Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

ge, bald dankbare Empfindungen gegen Gott erweckte.
Die Betten stehen hier weiter von einander, als im Ho-
tel-Dieu,
haben weisse Umhänge mit Nummern und
grüne Tücher und Teppiche. Sie sind alle nur einschläf-
rig, die Gänge sind auch etwas breiter. Auch ist das
Zimmer ziemlich hoch, und die Fenster werden rein ge-
halten. Ventilators können da seyn, ich habe sie aber
nicht bemerkt, und wieviel würden auch solche kleine Din-
ger in so einem Saale ausrichten. Die Säle sind ins
Kreuz gebaut, dazwischen sind kleine Nebenzimmer. Man
sieht hie und da grosse mit Grillen eingefaßte Altäre in
den Sälen, an denen Messe gelesen wird. Die Klei-
dung der Kranken, die hier herumschleichen, ist durch-
gängig ein Matin von dickem grünen Tuch. Darneben ist
eine wohl versehene Apothecke. Die Wundärzte sind hier
wie junge Mönche gekleidet, ganz schwarz. Sie laufen
beständig mit den Schreibtafeln von einem Bette zum
andern, fragen, fühlen den Puls, schreiben vor, trösten
etc. In solchen Spitälern findet der Mensch, der Phi-
losoph, der Christ, so viel Gelegenheit zu den sanftesten und
zu den ernsthaftesten Betrachtungen, daß ich mich recht
wohl an so einem Ort befand, und vom Eckel etc. nicht die
geringste Anwandlung hatte. Darauf besah ich

L'Hotel de Monnoie, au Quay des petits
Augustins,
zwischen dem Palais Royal und dem
Pont Neuf. Ein grosses, herrliches, neues Gebäu-
de, das noch die gelbe Farbe des Pariser Steins hat.
Man prägt hier Geld, man hört auch fast in allen Zim-
mern Geld zählen, Silber wägen etc. aber man bekommt
nichts zu sehen, fast vor jeder Thüre ist eine eiserne Gril-
le und allerwegen Schildwachen. Das Hotel ist weit-

läuftig,

ge, bald dankbare Empfindungen gegen Gott erweckte.
Die Betten ſtehen hier weiter von einander, als im Ho-
tel-Dieu,
haben weiſſe Umhaͤnge mit Nummern und
gruͤne Tuͤcher und Teppiche. Sie ſind alle nur einſchlaͤf-
rig, die Gaͤnge ſind auch etwas breiter. Auch iſt das
Zimmer ziemlich hoch, und die Fenſter werden rein ge-
halten. Ventilators koͤnnen da ſeyn, ich habe ſie aber
nicht bemerkt, und wieviel wuͤrden auch ſolche kleine Din-
ger in ſo einem Saale ausrichten. Die Saͤle ſind ins
Kreuz gebaut, dazwiſchen ſind kleine Nebenzimmer. Man
ſieht hie und da groſſe mit Grillen eingefaßte Altaͤre in
den Saͤlen, an denen Meſſe geleſen wird. Die Klei-
dung der Kranken, die hier herumſchleichen, iſt durch-
gaͤngig ein Matin von dickem gruͤnen Tuch. Darneben iſt
eine wohl verſehene Apothecke. Die Wundaͤrzte ſind hier
wie junge Moͤnche gekleidet, ganz ſchwarz. Sie laufen
beſtaͤndig mit den Schreibtafeln von einem Bette zum
andern, fragen, fuͤhlen den Puls, ſchreiben vor, troͤſten
ꝛc. In ſolchen Spitaͤlern findet der Menſch, der Phi-
loſoph, der Chriſt, ſo viel Gelegenheit zu den ſanfteſten und
zu den ernſthafteſten Betrachtungen, daß ich mich recht
wohl an ſo einem Ort befand, und vom Eckel ꝛc. nicht die
geringſte Anwandlung hatte. Darauf beſah ich

L’Hôtel de Monnoie, au Quay des petits
Auguſtins,
zwiſchen dem Palais Royal und dem
Pont Neuf. Ein groſſes, herrliches, neues Gebaͤu-
de, das noch die gelbe Farbe des Pariſer Steins hat.
Man praͤgt hier Geld, man hoͤrt auch faſt in allen Zim-
mern Geld zaͤhlen, Silber waͤgen ꝛc. aber man bekommt
nichts zu ſehen, faſt vor jeder Thuͤre iſt eine eiſerne Gril-
le und allerwegen Schildwachen. Das Hotel iſt weit-

