der Intendance hatte von Mr. Dehault Befehl an alle Thürhüter, mir alles zu öfnen. Diese Unglücklichen ha- ben in einem andern Theile des Gebäudes auf einem schma- len Gange kleine Zellen oder kleine Winkel in der Wand, worin ein Bett und ein Stuhl steht. Gottlob! es waren nicht viele da, aber es war allemahl ein niederschlagen- der Anblick. Einige Mannspersonen standen im Hem- de in den Thüren und fragten den Thürsteher, ob er denn nicht schon lange gestorben wäre? etc. Andre waren still und machten mir tiefe Verbeugungen. Unter denen ist ein andrer Gang für Weibspersonen, in diesen betrübten Umständen. Ueber diese ist auch eine Frau zur Aufse- herin bestellt. Da waren mehr als unten; sie hatten aber heute fast alle Lust beständig im Bett liegen zu blei- ben. Eine grosse, gutgekleidete Frau, wohlgebaut und nicht närrisch aussehend, kam mir entgegen, und sing unverständlich an zu reden. Ein andres junges Frauen- zimmer lag wie immer, mit den Knien bis auf die Brust heraufgezogen, ganz still und ruhig auf dem Bett. -- O Gott, es thut weh, daß man für solche Menschen nichts thun kan, als seufzen! Man wies mir ferner die unterirdischen Gewölbe, die unter dem ganzen Hause durch- gehen, und zu den Magazinen fürs Brot, Holz etc. be- stimmt sind. Da fand ich viele Becker, die alle Tage backen, und, wie sie mir sagten, in jeder Woche 18. Sä- cke Roggen verbacken, jeder Sack wiegt 158. Pfund. Das Brot war sehr gut gebacken und schmeckte nicht übel. Das Holzmagazin ging durch das ganze Gebäude fort bis hinten an die Schelde. Hierauf nahm ich
La Statue de Louis XV. in Augenschein. Sie steht auf dem Platze der Stadt, der sehr schön ist, auf
der
der Intendance hatte von Mr. Dehault Befehl an alle Thuͤrhuͤter, mir alles zu oͤfnen. Dieſe Ungluͤcklichen ha- ben in einem andern Theile des Gebaͤudes auf einem ſchma- len Gange kleine Zellen oder kleine Winkel in der Wand, worin ein Bett und ein Stuhl ſteht. Gottlob! es waren nicht viele da, aber es war allemahl ein niederſchlagen- der Anblick. Einige Mannsperſonen ſtanden im Hem- de in den Thuͤren und fragten den Thuͤrſteher, ob er denn nicht ſchon lange geſtorben waͤre? ꝛc. Andre waren ſtill und machten mir tiefe Verbeugungen. Unter denen iſt ein andrer Gang fuͤr Weibsperſonen, in dieſen betruͤbten Umſtaͤnden. Ueber dieſe iſt auch eine Frau zur Aufſe- herin beſtellt. Da waren mehr als unten; ſie hatten aber heute faſt alle Luſt beſtaͤndig im Bett liegen zu blei- ben. Eine groſſe, gutgekleidete Frau, wohlgebaut und nicht naͤrriſch ausſehend, kam mir entgegen, und ſing unverſtaͤndlich an zu reden. Ein andres junges Frauen- zimmer lag wie immer, mit den Knien bis auf die Bruſt heraufgezogen, ganz ſtill und ruhig auf dem Bett. — O Gott, es thut weh, daß man fuͤr ſolche Menſchen nichts thun kan, als ſeufzen! Man wies mir ferner die unterirdiſchen Gewoͤlbe, die unter dem ganzen Hauſe durch- gehen, und zu den Magazinen fuͤrs Brot, Holz ꝛc. be- ſtimmt ſind. Da fand ich viele Becker, die alle Tage backen, und, wie ſie mir ſagten, in jeder Woche 18. Saͤ- cke Roggen verbacken, jeder Sack wiegt 158. Pfund. Das Brot war ſehr gut gebacken und ſchmeckte nicht uͤbel. Das Holzmagazin ging durch das ganze Gebaͤude fort bis hinten an die Schelde. Hierauf nahm ich
La Statue de Louis XV. in Augenſchein. Sie ſteht auf dem Platze der Stadt, der ſehr ſchoͤn iſt, auf
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der Intendance hatte von Mr. Dehault Befehl an alle
Thuͤrhuͤter, mir alles zu oͤfnen. Dieſe Ungluͤcklichen ha-
ben in einem andern Theile des Gebaͤudes auf einem ſchma-
len Gange kleine Zellen oder kleine Winkel in der Wand,
worin ein Bett und ein Stuhl ſteht. Gottlob! es waren
nicht viele da, aber es war allemahl ein niederſchlagen-
der Anblick. Einige Mannsperſonen ſtanden im Hem-
de in den Thuͤren und fragten den Thuͤrſteher, ob er denn
nicht ſchon lange geſtorben waͤre? ꝛc. Andre waren ſtill
und machten mir tiefe Verbeugungen. Unter denen iſt
ein andrer Gang fuͤr Weibsperſonen, in dieſen betruͤbten
Umſtaͤnden. Ueber dieſe iſt auch eine Frau zur Aufſe-
herin beſtellt. Da waren mehr als unten; ſie hatten
aber heute faſt alle Luſt beſtaͤndig im Bett liegen zu blei-
ben. Eine groſſe, gutgekleidete Frau, wohlgebaut und
nicht naͤrriſch ausſehend, kam mir entgegen, und ſing
unverſtaͤndlich an zu reden. Ein andres junges Frauen-
zimmer lag wie immer, mit den Knien bis auf die Bruſt
heraufgezogen, ganz ſtill und ruhig auf dem Bett. —
O Gott, es thut weh, daß man fuͤr ſolche Menſchen
nichts thun kan, als ſeufzen! Man wies mir ferner die
unterirdiſchen Gewoͤlbe, die unter dem ganzen Hauſe durch-
gehen, und zu den Magazinen fuͤrs Brot, Holz ꝛc. be-
ſtimmt ſind. Da fand ich viele Becker, die alle Tage
backen, und, wie ſie mir ſagten, in jeder Woche 18. Saͤ-
cke Roggen verbacken, jeder Sack wiegt 158. Pfund.
Das Brot war ſehr gut gebacken und ſchmeckte nicht uͤbel.
Das Holzmagazin ging durch das ganze Gebaͤude fort
bis hinten an die Schelde. Hierauf nahm ich
La Statue de Louis XV. in Augenſchein. Sie
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 399. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/423>, abgerufen am 22.11.2024.
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