Zirkel, ei-<lb/>
ner meditirt, ob&#x017F;ervirt &#xA75B;c. <hi rendition="#fr">Con&#x017F;ta<supplied>ntin</supplied>&#x2019;s Ge&#x017F;icht,</hi> man<lb/>
glaubts nichts, wie viel Kun&#x017F;t, Pracht, Verwicklung<lb/>
ohne Verwirrung auf &#x017F;o einem Teppich i&#x017F;t, bis man&#x2019;s<lb/>
&#x017F;ieht. <hi rendition="#fr">Jakob, Laban, und Rahel und Lea &#x2014;<lb/>
Ach,</hi> unbe&#x017F;chreiblich &#x017F;cho&#x0364;n! Die Scene i&#x017F;t natu&#x0364;rlich, ganz<lb/>
la&#x0364;ndlich, Ba&#x0364;ume, Gras, Blumen, Schafe, Men-<lb/>
&#x017F;chen nur halb gekleidet; <hi rendition="#fr">Lea</hi> in der Ecke, mit rothem<lb/>
Haar, und Pockennarben bis auf die Bru&#x017F;t herab; aber<lb/><hi rendition="#fr">Rahel</hi> unterm Baum, ganz herrlich blickt&#x017F;ie auf den &#x017F;cho&#x0364;-<lb/>
nen Ju&#x0364;ngling &#x017F;o halb hin, <hi rendition="#fr">Jakob</hi> &#x017F;pricht mit dem Geiz-<lb/>
hals, der immer nach den Heerden &#x017F;chielt. Noch viel<lb/>
vortreflicher i&#x017F;t <hi rendition="#fr">Jo&#x017F;ephs Unterredung mit &#x017F;einen</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">K 4</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Bru&#x0364;dern,</hi></fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[151/0175] zerrt und zerrt, will fort mit ihm, ſo ſchnell er kan; da kommt eine Frau, im Zorn ſchluͤpft ihr die linke Bruſt aus der Kleidung heraus; ſie ſchießt auf Chriſtum los, und raft mit der andern Hand Geld vom Boden zuſam- men ꝛc. Chriſtus war herrlich, weil er hier orientaliſch, vorgeſtellt iſt, wenn er nur keinen Heiligenſchein um den Kopf haͤtte! — Krankenheilung, Lazari Auferwe- ckung, unglaublich iſts, wie viel auf ſo einer Tapete iſt. Man muß die Lorgnette nehmen, wenn man alles ſehen will. Chriſti Nachteſſen beim Phariſaͤer, Luc. VII. O, die Suͤnderin liegt da, ein herrlicher Anblick, und der Phariſaͤer faͤhrt zuruͤck, daß er ja nicht angeſteckt werde. — Chriſti Fußwaſchen, er kniet vorm Pe- trus, das Becken ſteht neben ihm, unten ſteht aus der Vulgata: Exemplum dedi vobis, — es macht, beides ſchnell geſehen, einen maͤchtigen Eindruck. Ei- ne Akademie zu Athen, nach einem Gemaͤlde von Raphael ausm Vatikan; alle Wiſſenſchaften, jede durch einen Philoſophen vorgeſtellt, in einer andern Stel- lung, einer ſchreibt, ein andrer mißt mit dem Zirkel, ei- ner meditirt, obſervirt ꝛc. Conſtantin’s Geſicht, man glaubts nichts, wie viel Kunſt, Pracht, Verwicklung ohne Verwirrung auf ſo einem Teppich iſt, bis man’s ſieht. Jakob, Laban, und Rahel und Lea — Ach, unbeſchreiblich ſchoͤn! Die Scene iſt natuͤrlich, ganz laͤndlich, Baͤume, Gras, Blumen, Schafe, Men- ſchen nur halb gekleidet; Lea in der Ecke, mit rothem Haar, und Pockennarben bis auf die Bruſt herab; aber Rahel unterm Baum, ganz herrlich blicktſie auf den ſchoͤ- nen Juͤngling ſo halb hin, Jakob ſpricht mit dem Geiz- hals, der immer nach den Heerden ſchielt. Noch viel vortreflicher iſt Joſephs Unterredung mit ſeinen Bruͤdern, K 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/175
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/175>, abgerufen am 21.11.2024.