laͤuftig,
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0295" n="271"/>
ge, bald dankbare Empfindungen gegen Gott erweckte.<lb/>
Die Betten &#x017F;tehen hier weiter von einander, als im <hi rendition="#aq">Ho-<lb/>
tel-Dieu,</hi> haben wei&#x017F;&#x017F;e Umha&#x0364;nge mit Nummern und<lb/>
gru&#x0364;ne Tu&#x0364;cher und Teppiche. Sie &#x017F;ind alle nur ein&#x017F;chla&#x0364;f-<lb/>
rig, die Ga&#x0364;nge &#x017F;ind auch etwas breiter. Auch i&#x017F;t das<lb/>
Zimmer ziemlich hoch, und die Fen&#x017F;ter werden rein ge-<lb/>
halten. Ventilators ko&#x0364;nnen da &#x017F;eyn, ich habe &#x017F;ie aber<lb/>
nicht bemerkt, und wieviel wu&#x0364;rden auch &#x017F;olche kleine Din-<lb/>
ger in &#x017F;o einem Saale ausrichten. Die Sa&#x0364;le &#x017F;ind ins<lb/>
Kreuz gebaut, dazwi&#x017F;chen &#x017F;ind kleine Nebenzimmer. Man<lb/>
&#x017F;ieht hie und da gro&#x017F;&#x017F;e mit Grillen eingefaßte Alta&#x0364;re in<lb/>
den Sa&#x0364;len, an denen Me&#x017F;&#x017F;e gele&#x017F;en wird. Die Klei-<lb/>
dung der Kranken, die hier herum&#x017F;chleichen, i&#x017F;t durch-<lb/>
ga&#x0364;ngig ein Matin von dickem gru&#x0364;nen Tuch. Darneben i&#x017F;t<lb/>
eine wohl ver&#x017F;ehene Apothecke. Die Wunda&#x0364;rzte &#x017F;ind hier<lb/>
wie junge Mo&#x0364;nche gekleidet, ganz &#x017F;chwarz. Sie laufen<lb/>
be&#x017F;ta&#x0364;ndig mit den Schreibtafeln von einem Bette zum<lb/>
andern, fragen, fu&#x0364;hlen den Puls, &#x017F;chreiben vor, tro&#x0364;&#x017F;ten<lb/>
&#xA75B;c. In &#x017F;olchen Spita&#x0364;lern findet der Men&#x017F;ch, der Phi-<lb/>
lo&#x017F;oph, der Chri&#x017F;t, &#x017F;o viel Gelegenheit zu den &#x017F;anfte&#x017F;ten und<lb/>
zu den ern&#x017F;thafte&#x017F;ten Betrachtungen, daß ich mich recht<lb/>
wohl an &#x017F;o einem Ort befand, und vom Eckel &#xA75B;c. nicht die<lb/>
gering&#x017F;te Anwandlung hatte. Darauf be&#x017F;ah ich</p><lb/>
            <p><hi rendition="#aq">L&#x2019;Hôtel de Monnoie, au Quay des petits<lb/>
Augu&#x017F;tins,</hi> zwi&#x017F;chen dem <hi rendition="#fr">Palais Royal</hi> und dem<lb/><hi rendition="#fr">Pont Neuf.</hi> Ein gro&#x017F;&#x017F;es, herrliches, neues Geba&#x0364;u-<lb/>
de, das noch die gelbe Farbe des <hi rendition="#fr">Pari&#x017F;</hi>er Steins hat.<lb/>
Man pra&#x0364;gt hier Geld, man ho&#x0364;rt auch fa&#x017F;t in allen Zim-<lb/>
mern Geld za&#x0364;hlen, Silber wa&#x0364;gen &#xA75B;c. aber man bekommt<lb/>
nichts zu &#x017F;ehen, fa&#x017F;t vor jeder Thu&#x0364;re i&#x017F;t eine ei&#x017F;erne Gril-<lb/>
le und allerwegen Schildwachen. Das Hotel i&#x017F;t weit-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">la&#x0364;uftig,</fw><lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[271/0295] ge, bald dankbare Empfindungen gegen Gott erweckte. Die Betten ſtehen hier weiter von einander, als im Ho- tel-Dieu, haben weiſſe Umhaͤnge mit Nummern und gruͤne Tuͤcher und Teppiche. Sie ſind alle nur einſchlaͤf- rig, die Gaͤnge ſind auch etwas breiter. Auch iſt das Zimmer ziemlich hoch, und die Fenſter werden rein ge- halten. Ventilators koͤnnen da ſeyn, ich habe ſie aber nicht bemerkt, und wieviel wuͤrden auch ſolche kleine Din- ger in ſo einem Saale ausrichten. Die Saͤle ſind ins Kreuz gebaut, dazwiſchen ſind kleine Nebenzimmer. Man ſieht hie und da groſſe mit Grillen eingefaßte Altaͤre in den Saͤlen, an denen Meſſe geleſen wird. Die Klei- dung der Kranken, die hier herumſchleichen, iſt durch- gaͤngig ein Matin von dickem gruͤnen Tuch. Darneben iſt eine wohl verſehene Apothecke. Die Wundaͤrzte ſind hier wie junge Moͤnche gekleidet, ganz ſchwarz. Sie laufen beſtaͤndig mit den Schreibtafeln von einem Bette zum andern, fragen, fuͤhlen den Puls, ſchreiben vor, troͤſten ꝛc. In ſolchen Spitaͤlern findet der Menſch, der Phi- loſoph, der Chriſt, ſo viel Gelegenheit zu den ſanfteſten und zu den ernſthafteſten Betrachtungen, daß ich mich recht wohl an ſo einem Ort befand, und vom Eckel ꝛc. nicht die geringſte Anwandlung hatte. Darauf beſah ich L’Hôtel de Monnoie, au Quay des petits Auguſtins, zwiſchen dem Palais Royal und dem Pont Neuf. Ein groſſes, herrliches, neues Gebaͤu- de, das noch die gelbe Farbe des Pariſer Steins hat. Man praͤgt hier Geld, man hoͤrt auch faſt in allen Zim- mern Geld zaͤhlen, Silber waͤgen ꝛc. aber man bekommt nichts zu ſehen, faſt vor jeder Thuͤre iſt eine eiſerne Gril- le und allerwegen Schildwachen. Das Hotel iſt weit- laͤuftig,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/295
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 271. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/295>, abgerufen am 22.11.2024.