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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Physiognomien; unter den kleinsten war eins ganz gelb,
man findet auch Mohrenkinder, einige sind sehr klein, an-
dre starkgliedrig, die meisten sind lebhaft, sehen hell aus;
sind jovialische Kinder. -- Ich verlies nicht ohne freu-
digen Dank gegen Gott und den König, diesen Zufluchts-
ort und segnete im Weggehen die zärtlichen Weiber, die
das beständige Wimmern fremder Unmündigen nicht un-
geduldig macht, nicht ermüdet. Wie viel ehrwürdiger
und Gott werther sind diese theuern Helferinnen, als jene
Schwärme von Pfaffen und Mönchen, die sich mit Mark
und Wein mästen, den Gipfel menschlicher Vollkommen-
heit erreicht, die grösten Schwierigkeiten der Tugend über-
wunden zu haben glauben, und oft in ihrem Müßiggan-
ge nicht eine einzige gute Handlung fürs Menschen-
Geschlecht verrichten. Ihr verborgenen Opfer, die ihr
täglich im Stillen auf dem Altar der Religion dargebracht
werdet! für euch, für euch, sind die Belohnungen des Him-
mels, weil euch die Welt nicht belohnen kan!

L'Hotel Dieu, nahe dabei, auch eine der vereh-
rungswürdigsten Anstalten, die Paris aufweisen kan.
Man begreist leicht, daß ein Fremder das Ganze ohn-
möglich übersehen kan, und, wer dabei angestellt ist, hat
beständig so viel mit den Kranken zu thun, daß es Sün-
de wäre, ihn mit neugierigen Fragen zu beunruhigen.
Der Brand hat leider! im Jahre 1776. einen grossen
Theil dieser Gebäude in die Asche gelegt, und auch viele
Kranke sind dabei ein Opfer der Flammen geworden, aber
doch stehen noch ganze Häuser, die alle mit Kranken an-
gefüllt sind. Man geht durch lange an einander gebaute
Säle, die alle voll Betten sind. Die Betten sind gut,
haben alle rothe Vorhänge und Himmel, sind numme-

rirt,
Q

Phyſiognomien; unter den kleinſten war eins ganz gelb,
man findet auch Mohrenkinder, einige ſind ſehr klein, an-
dre ſtarkgliedrig, die meiſten ſind lebhaft, ſehen hell aus;
ſind jovialiſche Kinder. — Ich verlies nicht ohne freu-
digen Dank gegen Gott und den Koͤnig, dieſen Zufluchts-
ort und ſegnete im Weggehen die zaͤrtlichen Weiber, die
das beſtaͤndige Wimmern fremder Unmuͤndigen nicht un-
geduldig macht, nicht ermuͤdet. Wie viel ehrwuͤrdiger
und Gott werther ſind dieſe theuern Helferinnen, als jene
Schwaͤrme von Pfaffen und Moͤnchen, die ſich mit Mark
und Wein maͤſten, den Gipfel menſchlicher Vollkommen-
heit erreicht, die groͤſten Schwierigkeiten der Tugend uͤber-
wunden zu haben glauben, und oft in ihrem Muͤßiggan-
ge nicht eine einzige gute Handlung fuͤrs Menſchen-
Geſchlecht verrichten. Ihr verborgenen Opfer, die ihr
taͤglich im Stillen auf dem Altar der Religion dargebracht
werdet! fuͤr euch, fuͤr euch, ſind die Belohnungen des Him-
mels, weil euch die Welt nicht belohnen kan!

L’Hotel Dieu, nahe dabei, auch eine der vereh-
rungswuͤrdigſten Anſtalten, die Paris aufweiſen kan.
Man begreiſt leicht, daß ein Fremder das Ganze ohn-
moͤglich uͤberſehen kan, und, wer dabei angeſtellt iſt, hat
beſtaͤndig ſo viel mit den Kranken zu thun, daß es Suͤn-
de waͤre, ihn mit neugierigen Fragen zu beunruhigen.
Der Brand hat leider! im Jahre 1776. einen groſſen
Theil dieſer Gebaͤude in die Aſche gelegt, und auch viele
Kranke ſind dabei ein Opfer der Flammen geworden, aber
doch ſtehen noch ganze Haͤuſer, die alle mit Kranken an-
gefuͤllt ſind. Man geht durch lange an einander gebaute
Saͤle, die alle voll Betten ſind. Die Betten ſind gut,
haben alle rothe Vorhaͤnge und Himmel, ſind numme-

rirt,
Q
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[241/0265] Phyſiognomien; unter den kleinſten war eins ganz gelb, man findet auch Mohrenkinder, einige ſind ſehr klein, an- dre ſtarkgliedrig, die meiſten ſind lebhaft, ſehen hell aus; ſind jovialiſche Kinder. — Ich verlies nicht ohne freu- digen Dank gegen Gott und den Koͤnig, dieſen Zufluchts- ort und ſegnete im Weggehen die zaͤrtlichen Weiber, die das beſtaͤndige Wimmern fremder Unmuͤndigen nicht un- geduldig macht, nicht ermuͤdet. Wie viel ehrwuͤrdiger und Gott werther ſind dieſe theuern Helferinnen, als jene Schwaͤrme von Pfaffen und Moͤnchen, die ſich mit Mark und Wein maͤſten, den Gipfel menſchlicher Vollkommen- heit erreicht, die groͤſten Schwierigkeiten der Tugend uͤber- wunden zu haben glauben, und oft in ihrem Muͤßiggan- ge nicht eine einzige gute Handlung fuͤrs Menſchen- Geſchlecht verrichten. Ihr verborgenen Opfer, die ihr taͤglich im Stillen auf dem Altar der Religion dargebracht werdet! fuͤr euch, fuͤr euch, ſind die Belohnungen des Him- mels, weil euch die Welt nicht belohnen kan! L’Hotel Dieu, nahe dabei, auch eine der vereh- rungswuͤrdigſten Anſtalten, die Paris aufweiſen kan. Man begreiſt leicht, daß ein Fremder das Ganze ohn- moͤglich uͤberſehen kan, und, wer dabei angeſtellt iſt, hat beſtaͤndig ſo viel mit den Kranken zu thun, daß es Suͤn- de waͤre, ihn mit neugierigen Fragen zu beunruhigen. Der Brand hat leider! im Jahre 1776. einen groſſen Theil dieſer Gebaͤude in die Aſche gelegt, und auch viele Kranke ſind dabei ein Opfer der Flammen geworden, aber doch ſtehen noch ganze Haͤuſer, die alle mit Kranken an- gefuͤllt ſind. Man geht durch lange an einander gebaute Saͤle, die alle voll Betten ſind. Die Betten ſind gut, haben alle rothe Vorhaͤnge und Himmel, ſind numme- rirt, Q

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/265>, abgerufen am 22.11.2024.