Als ich nach meinem Quartier zurück kam, sah ich eine ganz andre Scene. Zwei Garde du Corps hat- ten mit einander, -- um einer Frau, -- (um einer Hure --) willen -- vor dem Thor duellirt, und der eine war so gut als todt. Der andre hatte ihm den Degen unten in Leib und oben wieder herausgejagt. Man brachte den Verwundeten herein, und vor meinem Quartier sank er um, die Köchin sprang heraus, brachte Essig und Eau de Carmes, das half doch so viel, daß er da wegkam, um vermuthlich an einem andern Orte zu sterben, Nachher hört' ich, man habe ein Rencontre draus gemacht. -- -- Eheliche Treue scheint in Frank- reich immer seltner zu werden. Ich habe manche Sce- ne gesehen, die ich nicht schildern mag. Auch scheut man sich nicht vor den Fremden, und das allein ärgerte mich immer dabei, weil es ein offenbarer Beweis ist, daß sie jeden Fremden für einen Menschen von eben so schlech- ter Denkungsart halten. Viele Franzosen sagens einem grade ins Gesicht, daß man ohne Zweifel um der Wol- lust willen zu ihnen komme etc. Das soll dann französi- sche Lebensart, ungenirtes Wesen, savoir vivre seyn!
Wenn Hochzeiten in Frankreich gehalten werden, so halten die Ehrengesellen, wie sie bei uns heißen, einen Seidenzeug, oder Stoff über die Köpfe des Brautpaars, während der Geistliche die Benediktion gibt. Der Arm wird den jungen Burschen oft ganz müde, es währt wohl eine Viertelstunde. Dafür schickt die Braut nachher jedem ein Geschenk, ein Noeud d'Epe'e etc. Ist dies nicht eine Nachahmung von der Chüppa der Juden? Oder vielleicht ein Rest aus der alten Kirche?
In
Bemerkungen.
Als ich nach meinem Quartier zuruͤck kam, ſah ich eine ganz andre Scene. Zwei Garde du Corps hat- ten mit einander, — um einer Frau, — (um einer Hure —) willen — vor dem Thor duellirt, und der eine war ſo gut als todt. Der andre hatte ihm den Degen unten in Leib und oben wieder herausgejagt. Man brachte den Verwundeten herein, und vor meinem Quartier ſank er um, die Koͤchin ſprang heraus, brachte Eſſig und Eau de Carmes, das half doch ſo viel, daß er da wegkam, um vermuthlich an einem andern Orte zu ſterben, Nachher hoͤrt’ ich, man habe ein Rencontre draus gemacht. — — Eheliche Treue ſcheint in Frank- reich immer ſeltner zu werden. Ich habe manche Sce- ne geſehen, die ich nicht ſchildern mag. Auch ſcheut man ſich nicht vor den Fremden, und das allein aͤrgerte mich immer dabei, weil es ein offenbarer Beweis iſt, daß ſie jeden Fremden fuͤr einen Menſchen von eben ſo ſchlech- ter Denkungsart halten. Viele Franzoſen ſagens einem grade ins Geſicht, daß man ohne Zweifel um der Wol- luſt willen zu ihnen komme ꝛc. Das ſoll dann franzoͤſi- ſche Lebensart, ungenirtes Weſen, ſavoir vivre ſeyn!
Wenn Hochzeiten in Frankreich gehalten werden, ſo halten die Ehrengeſellen, wie ſie bei uns heißen, einen Seidenzeug, oder Stoff uͤber die Koͤpfe des Brautpaars, waͤhrend der Geiſtliche die Benediktion gibt. Der Arm wird den jungen Burſchen oft ganz muͤde, es waͤhrt wohl eine Viertelſtunde. Dafuͤr ſchickt die Braut nachher jedem ein Geſchenk, ein Noeud d’Epe’e ꝛc. Iſt dies nicht eine Nachahmung von der Chüppa der Juden? Oder vielleicht ein Reſt aus der alten Kirche?
In
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Bemerkungen.
Als ich nach meinem Quartier zuruͤck kam, ſah ich
eine ganz andre Scene. Zwei Garde du Corps hat-
ten mit einander, — um einer Frau, — (um einer
Hure —) willen — vor dem Thor duellirt, und der
eine war ſo gut als todt. Der andre hatte ihm den
Degen unten in Leib und oben wieder herausgejagt.
Man brachte den Verwundeten herein, und vor meinem
Quartier ſank er um, die Koͤchin ſprang heraus, brachte
Eſſig und Eau de Carmes, das half doch ſo viel, daß
er da wegkam, um vermuthlich an einem andern Orte
zu ſterben, Nachher hoͤrt’ ich, man habe ein Rencontre
draus gemacht. — — Eheliche Treue ſcheint in Frank-
reich immer ſeltner zu werden. Ich habe manche Sce-
ne geſehen, die ich nicht ſchildern mag. Auch ſcheut
man ſich nicht vor den Fremden, und das allein aͤrgerte
mich immer dabei, weil es ein offenbarer Beweis iſt, daß
ſie jeden Fremden fuͤr einen Menſchen von eben ſo ſchlech-
ter Denkungsart halten. Viele Franzoſen ſagens einem
grade ins Geſicht, daß man ohne Zweifel um der Wol-
luſt willen zu ihnen komme ꝛc. Das ſoll dann franzoͤſi-
ſche Lebensart, ungenirtes Weſen, ſavoir vivre ſeyn!
Wenn Hochzeiten in Frankreich gehalten werden,
ſo halten die Ehrengeſellen, wie ſie bei uns heißen, einen
Seidenzeug, oder Stoff uͤber die Koͤpfe des Brautpaars,
waͤhrend der Geiſtliche die Benediktion gibt. Der Arm
wird den jungen Burſchen oft ganz muͤde, es waͤhrt wohl
eine Viertelſtunde. Dafuͤr ſchickt die Braut nachher
jedem ein Geſchenk, ein Noeud d’Epe’e ꝛc. Iſt dies
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 319. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/343>, abgerufen am 22.11.2024.
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