Es ist nicht möglich, der Natur näher zu kommen. 5) Eine Madonna von Carlo Dolce. Ach, welch ein Stück! 6) Verschiedene Stücke von Ostade. Jezt zählt man die Figuren auf jedem Gemälde von diesem Meister, unb zahlt für jede Figur 1000. holländische Gul- den. 7) Melonen, Aprikosen, Pflaumen, Trauben, Pfirschen, Eidechsen, Schlangen etc. von Mignon. 8) Perspektivische Stücke von Peter Neefs. Grosse Tem- pel, Reihen von Hallen etc. Man meint, man müsse hinein gehen. Ueberall stand das herrlichste Porzellan, und in einem Glasschranke Modelle von Schiffen aus Elfenbein, die unbeschreiblich fein waren. Das alles, und vieles andre noch gehört einem reichen Thoren, den ich im 4ten Zimmer und auch im Portrait antraf. Ein Mann, welcher der gröste Hypochondrist auf Gottes Erd- boden ist, der seit 28. Jahren nicht aus dem Hause ge- kommen ist, der sich vor der Lust fürchtet und krank wird, wenn ohngefähr ein Fenster aufspringt etc. Ein Mann, der sich selbst im goldgestickten Schlafrocke, mit dem Bande um die Schlafmütze, und den kostbarsten Manschetten abmalen, und in dieses Zimmer setzen lassen: der sich in Kupfer stechen lies, und die Abdrücke den Fremden schenk- te, bis man ihm endlich ins Gesicht lachte. Ein Mann, der alles a tout prix kauft, die Namen der Maler wie ein Papagey weis, und Abends durch die Zimmer geht, und sich schlafen legt. So gewis ist es, daß man des- wegen nicht glücklich, weise, und zufrieden lebt, wenn man viele Güter hat. Der Mann gibt oft für ein Ge- mälde mehr, als mich meine ganze Reise kostet und kosten wird; aber er kan nicht aus einer Stadt in die andre rei- sen, zu Wasser und zu Lande auf dem Meer und im In- nern der Erde, beständig in Gottes Natur herum wan-
deln,
Es iſt nicht moͤglich, der Natur naͤher zu kommen. 5) Eine Madonna von Carlo Dolce. Ach, welch ein Stuͤck! 6) Verſchiedene Stuͤcke von Oſtade. Jezt zaͤhlt man die Figuren auf jedem Gemaͤlde von dieſem Meiſter, unb zahlt fuͤr jede Figur 1000. hollaͤndiſche Gul- den. 7) Melonen, Aprikoſen, Pflaumen, Trauben, Pfirſchen, Eidechſen, Schlangen ꝛc. von Mignon. 8) Perſpektiviſche Stuͤcke von Peter Neefs. Groſſe Tem- pel, Reihen von Hallen ꝛc. Man meint, man muͤſſe hinein gehen. Ueberall ſtand das herrlichſte Porzellan, und in einem Glasſchranke Modelle von Schiffen aus Elfenbein, die unbeſchreiblich fein waren. Das alles, und vieles andre noch gehoͤrt einem reichen Thoren, den ich im 4ten Zimmer und auch im Portrait antraf. Ein Mann, welcher der groͤſte Hypochondriſt auf Gottes Erd- boden iſt, der ſeit 28. Jahren nicht aus dem Hauſe ge- kommen iſt, der ſich vor der Luſt fuͤrchtet und krank wird, wenn ohngefaͤhr ein Fenſter aufſpringt ꝛc. Ein Mann, der ſich ſelbſt im goldgeſtickten Schlafrocke, mit dem Bande um die Schlafmuͤtze, und den koſtbarſten Manſchetten abmalen, und in dieſes Zimmer ſetzen laſſen: der ſich in Kupfer ſtechen lies, und die Abdruͤcke den Fremden ſchenk- te, bis man ihm endlich ins Geſicht lachte. Ein Mann, der alles à tout prix kauft, die Namen der Maler wie ein Papagey weis, und Abends durch die Zimmer geht, und ſich ſchlafen legt. So gewis iſt es, daß man des- wegen nicht gluͤcklich, weiſe, und zufrieden lebt, wenn man viele Guͤter hat. Der Mann gibt oft fuͤr ein Ge- maͤlde mehr, als mich meine ganze Reiſe koſtet und koſten wird; aber er kan nicht aus einer Stadt in die andre rei- ſen, zu Waſſer und zu Lande auf dem Meer und im In- nern der Erde, beſtaͤndig in Gottes Natur herum wan-
deln,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0466"n="442"/>
Es iſt nicht moͤglich, der Natur naͤher zu kommen. 5)<lb/>
Eine Madonna von <hirendition="#fr">Carlo Dolce.</hi> Ach, welch ein<lb/>
Stuͤck! 6) Verſchiedene Stuͤcke von <hirendition="#fr">Oſtade.</hi> Jezt<lb/>
zaͤhlt man die Figuren auf jedem Gemaͤlde von dieſem<lb/>
