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Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

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Versailles, la Chasse Royale, le Palais Royal
etc.
ich logirte au petit Versailles. Eine Parochial-
kirche, etliche Teiche, ein Hospital für die Soldaten, Al-
leen im Walde etc. findet man da, und wegen des Bades
kommen Leute von verschiedenen Nationen hierher. Ich
sah einen Spanier da, der ohngeachtet der ausserordent-
lichen Hitze eine dicke sammtene Weste recht wohl zuge-
knöpft, über seinem Bauche trug. Die Bäder, die man
hier braucht, sind von zweierlei Art:

I) Les Boues minerales, oder le grand Marais.
Eine so sonderbare Sache, daß man's fast, ohn' es zu se-
hen, nicht glauben kan. Am Ende des Dorfs vor dem
Walde liegt ein grosser, schwarzer, dicker, stinkender,
mit Quellwasser überflossener Morast, der nach langen
und vielen Erfahrungen für allerlei Krankheiten, Schä-
den, für das Hüftweh, für jambes tortues, für die
Folgen eines Falls, für Nervenzufälle, für Gliederschmer-
zen etc. gut ist. Ueber diesen Morast hat man ein höl-
zernes Haus gebaut, das gar keine Mauren, an allen
Seiten nichts als Fenster, und oben ein Schieferdach
hat und in den Morast hat man Balken, der Länge und
der Quere nach, gelegt, damit er ein bischen fest würde,
weil unten kein fester Boden, und noch eine Menge Quel-
len sind, aus denen an allen Orten beständig Wasser her-
aufquillt. Auf einem von den Querbalken ist inwendig
im Hause eine Abtheilung, oder Verschlag, halb so hoch,
als das Haus ist, gemacht. Der Raum hinter dieser
Bretwand ist den Soldaten und andern gemeinen Leuten
überlassen. In der vordern Hälfte ist der Morast ver-
mittelst der Balken in kleine Zellen oder Quarre's abge-
theilt. Jedes Stück des Morasts ist mit einem Reif
überspannt,

Verſailles, la Chaſſe Royale, le Palais Royal
etc.
ich logirte au petit Verſailles. Eine Parochial-
kirche, etliche Teiche, ein Hoſpital fuͤr die Soldaten, Al-
leen im Walde ꝛc. findet man da, und wegen des Bades
kommen Leute von verſchiedenen Nationen hierher. Ich
ſah einen Spanier da, der ohngeachtet der auſſerordent-
lichen Hitze eine dicke ſammtene Weſte recht wohl zuge-
knoͤpft, uͤber ſeinem Bauche trug. Die Baͤder, die man
hier braucht, ſind von zweierlei Art:

I) Les Boues minerales, oder le grand Marais.
Eine ſo ſonderbare Sache, daß man’s faſt, ohn’ es zu ſe-
hen, nicht glauben kan. Am Ende des Dorfs vor dem
Walde liegt ein groſſer, ſchwarzer, dicker, ſtinkender,
mit Quellwaſſer uͤberfloſſener Moraſt, der nach langen
und vielen Erfahrungen fuͤr allerlei Krankheiten, Schaͤ-
den, fuͤr das Huͤftweh, fuͤr jambes tortues, fuͤr die
Folgen eines Falls, fuͤr Nervenzufaͤlle, fuͤr Gliederſchmer-
zen ꝛc. gut iſt. Ueber dieſen Moraſt hat man ein hoͤl-
zernes Haus gebaut, das gar keine Mauren, an allen
Seiten nichts als Fenſter, und oben ein Schieferdach
hat und in den Moraſt hat man Balken, der Laͤnge und
der Quere nach, gelegt, damit er ein bischen feſt wuͤrde,
weil unten kein feſter Boden, und noch eine Menge Quel-
len ſind, aus denen an allen Orten beſtaͤndig Waſſer her-
aufquillt. Auf einem von den Querbalken iſt inwendig
im Hauſe eine Abtheilung, oder Verſchlag, halb ſo hoch,
als das Haus iſt, gemacht. Der Raum hinter dieſer
Bretwand iſt den Soldaten und andern gemeinen Leuten
uͤberlaſſen. In der vordern Haͤlfte iſt der Moraſt ver-
mittelſt der Balken in kleine Zellen oder Quarre’s abge-
theilt. Jedes Stuͤck des Moraſts iſt mit einem Reif
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[410/0434] Verſailles, la Chaſſe Royale, le Palais Royal etc. ich logirte au petit Verſailles. Eine Parochial- kirche, etliche Teiche, ein Hoſpital fuͤr die Soldaten, Al- leen im Walde ꝛc. findet man da, und wegen des Bades kommen Leute von verſchiedenen Nationen hierher. Ich ſah einen Spanier da, der ohngeachtet der auſſerordent- lichen Hitze eine dicke ſammtene Weſte recht wohl zuge- knoͤpft, uͤber ſeinem Bauche trug. Die Baͤder, die man hier braucht, ſind von zweierlei Art: I) Les Boues minerales, oder le grand Marais. Eine ſo ſonderbare Sache, daß man’s faſt, ohn’ es zu ſe- hen, nicht glauben kan. Am Ende des Dorfs vor dem Walde liegt ein groſſer, ſchwarzer, dicker, ſtinkender, mit Quellwaſſer uͤberfloſſener Moraſt, der nach langen und vielen Erfahrungen fuͤr allerlei Krankheiten, Schaͤ- den, fuͤr das Huͤftweh, fuͤr jambes tortues, fuͤr die Folgen eines Falls, fuͤr Nervenzufaͤlle, fuͤr Gliederſchmer- zen ꝛc. gut iſt. Ueber dieſen Moraſt hat man ein hoͤl- zernes Haus gebaut, das gar keine Mauren, an allen Seiten nichts als Fenſter, und oben ein Schieferdach hat und in den Moraſt hat man Balken, der Laͤnge und der Quere nach, gelegt, damit er ein bischen feſt wuͤrde, weil unten kein feſter Boden, und noch eine Menge Quel- len ſind, aus denen an allen Orten beſtaͤndig Waſſer her- aufquillt. Auf einem von den Querbalken iſt inwendig im Hauſe eine Abtheilung, oder Verſchlag, halb ſo hoch, als das Haus iſt, gemacht. Der Raum hinter dieſer Bretwand iſt den Soldaten und andern gemeinen Leuten uͤberlaſſen. In der vordern Haͤlfte iſt der Moraſt ver- mittelſt der Balken in kleine Zellen oder Quarre’s abge- theilt. Jedes Stuͤck des Moraſts iſt mit einem Reif uͤberſpannt,

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Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 410. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/434>, abgerufen am 27.09.2024.