Krümmungen und Hügel abgerechnet, scheint ein gewisser regelmässiger Plan in der Anlage der Stadt zu herrschen. Man sagte mir, daß 10000. Bürger da wären, und sehr viele Adliche. Es sind über 150. Karossen in der Stadt. Ob es gleich Sonntag Vormittags war, standen doch alle Boutiquen offen. Vor der Stadt sah ich vielen Toback pflanzen. Hier stieg nun der Kaiserliche Kommis gleich vor der Stadt in die Kutsche, und be- gleitete uns bis ans Zollhaus, wo der ganze Wagen ab- gepackt, und alles, zum Theil auf eine sehr grobe und niederträchtige Art, visitirt ward. Die Anstalt hält die Fremden auf, macht sie alle unwillig, und in der That -- man braucht es nur gesehen zu haben, so glaubt mans -- man erreicht doch seinen Zweck nicht. Auch ohne Schleich- handel wollt' ich doch eine Menge verbotener Sachen aus- und einführen. Legt man den Kufferschlüssel und ein paar Escalins, oder 30. Sous, oder gar 3. Liver neben- einander, und zeigts dem Visitator, so nimmt er das Silber und läßt das Eisen liegen.
Von da hat man noch 10. starke Stunden bis nach Brüssel. Der Weg geht beständig auf und ab. Die meisten Gegenden sind schöne Ebenen, mit Frucht, Heu, Hafer bedeckt. Man passirt einige kleine Städte, Soignies, Brunn le Conde', Notre Dame de Ha- le etc. Die Strassen waren Abends sehr lebhaft, weil in Löwen und Brüssel Kermeß war.
Brüssel. Die Avenue von Paris her, ist eine etwas langweilig herum gezogene Allee; weil man lange vorher die Stadt gesehen hat, und sie nun aus dem Ge- sicht verliert. Unter dem Thor wollte der Visitator schon wieder einsteigen, ich sagte ihm aber etwas ernstlich, daß er sich gar keine Mühe weiter geben sollte.
Das
D 5
Kruͤmmungen und Huͤgel abgerechnet, ſcheint ein gewiſſer regelmaͤſſiger Plan in der Anlage der Stadt zu herrſchen. Man ſagte mir, daß 10000. Buͤrger da waͤren, und ſehr viele Adliche. Es ſind uͤber 150. Karoſſen in der Stadt. Ob es gleich Sonntag Vormittags war, ſtanden doch alle Boutiquen offen. Vor der Stadt ſah ich vielen Toback pflanzen. Hier ſtieg nun der Kaiſerliche Kommis gleich vor der Stadt in die Kutſche, und be- gleitete uns bis ans Zollhaus, wo der ganze Wagen ab- gepackt, und alles, zum Theil auf eine ſehr grobe und niedertraͤchtige Art, viſitirt ward. Die Anſtalt haͤlt die Fremden auf, macht ſie alle unwillig, und in der That — man braucht es nur geſehen zu haben, ſo glaubt mans — man erreicht doch ſeinen Zweck nicht. Auch ohne Schleich- handel wollt’ ich doch eine Menge verbotener Sachen aus- und einfuͤhren. Legt man den Kufferſchluͤſſel und ein paar Eſcalins, oder 30. Sous, oder gar 3. Liver neben- einander, und zeigts dem Viſitator, ſo nimmt er das Silber und laͤßt das Eiſen liegen.
Von da hat man noch 10. ſtarke Stunden bis nach Bruͤſſel. Der Weg geht beſtaͤndig auf und ab. Die meiſten Gegenden ſind ſchoͤne Ebenen, mit Frucht, Heu, Hafer bedeckt. Man paſſirt einige kleine Staͤdte, Soignies, Brunn le Conde’, Notre Dame de Ha- le ꝛc. Die Straſſen waren Abends ſehr lebhaft, weil in Loͤwen und Bruͤſſel Kermeß war.
Bruͤſſel. Die Avenue von Paris her, iſt eine etwas langweilig herum gezogene Allee; weil man lange vorher die Stadt geſehen hat, und ſie nun aus dem Ge- ſicht verliert. Unter dem Thor wollte der Viſitator ſchon wieder einſteigen, ich ſagte ihm aber etwas ernſtlich, daß er ſich gar keine Muͤhe weiter geben ſollte.
