Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

nachlallen können, weils der dickgemästete Pfaffe selber
nicht kan, geschweige verstehen, um einen Liard eine Vier-
telstunde nachlaufen und winseln. Die geistlichen Blut-
igel haben alles, und die größte Klasse der Einwohner
schmachtet mitten im fruchtbarsten Lande vergeblich nach
Bildung, Unterricht, oft um Ernährung. Und ist
auch irgendwo für viele Dörfer ein Pfaff von einem Klo-
ster angestellt, so bin ich versichert worden, daß er selber
für seine Person nichts Ueberflüssiges habe. -- So un-
begreiflich schlecht sind die Anstalten, wo sie am besten
seyn könten!

Die Chausseen sind, wie überall im Königreiche,
prächtig, breit, mit Bäumen zu beiden Seiten besetzt,
und überall beständig in gutem Stande.

Luneville, eine der anmuthigsten Städte, von
einer sehr beträchtlichen Grösse; die Bürger sollen auch
aufgeweckte Leute seyn. Lauter langgestreckte, grade,
sich schön durchkreutzende, Strassen, hohe steinerne Häu-
ser, ein vortreflicher Platz, ein sehenswürdiges Schloß,
das inwendig viele Kostbarkeiten enthalten soll, mit
artigen Spatziergängen findet man da.

Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy ist
schön, geht durch die schönsten Felder, und hat herrliche
Alleen. Die Vorstädte sind schlecht, und versprechen
gar nichts. Destomehr wird man aber durch die Neu-
stadt in Erstaunen gesetzt. Sie ist mit dem richtigsten
Geschmack angelegt, und wird immer schöner. Be-
sonders ist la Place Royale sehenswürdig, wo Lud-
wig
's des 15ten Bildsäule aufgerichtet ist. Auch la
Caliere,
ein andrer Platz, ist artig. Eben so la Place
d'Alliance,
und die Pepiniere. Aber das schönste

ist

nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber
nicht kan, geſchweige verſtehen, um einen Liard eine Vier-
telſtunde nachlaufen und winſeln. Die geiſtlichen Blut-
igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner
ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach
Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt
auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo-
ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber
fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. — So un-
begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten
ſeyn koͤnten!

Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche,
praͤchtig, breit, mit Baͤumen zu beiden Seiten beſetzt,
und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande.

Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von
einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch
aufgeweckte Leute ſeyn. Lauter langgeſtreckte, grade,
ſich ſchoͤn durchkreutzende, Straſſen, hohe ſteinerne Haͤu-
ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß,
das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit
artigen Spatziergaͤngen findet man da.

Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt
ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche
Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen
gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu-
ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten
Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be-
ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud-
wig
’s des 15ten Bildſaͤule aufgerichtet iſt. Auch la
Caliere,
ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place
d’Alliance,
und die Pepiniere. Aber das ſchoͤnſte