Meiſter, unb zahlt fuͤr jede Figur 1000. hollaͤndiſche Gul-<lb/>
den. 7) Melonen, Aprikoſen, Pflaumen, Trauben,<lb/>
Pfirſchen, Eidechſen, Schlangen ꝛc. von <hirendition="#fr">Mignon.</hi> 8)<lb/>
Perſpektiviſche Stuͤcke von <hirendition="#fr">Peter Neefs.</hi> Groſſe Tem-<lb/>
pel, Reihen von Hallen ꝛc. Man meint, man muͤſſe<lb/>
hinein gehen. Ueberall ſtand das herrlichſte <hirendition="#fr">Porzellan,</hi><lb/>
und in einem Glasſchranke <hirendition="#fr">Modelle von Schiffen</hi> aus<lb/>
Elfenbein, die unbeſchreiblich fein waren. Das alles,<lb/>
und vieles andre noch gehoͤrt einem reichen Thoren, den<lb/>
ich im 4ten Zimmer und auch im Portrait antraf. Ein<lb/>
Mann, welcher der groͤſte Hypochondriſt auf Gottes Erd-<lb/>
boden iſt, der ſeit 28. Jahren nicht aus dem Hauſe ge-<lb/>
kommen iſt, der ſich vor der Luſt fuͤrchtet und krank wird,<lb/>
wenn ohngefaͤhr ein Fenſter aufſpringt ꝛc. Ein Mann,<lb/>
der ſich ſelbſt im goldgeſtickten Schlafrocke, mit dem Bande<lb/>
um die Schlafmuͤtze, und den koſtbarſten Manſchetten<lb/>
abmalen, und in dieſes Zimmer ſetzen laſſen: der ſich in<lb/>
Kupfer ſtechen lies, und die Abdruͤcke den Fremden ſchenk-<lb/>
te, bis man ihm endlich ins Geſicht lachte. Ein Mann,<lb/>
der alles <hirendition="#aq">à tout prix</hi> kauft, die Namen der Maler wie<lb/>
ein Papagey weis, und Abends durch die Zimmer geht,<lb/>
und ſich ſchlafen legt. So gewis iſt es, daß man des-<lb/>
wegen nicht gluͤcklich, weiſe, und zufrieden lebt, wenn<lb/>
man viele Guͤter hat. Der Mann gibt oft fuͤr ein Ge-<lb/>
maͤlde mehr, als mich meine ganze Reiſe koſtet und koſten<lb/>
wird; aber er kan nicht aus einer Stadt in die andre rei-<lb/>ſen, zu Waſſer und zu Lande auf dem Meer und im In-<lb/>
nern der Erde, beſtaͤndig in Gottes Natur herum wan-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">deln,</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[442/0466]
Es iſt nicht moͤglich, der Natur naͤher zu kommen. 5)
Eine Madonna von Carlo Dolce. Ach, welch ein
Stuͤck! 6) Verſchiedene Stuͤcke von Oſtade. Jezt
zaͤhlt man die Figuren auf jedem Gemaͤlde von dieſem
Meiſter, unb zahlt fuͤr jede Figur 1000. hollaͤndiſche Gul-
den. 7) Melonen, Aprikoſen, Pflaumen, Trauben,
Pfirſchen, Eidechſen, Schlangen ꝛc. von Mignon. 8)
Perſpektiviſche Stuͤcke von Peter Neefs. Groſſe Tem-
pel, Reihen von Hallen ꝛc. Man meint, man muͤſſe
hinein gehen. Ueberall ſtand das herrlichſte Porzellan,
und in einem Glasſchranke Modelle von Schiffen aus
Elfenbein, die unbeſchreiblich fein waren. Das alles,
und vieles andre noch gehoͤrt einem reichen Thoren, den
ich im 4ten Zimmer und auch im Portrait antraf. Ein
Mann, welcher der groͤſte Hypochondriſt auf Gottes Erd-
boden iſt, der ſeit 28. Jahren nicht aus dem Hauſe ge-
kommen iſt, der ſich vor der Luſt fuͤrchtet und krank wird,
wenn ohngefaͤhr ein Fenſter aufſpringt ꝛc. Ein Mann,
der ſich ſelbſt im goldgeſtickten Schlafrocke, mit dem Bande
um die Schlafmuͤtze, und den koſtbarſten Manſchetten
abmalen, und in dieſes Zimmer ſetzen laſſen: der ſich in
Kupfer ſtechen lies, und die Abdruͤcke den Fremden ſchenk-
te, bis man ihm endlich ins Geſicht lachte. Ein Mann,
der alles à tout prix kauft, die Namen der Maler wie
ein Papagey weis, und Abends durch die Zimmer geht,
und ſich ſchlafen legt. So gewis iſt es, daß man des-
wegen nicht gluͤcklich, weiſe, und zufrieden lebt, wenn
man viele Guͤter hat. Der Mann gibt oft fuͤr ein Ge-
maͤlde mehr, als mich meine ganze Reiſe koſtet und koſten
wird; aber er kan nicht aus einer Stadt in die andre rei-
ſen, zu Waſſer und zu Lande auf dem Meer und im In-
nern der Erde, beſtaͤndig in Gottes Natur herum wan-
deln,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/466>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.