Das
D 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0449"n="425"/>
Kruͤmmungen und Huͤgel abgerechnet, ſcheint ein gewiſſer<lb/>
regelmaͤſſiger Plan in der Anlage der Stadt zu herrſchen.<lb/>
Man ſagte mir, daß 10000. Buͤrger da waͤren, und ſehr<lb/>
viele Adliche. Es ſind uͤber 150. Karoſſen in der Stadt.<lb/>
Ob es gleich Sonntag Vormittags war, ſtanden doch<lb/>
alle Boutiquen offen. Vor der Stadt ſah ich vielen<lb/>
Toback pflanzen. Hier ſtieg nun der Kaiſerliche<lb/>
Kommis gleich vor der Stadt in die Kutſche, und be-<lb/>
gleitete uns bis ans Zollhaus, wo der ganze Wagen ab-<lb/>
gepackt, und alles, zum Theil auf eine ſehr grobe und<lb/>
niedertraͤchtige Art, viſitirt ward. Die Anſtalt haͤlt die<lb/>
Fremden auf, macht ſie alle unwillig, und in der That —<lb/>
man braucht es nur geſehen zu haben, ſo glaubt mans —<lb/>
man erreicht doch ſeinen Zweck nicht. Auch ohne Schleich-<lb/>
handel wollt’ ich doch eine Menge verbotener Sachen aus-<lb/>
und einfuͤhren. Legt man den Kufferſchluͤſſel und ein<lb/>
paar <hirendition="#aq">Eſcalins,</hi> oder 30. Sous, oder gar 3. Liver neben-<lb/>
einander, und zeigts dem Viſitator, ſo nimmt er das<lb/>
Silber und laͤßt das Eiſen liegen.</p><lb/><p>Von da hat man noch 10. ſtarke Stunden bis nach<lb/><hirendition="#fr">Bruͤſſel.</hi> Der Weg geht beſtaͤndig auf und ab. Die<lb/>
meiſten Gegenden ſind ſchoͤne Ebenen, mit Frucht, Heu,<lb/>
Hafer bedeckt. Man paſſirt einige kleine Staͤdte,<lb/><hirendition="#fr">Soignies, Brunn le Conde’, Notre Dame de Ha-<lb/>
le</hi>ꝛc. Die Straſſen waren Abends ſehr lebhaft, weil<lb/>
in <hirendition="#fr">Loͤwen</hi> und <hirendition="#fr">Bruͤſſel</hi> Kermeß war.</p><lb/><p><hirendition="#fr">Bruͤſſel.</hi> Die Avenue von <hirendition="#fr">Paris</hi> her, iſt eine<lb/>
etwas langweilig herum gezogene Allee; weil man lange<lb/>
vorher die Stadt geſehen hat, und ſie nun aus dem Ge-<lb/>ſicht verliert. Unter dem Thor wollte der Viſitator ſchon<lb/>
wieder einſteigen, ich ſagte ihm aber etwas ernſtlich, daß<lb/>
er ſich gar keine Muͤhe weiter geben ſollte.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">D 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">Das</fw><lb/></div></div></div></body></text></TEI>
[425/0449]
Kruͤmmungen und Huͤgel abgerechnet, ſcheint ein gewiſſer
regelmaͤſſiger Plan in der Anlage der Stadt zu herrſchen.
Man ſagte mir, daß 10000. Buͤrger da waͤren, und ſehr
viele Adliche. Es ſind uͤber 150. Karoſſen in der Stadt.
Ob es gleich Sonntag Vormittags war, ſtanden doch
alle Boutiquen offen. Vor der Stadt ſah ich vielen
Toback pflanzen. Hier ſtieg nun der Kaiſerliche
Kommis gleich vor der Stadt in die Kutſche, und be-
gleitete uns bis ans Zollhaus, wo der ganze Wagen ab-
gepackt, und alles, zum Theil auf eine ſehr grobe und
niedertraͤchtige Art, viſitirt ward. Die Anſtalt haͤlt die
Fremden auf, macht ſie alle unwillig, und in der That —
man braucht es nur geſehen zu haben, ſo glaubt mans —
man erreicht doch ſeinen Zweck nicht. Auch ohne Schleich-
handel wollt’ ich doch eine Menge verbotener Sachen aus-
und einfuͤhren. Legt man den Kufferſchluͤſſel und ein
paar Eſcalins, oder 30. Sous, oder gar 3. Liver neben-
einander, und zeigts dem Viſitator, ſo nimmt er das
Silber und laͤßt das Eiſen liegen.
Von da hat man noch 10. ſtarke Stunden bis nach
Bruͤſſel. Der Weg geht beſtaͤndig auf und ab. Die
meiſten Gegenden ſind ſchoͤne Ebenen, mit Frucht, Heu,
Hafer bedeckt. Man paſſirt einige kleine Staͤdte,
Soignies, Brunn le Conde’, Notre Dame de Ha-
le ꝛc. Die Straſſen waren Abends ſehr lebhaft, weil
in Loͤwen und Bruͤſſel Kermeß war.
Bruͤſſel. Die Avenue von Paris her, iſt eine
etwas langweilig herum gezogene Allee; weil man lange
vorher die Stadt geſehen hat, und ſie nun aus dem Ge-
ſicht verliert. Unter dem Thor wollte der Viſitator ſchon
wieder einſteigen, ich ſagte ihm aber etwas ernſtlich, daß
er ſich gar keine Muͤhe weiter geben ſollte.
Das
D 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 425. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/449>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.