Ich sah die meisten blos Stroh fressen, und erkundigte mich deswegen. Man sagte mir, alle die, welche jetzt stark und gesund wären, bekämen Stroh, nur den ma- gern oder kranken gebe man Heu. Für so viele Pferde dünkt mir der Stall viel zu schmal. Man konnte kaum nebenher gehen, wenn man nicht zu nahe kommen wollte, und im Sommer ist's gar zu dumpfigt darin. Aber alle Marställe sind hier so. Unter den Pferden waren viele Holländer und Normänner etc. Ich lies mir auch die Staatswagen der Königin zeigen, und ward von der Dienstfertigkeit eines Stallknechts überrascht. Die Kut- scher waren nicht da, ich sollte daher wiederkommen, das wollt' ich nicht. Da ging doch einer und holte die Schlüssel, und nachher wollt' er dennoch nicht das Ge- ringste von mir annehmen, "er sei nicht so interessirt, sagte er, "er freue sich über jeden Deutschen; der Kaiser "wäre auch da gewesen. etc. etc. Er nahm schlechter- dings nichts, zeigte mir aber einen andern aermern, dem ichs statt seiner geben sollte, wenn ich doch wollte. Ist dies nicht eine seltne Gesinnung unter Leuten von der Art? Ich freue mich allemahl darüber mehr, als wenn ich höre, daß ein Monarch einem Musikanten 100. Louis- d'or geschenkt hat. -- Von den Karossen der Königin aber kan ich nichts sagen! Das läßt sich nicht beschrei- ben. -- Da ist an einer von den prächtigsten für 800,000. Livres Arbeit daran, so gewis als für einen Sous, und das Gold daran, o!! Ein Küssen lag darin, -- -- wer in seinem Leben auf so einem sitzt, kriegt gewis keine Fistel, doch still, Ludwig der 14te hat sie doch gehabt. -- Ich fand hier auch Karossen für die Ambassadeurs. etc. etc.
Bemer-
Ich ſah die meiſten blos Stroh freſſen, und erkundigte mich deswegen. Man ſagte mir, alle die, welche jetzt ſtark und geſund waͤren, bekaͤmen Stroh, nur den ma- gern oder kranken gebe man Heu. Fuͤr ſo viele Pferde duͤnkt mir der Stall viel zu ſchmal. Man konnte kaum nebenher gehen, wenn man nicht zu nahe kommen wollte, und im Sommer iſt’s gar zu dumpfigt darin. Aber alle Marſtaͤlle ſind hier ſo. Unter den Pferden waren viele Hollaͤnder und Normaͤnner ꝛc. Ich lies mir auch die Staatswagen der Koͤnigin zeigen, und ward von der Dienſtfertigkeit eines Stallknechts uͤberraſcht. Die Kut- ſcher waren nicht da, ich ſollte daher wiederkommen, das wollt’ ich nicht. Da ging doch einer und holte die Schluͤſſel, und nachher wollt’ er dennoch nicht das Ge- ringſte von mir annehmen, „er ſei nicht ſo intereſſirt, ſagte er, „er freue ſich uͤber jeden Deutſchen; der Kaiſer „waͤre auch da geweſen. ꝛc. ꝛc. Er nahm ſchlechter- dings nichts, zeigte mir aber einen andern aermern, dem ichs ſtatt ſeiner geben ſollte, wenn ich doch wollte. Iſt dies nicht eine ſeltne Geſinnung unter Leuten von der Art? Ich freue mich allemahl daruͤber mehr, als wenn ich hoͤre, daß ein Monarch einem Muſikanten 100. Louis- d’or geſchenkt hat. — Von den Karoſſen der Koͤnigin aber kan ich nichts ſagen! Das laͤßt ſich nicht beſchrei- ben. — Da iſt an einer von den praͤchtigſten fuͤr 800,000. Livres Arbeit daran, ſo gewis als fuͤr einen Sous, und das Gold daran, o!! Ein Kuͤſſen lag darin, — — wer in ſeinem Leben auf ſo einem ſitzt, kriegt gewis keine Fiſtel, doch ſtill, Ludwig der 14te hat ſie doch gehabt. — Ich fand hier auch Karoſſen fuͤr die Ambaſſadeurs. ꝛc. ꝛc.
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Ich ſah die meiſten blos Stroh freſſen, und erkundigte
mich deswegen. Man ſagte mir, alle die, welche jetzt
ſtark und geſund waͤren, bekaͤmen Stroh, nur den ma-
gern oder kranken gebe man Heu. Fuͤr ſo viele Pferde
duͤnkt mir der Stall viel zu ſchmal. Man konnte kaum
nebenher gehen, wenn man nicht zu nahe kommen wollte,
und im Sommer iſt’s gar zu dumpfigt darin. Aber alle
Marſtaͤlle ſind hier ſo. Unter den Pferden waren viele
Hollaͤnder und Normaͤnner ꝛc. Ich lies mir auch die
Staatswagen der Koͤnigin zeigen, und ward von der
Dienſtfertigkeit eines Stallknechts uͤberraſcht. Die Kut-
ſcher waren nicht da, ich ſollte daher wiederkommen, das
wollt’ ich nicht. Da ging doch einer und holte die
Schluͤſſel, und nachher wollt’ er dennoch nicht das Ge-
ringſte von mir annehmen, „er ſei nicht ſo intereſſirt,
ſagte er, „er freue ſich uͤber jeden Deutſchen; der Kaiſer
„waͤre auch da geweſen. ꝛc. ꝛc. Er nahm ſchlechter-
dings nichts, zeigte mir aber einen andern aermern, dem
ichs ſtatt ſeiner geben ſollte, wenn ich doch wollte. Iſt
dies nicht eine ſeltne Geſinnung unter Leuten von der
Art? Ich freue mich allemahl daruͤber mehr, als wenn
ich hoͤre, daß ein Monarch einem Muſikanten 100. Louis-
d’or geſchenkt hat. — Von den Karoſſen der Koͤnigin
aber kan ich nichts ſagen! Das laͤßt ſich nicht beſchrei-
ben. — Da iſt an einer von den praͤchtigſten fuͤr
800,000. Livres Arbeit daran, ſo gewis als fuͤr einen
Sous, und das Gold daran, o!! Ein Kuͤſſen lag darin,
— — wer in ſeinem Leben auf ſo einem ſitzt, kriegt
gewis keine Fiſtel, doch ſtill, Ludwig der 14te hat ſie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 318. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/342>, abgerufen am 22.11.2024.
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