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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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haben könnte, und erfuhr, daß der Apotheker Rouelle,
der Chymie liest, vielleicht noch etwas zum Verkauf ha-
ben würde. Von da lief ich fort ins

Hotel de la Charite, Rue Tarane. Wieder
eine von den kostbaren Anstalten zum Besten der Armen,
und der Kranken. Haller sagt, man solt' es eher Ho-
tel de Cruaute
heissen. Vielleicht war dieses Urtheil
damahls, wie er hier war, nicht ungegründet, aber jetzt,
dünkt mir, hiesse das menschenfeindlich urtheilen. Ich
habe nichts gesehen, was nicht zweckmässig und gut war,
wenn gleich bei einer Anstalt, die wie diese, ins Gros-
se, ins Weitläuftige geht, eine Menge Unvollkommenhei-
ten nicht unterbleiben können. Oben am Eingange in
die Strasse ist eine grosse Fontäne, die das Hotel ohne
Zweifel mit Wasser versieht. Doch wird auch alles von
da weggetragen. Der erste Theil dieses weitläuftigen Ge-
bäudes ist die Charite' selbst, mit der Inschrift: Deus
est Charitas.
Dann kömmt man zum Spital selber.
Der Hof ist klein, aber mit Bäumen besetzt, unter denen
die Genesenden frische Lust schöpfen. An den Thüren, die
wie an den Kirchen, damit kein Geräusch entsteht, von
Tuch mit Haaren, Wolle, Werg etc. ausgestopft sind,
steht noch in und auswendig angeschrieben; Fermez
la porte doucement.
Es ist auch alles viel stiller
hier, als im Hotel-Dieu. Man hört nur das schwa-
che Sprechen der Kranken, das leise Schleichen der Aerz-
te und Bedienten, und zuweilen das ängstliche Schreien
derer, die bald hier bald dort in Nebenzimmern, unter den
schmerzhaften Instrumenten der Wundärzte leiden müs-
sen. Ein Anblick, der mir Straßburg mit einmal
wieder ganz ins Gedächtniß brachte, und bald wehmüthi-

ge,

haben koͤnnte, und erfuhr, daß der Apotheker Rouelle,
der Chymie lieſt, vielleicht noch etwas zum Verkauf ha-
ben wuͤrde. Von da lief ich fort ins

Hôtel de la Charité, Rue Tarane. Wieder
eine von den koſtbaren Anſtalten zum Beſten der Armen,
und der Kranken. Haller ſagt, man ſolt’ es eher Hô-
tel de Cruauté
heiſſen. Vielleicht war dieſes Urtheil
damahls, wie er hier war, nicht ungegruͤndet, aber jetzt,
duͤnkt mir, hieſſe das menſchenfeindlich urtheilen. Ich
habe nichts geſehen, was nicht zweckmaͤſſig und gut war,
wenn gleich bei einer Anſtalt, die wie dieſe, ins Groſ-
ſe, ins Weitlaͤuftige geht, eine Menge Unvollkommenhei-
ten nicht unterbleiben koͤnnen. Oben am Eingange in
die Straſſe iſt eine groſſe Fontaͤne, die das Hotel ohne
Zweifel mit Waſſer verſieht. Doch wird auch alles von
da weggetragen. Der erſte Theil dieſes weitlaͤuftigen Ge-
baͤudes iſt die Charite’ ſelbſt, mit der Inſchrift: Deus
eſt Charitas.
Dann koͤmmt man zum Spital ſelber.
Der Hof iſt klein, aber mit Baͤumen beſetzt, unter denen
die Geneſenden friſche Luſt ſchoͤpfen. An den Thuͤren, die
wie an den Kirchen, damit kein Geraͤuſch entſteht, von
Tuch mit Haaren, Wolle, Werg ꝛc. ausgeſtopft ſind,
ſteht noch in und auswendig angeſchrieben; Fermez
la porte doucement.
Es iſt auch alles viel ſtiller
hier, als im Hôtel-Dieu. Man hoͤrt nur das ſchwa-
che Sprechen der Kranken, das leiſe Schleichen der Aerz-
te und Bedienten, und zuweilen das aͤngſtliche Schreien
derer, die bald hier bald dort in Nebenzimmern, unter den
ſchmerzhaften Inſtrumenten der Wundaͤrzte leiden muͤſ-
ſen. Ein Anblick, der mir Straßburg mit einmal
wieder ganz ins Gedaͤchtniß brachte, und bald wehmuͤthi-

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[270/0294] haben koͤnnte, und erfuhr, daß der Apotheker Rouelle, der Chymie lieſt, vielleicht noch etwas zum Verkauf ha- ben wuͤrde. Von da lief ich fort ins Hôtel de la Charité, Rue Tarane. Wieder eine von den koſtbaren Anſtalten zum Beſten der Armen, und der Kranken. Haller ſagt, man ſolt’ es eher Hô- tel de Cruauté heiſſen. Vielleicht war dieſes Urtheil damahls, wie er hier war, nicht ungegruͤndet, aber jetzt, duͤnkt mir, hieſſe das menſchenfeindlich urtheilen. Ich habe nichts geſehen, was nicht zweckmaͤſſig und gut war, wenn gleich bei einer Anſtalt, die wie dieſe, ins Groſ- ſe, ins Weitlaͤuftige geht, eine Menge Unvollkommenhei- ten nicht unterbleiben koͤnnen. Oben am Eingange in die Straſſe iſt eine groſſe Fontaͤne, die das Hotel ohne Zweifel mit Waſſer verſieht. Doch wird auch alles von da weggetragen. Der erſte Theil dieſes weitlaͤuftigen Ge- baͤudes iſt die Charite’ ſelbſt, mit der Inſchrift: Deus eſt Charitas. Dann koͤmmt man zum Spital ſelber. Der Hof iſt klein, aber mit Baͤumen beſetzt, unter denen die Geneſenden friſche Luſt ſchoͤpfen. An den Thuͤren, die wie an den Kirchen, damit kein Geraͤuſch entſteht, von Tuch mit Haaren, Wolle, Werg ꝛc. ausgeſtopft ſind, ſteht noch in und auswendig angeſchrieben; Fermez la porte doucement. Es iſt auch alles viel ſtiller hier, als im Hôtel-Dieu. Man hoͤrt nur das ſchwa- che Sprechen der Kranken, das leiſe Schleichen der Aerz- te und Bedienten, und zuweilen das aͤngſtliche Schreien derer, die bald hier bald dort in Nebenzimmern, unter den ſchmerzhaften Inſtrumenten der Wundaͤrzte leiden muͤſ- ſen. Ein Anblick, der mir Straßburg mit einmal wieder ganz ins Gedaͤchtniß brachte, und bald wehmuͤthi- ge,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 270. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/294>, abgerufen am 22.11.2024.