Die Leute trinken viel Bier und rauchen Tobak, auslangen holländischen Pfeifen. Schon ein Vorschmack von Holland.
Cambray. Da war ich etliche Stunden über Mit- tag. Die Avenue ist ganz mit Hollunderbäumen besetzt, auch auf der andern Seite. Die Festungswerke sind herrlich, doch wächst in den Gräben allerlei. Von weitem bekömmt man schon den Steinkohlengeruch. Die Häuser sind alle von Backsteinen, alt und eng, aber luf- tiger, als in Paris. Die Strassen sind meist regulär. In der Stadt sind sehr viele freie Plätze, und der Markt- platz ist grösser als einer in Paris. Hier kostet eine Bouteille neuer, rother, sehr mittelmäßiger Wein schon 30. Sous. Das Rathhaus hat viele Baukunst und ein starkvergoldetes Zifferblatt. Der Zeiger der Uhr liegt auf einer Sonne, das macht einen herrlichen Effekt. War's vielleicht hier, daß 1509. der Pabst, der Kaiser, und der König von Frankreich den Bund machten, der Venedig stürzen sollte? Ich sah es lang an, und aus der Geschichte fiel mir der Bund ein.
Der Weg von hier nach Valenciennes, 7. Stun- den, die wir in 3. fuhren, ist ganz schwarz, weil bestän- dig Steinkohlenwagen, auf denen ich die grösten Stücke liegen sah, auf- und abfahren.
Valenciennes. Die Douane war hier schärfer, als anderswo, weil es eine Gränzfestung ist.
Ich suchte auf dem Magazin des Malles meinen Kuffer; aber vergebens. Der Commis der Diligence glaubte immer, daß er schon vor mir hergekommen wäre. Den Kummer nahm ich mit in meine neue Wohnung, die ich a l'Empereur recht gut fand.
Unter
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Die Leute trinken viel Bier und rauchen Tobak, auslangen hollaͤndiſchen Pfeifen. Schon ein Vorſchmack von Holland.
Cambray. Da war ich etliche Stunden uͤber Mit- tag. Die Avenue iſt ganz mit Hollunderbaͤumen beſetzt, auch auf der andern Seite. Die Feſtungswerke ſind herrlich, doch waͤchſt in den Graͤben allerlei. Von weitem bekoͤmmt man ſchon den Steinkohlengeruch. Die Haͤuſer ſind alle von Backſteinen, alt und eng, aber luf- tiger, als in Paris. Die Straſſen ſind meiſt regulaͤr. In der Stadt ſind ſehr viele freie Plaͤtze, und der Markt- platz iſt groͤſſer als einer in Paris. Hier koſtet eine Bouteille neuer, rother, ſehr mittelmaͤßiger Wein ſchon 30. Sous. Das Rathhaus hat viele Baukunſt und ein ſtarkvergoldetes Zifferblatt. Der Zeiger der Uhr liegt auf einer Sonne, das macht einen herrlichen Effekt. War’s vielleicht hier, daß 1509. der Pabſt, der Kaiſer, und der Koͤnig von Frankreich den Bund machten, der Venedig ſtuͤrzen ſollte? Ich ſah es lang an, und aus der Geſchichte fiel mir der Bund ein.
Der Weg von hier nach Valenciennes, 7. Stun- den, die wir in 3. fuhren, iſt ganz ſchwarz, weil beſtaͤn- dig Steinkohlenwagen, auf denen ich die groͤſten Stuͤcke liegen ſah, auf- und abfahren.
Valenciennes. Die Douane war hier ſchaͤrfer, als anderswo, weil es eine Graͤnzfeſtung iſt.
Ich ſuchte auf dem Magazin des Malles meinen Kuffer; aber vergebens. Der Commis der Diligence glaubte immer, daß er ſchon vor mir hergekommen waͤre. Den Kummer nahm ich mit in meine neue Wohnung, die ich à l’Empereur recht gut fand.
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Die Leute trinken viel Bier und rauchen Tobak,
auslangen hollaͤndiſchen Pfeifen. Schon ein Vorſchmack
von Holland.
Cambray. Da war ich etliche Stunden uͤber Mit-
tag. Die Avenue iſt ganz mit Hollunderbaͤumen beſetzt,
auch auf der andern Seite. Die Feſtungswerke ſind
herrlich, doch waͤchſt in den Graͤben allerlei. Von
weitem bekoͤmmt man ſchon den Steinkohlengeruch. Die
Haͤuſer ſind alle von Backſteinen, alt und eng, aber luf-
tiger, als in Paris. Die Straſſen ſind meiſt regulaͤr.
In der Stadt ſind ſehr viele freie Plaͤtze, und der Markt-
platz iſt groͤſſer als einer in Paris. Hier koſtet eine
Bouteille neuer, rother, ſehr mittelmaͤßiger Wein ſchon
30. Sous. Das Rathhaus hat viele Baukunſt und
ein ſtarkvergoldetes Zifferblatt. Der Zeiger der Uhr
liegt auf einer Sonne, das macht einen herrlichen Effekt.
War’s vielleicht hier, daß 1509. der Pabſt, der Kaiſer,
und der Koͤnig von Frankreich den Bund machten, der
Venedig ſtuͤrzen ſollte? Ich ſah es lang an, und aus
der Geſchichte fiel mir der Bund ein.
Der Weg von hier nach Valenciennes, 7. Stun-
den, die wir in 3. fuhren, iſt ganz ſchwarz, weil beſtaͤn-
dig Steinkohlenwagen, auf denen ich die groͤſten Stuͤcke
liegen ſah, auf- und abfahren.
Valenciennes. Die Douane war hier ſchaͤrfer,
als anderswo, weil es eine Graͤnzfeſtung iſt.
Ich ſuchte auf dem Magazin des Malles meinen
Kuffer; aber vergebens. Der Commis der Diligence
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 391. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/415>, abgerufen am 22.11.2024.
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