iſt
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0046" n="22"/>
nachlallen ko&#x0364;nnen, weils der dickgema&#x0364;&#x017F;tete Pfaffe &#x017F;elber<lb/>
nicht kan, ge&#x017F;chweige ver&#x017F;tehen, um einen Liard eine Vier-<lb/>
tel&#x017F;tunde nachlaufen und win&#x017F;eln. Die gei&#x017F;tlichen Blut-<lb/>
igel haben alles, und die gro&#x0364;ßte Kla&#x017F;&#x017F;e der Einwohner<lb/>
&#x017F;chmachtet mitten im fruchtbar&#x017F;ten Lande vergeblich nach<lb/>
Bildung, Unterricht, oft um Erna&#x0364;hrung. Und i&#x017F;t<lb/>
auch irgendwo fu&#x0364;r viele Do&#x0364;rfer ein Pfaff von einem Klo-<lb/>
&#x017F;ter ange&#x017F;tellt, &#x017F;o bin ich ver&#x017F;ichert worden, daß er &#x017F;elber<lb/>
fu&#x0364;r &#x017F;eine Per&#x017F;on nichts Ueberflu&#x0364;&#x017F;&#x017F;iges habe. &#x2014; So un-<lb/>
begreiflich &#x017F;chlecht &#x017F;ind die An&#x017F;talten, wo &#x017F;ie am be&#x017F;ten<lb/>
&#x017F;eyn ko&#x0364;nten!</p><lb/>
          <p>Die <hi rendition="#fr">Chau&#x017F;&#x017F;een</hi> &#x017F;ind, wie u&#x0364;berall im Ko&#x0364;nigreiche,<lb/>
pra&#x0364;chtig, breit, mit Ba&#x0364;umen zu beiden Seiten be&#x017F;etzt,<lb/>
und u&#x0364;berall be&#x017F;ta&#x0364;ndig in gutem Stande.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Luneville,</hi> eine der anmuthig&#x017F;ten Sta&#x0364;dte, von<lb/>
einer &#x017F;ehr betra&#x0364;chtlichen Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e; die Bu&#x0364;rger &#x017F;ollen auch<lb/>
aufgeweckte Leute &#x017F;eyn. Lauter langge&#x017F;treckte, grade,<lb/>
&#x017F;ich &#x017F;cho&#x0364;n durchkreutzende, Stra&#x017F;&#x017F;en, hohe &#x017F;teinerne Ha&#x0364;u-<lb/>
&#x017F;er, ein vortreflicher Platz, ein &#x017F;ehenswu&#x0364;rdiges Schloß,<lb/>
das inwendig viele Ko&#x017F;tbarkeiten enthalten &#x017F;oll, mit<lb/>
artigen Spatzierga&#x0364;ngen findet man da.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Nancy,</hi> der Weg von <hi rendition="#fr">Luneville</hi> nach <hi rendition="#fr">Nancy</hi> i&#x017F;t<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;n, geht durch die &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;ten Felder, und hat herrliche<lb/>
Alleen. Die Vor&#x017F;ta&#x0364;dte &#x017F;ind &#x017F;chlecht, und ver&#x017F;prechen<lb/>
gar nichts. De&#x017F;tomehr wird man aber durch die Neu-<lb/>
&#x017F;tadt in Er&#x017F;taunen ge&#x017F;etzt. Sie i&#x017F;t mit dem richtig&#x017F;ten<lb/>
Ge&#x017F;chmack angelegt, und wird immer &#x017F;cho&#x0364;ner. Be-<lb/>
&#x017F;onders i&#x017F;t <hi rendition="#aq">la Place Royale</hi> &#x017F;ehenswu&#x0364;rdig, wo <hi rendition="#fr">Lud-<lb/>
wig</hi>&#x2019;s <hi rendition="#fr">des 15ten</hi> Bild&#x017F;a&#x0364;ule aufgerichtet i&#x017F;t. Auch <hi rendition="#aq">la<lb/>
Caliere,</hi> ein andrer Platz, i&#x017F;t artig. Eben &#x017F;o <hi rendition="#aq">la Place<lb/>
d&#x2019;Alliance,</hi> und die <hi rendition="#aq">Pepiniere.</hi> Aber das &#x017F;cho&#x0364;n&#x017F;te<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">i&#x017F;t</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0046] nachlallen koͤnnen, weils der dickgemaͤſtete Pfaffe ſelber nicht kan, geſchweige verſtehen, um einen Liard eine Vier- telſtunde nachlaufen und winſeln. Die geiſtlichen Blut- igel haben alles, und die groͤßte Klaſſe der Einwohner ſchmachtet mitten im fruchtbarſten Lande vergeblich nach Bildung, Unterricht, oft um Ernaͤhrung. Und iſt auch irgendwo fuͤr viele Doͤrfer ein Pfaff von einem Klo- ſter angeſtellt, ſo bin ich verſichert worden, daß er ſelber fuͤr ſeine Perſon nichts Ueberfluͤſſiges habe. — So un- begreiflich ſchlecht ſind die Anſtalten, wo ſie am beſten ſeyn koͤnten! Die Chauſſeen ſind, wie uͤberall im Koͤnigreiche, praͤchtig, breit, mit Baͤumen zu beiden Seiten beſetzt, und uͤberall beſtaͤndig in gutem Stande. Luneville, eine der anmuthigſten Staͤdte, von einer ſehr betraͤchtlichen Groͤſſe; die Buͤrger ſollen auch aufgeweckte Leute ſeyn. Lauter langgeſtreckte, grade, ſich ſchoͤn durchkreutzende, Straſſen, hohe ſteinerne Haͤu- ſer, ein vortreflicher Platz, ein ſehenswuͤrdiges Schloß, das inwendig viele Koſtbarkeiten enthalten ſoll, mit artigen Spatziergaͤngen findet man da. Nancy, der Weg von Luneville nach Nancy iſt ſchoͤn, geht durch die ſchoͤnſten Felder, und hat herrliche Alleen. Die Vorſtaͤdte ſind ſchlecht, und verſprechen gar nichts. Deſtomehr wird man aber durch die Neu- ſtadt in Erſtaunen geſetzt. Sie iſt mit dem richtigſten Geſchmack angelegt, und wird immer ſchoͤner. Be- ſonders iſt la Place Royale ſehenswuͤrdig, wo Lud- wig’s des 15ten Bildſaͤule aufgerichtet iſt. Auch la Caliere, ein andrer Platz, iſt artig. Eben ſo la Place d’Alliance, und die Pepiniere. Aber das ſchoͤnſte iſt

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/46
Zitationshilfe: Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/46>, abgerufen am 21.11.2024.