nachlallen können, weils der dickgemästete Pfaffe selber nicht kan, geschweige verstehen, um einen Liard eine Vier- telstunde nachlaufen und winseln. Die geistlichen Blut- igel haben alles, und die größte Klasse der Einwohner schmachtet mitten im fruchtbarsten Lande vergeblich nach Bildung, Unterricht, oft um Ernährung. Und ist auch irgendwo für viele Dörfer ein Pfaff von einem Klo- ster angestellt, so bin ich versichert worden, daß er selber für seine Person nichts Ueberflüssiges habe. -- So un- begreiflich schlecht sind die Anstalten, wo sie am besten seyn könten!
Die Chausseen sind, wie überall im Königreiche, prächtig, breit, mit Bäumen zu beiden Seiten besetzt, und überall beständig in gutem Stande.
Luneville, eine der anmuthigsten Städte, von einer sehr beträchtlichen Grösse; die Bürger sollen auch aufgeweckte Leute seyn. Lauter langgestreckte, grade, sich schön durchkreutzende, Strassen, hohe steinerne Häu- ser, ein vortreflicher Platz, ein sehenswürdiges Schloß, das inwendig viele Kostbarkeiten enthalten soll, mit artigen Spatziergängen findet man da.
Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy ist schön, geht durch die schönsten Felder, und hat herrliche Alleen. Die Vorstädte sind schlecht, und versprechen gar nichts. Destomehr wird man aber durch die Neu- stadt in Erstaunen gesetzt. Sie ist mit dem richtigsten Geschmack angelegt, und wird immer schöner. Be- sonders ist la Place Royale sehenswürdig, wo Lud- wig's des 15ten Bildsäule aufgerichtet ist. Auch la Caliere, ein andrer Platz, ist artig. Eben so la Place d'Alliance, und die Pepiniere. Aber das schönste
ist
nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber nicht kan, geſchweige verſtehen, um einen Liard eine Vier- telſtunde nachlaufen und winſeln. Die geiſtlichen Blut- igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo- ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. — So un- begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten ſeyn koͤnten!
Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche, praͤchtig, breit, mit Baͤumen zu beiden Seiten beſetzt, und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande.
Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch aufgeweckte Leute ſeyn. Lauter langgeſtreckte, grade, ſich ſchoͤn durchkreutzende, Straſſen, hohe ſteinerne Haͤu- ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß, das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit artigen Spatziergaͤngen findet man da.
Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu- ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be- ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud- wig’s des 15ten Bildſaͤule aufgerichtet iſt. Auch la Caliere, ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place d’Alliance, und die Pepiniere. Aber das ſchoͤnſte
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nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber
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igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner
ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach
Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt
auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo-
ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber
fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. — So un-
begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten
ſeyn koͤnten!
Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche,
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und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande.
Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von
einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch
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ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß,
das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit
artigen Spatziergaͤngen findet man da.
Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt
ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche
Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen
gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu-
ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten
Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be-
ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud-
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Caliere, ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/46>, abgerufen am 21.11.2024.
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