Die Kirche der heil. Gudula, oder La gran- de Eglise, denn sie ist ungeheuer gros, zugleich aber schön *). Ich fand darin merkwürdig: Die Bild- schnitzereien in Holz unter der Kanzel. Sie stellen vor, wie Adam und Eva aus dem Paradies verjagt werden. Ein Engel mit dem blanken Schwerte, über ihnen, treibt sie fort. Adam steht versenkt in Schmerz, sieht Even nicht an, und verdeckt das Gesicht. Unter ihnen sieht man vielerlei Thiere. Eine künstliche Schlange, die sich hinten an der Kanzel, -- es sind 2. Seitentreppen dar- an, -- hinauf windet, und mit ihrem Kopfe grade un- ter der Maria Füssen, die oben steht, hervorkömmt. Die Erfindung ist nach katholischem Glaubensbegrif, die Aus- führung aber herrlich. 2) Der Hochaltar, der heut, weil Kermes ist, so aufgeputzt war, wie er nur 8. Tage stehen bleiben wird. -- Vor Gold und massivem Sil- ber konnt' ich zuletzt nicht mehr sehen. Er ist erstaunlich hoch, und hinter und neben ihm hängen die herrlichsten Tapeten aus der Stadtmanufaktur. 3) Ein Gemäl- de von Rubens, wie Petrus von Christo die Bin- deschlüssel empfängt, vorstellend **). 4) Das Grab-
mahl
lungen, die der seel. Verfasser hier beschreibt, viele Veränderungen vorgegangen; indem der Kaiserl. Hof, als Erbe, Vieles davon, theils nach Wien schaffen, theils öffentlich verkaufen lassen. Herausgeber.
*) Sie liegt so hoch, daß man von dem Platze vor der grossen Thüre einen Theil der Stadt, und das hinter derselben liegende Feld übersehen kan. Herausgeber.
**) Es ist auf dem ersten Altare rechter Hand in der Ka- pelle des heil. Sakraments zu finden. Gehört es
gleich
Die Kirche der heil. Gudula, oder La gran- de Egliſe, denn ſie iſt ungeheuer gros, zugleich aber ſchoͤn *). Ich fand darin merkwuͤrdig: Die Bild- ſchnitzereien in Holz unter der Kanzel. Sie ſtellen vor, wie Adam und Eva aus dem Paradies verjagt werden. Ein Engel mit dem blanken Schwerte, uͤber ihnen, treibt ſie fort. Adam ſteht verſenkt in Schmerz, ſieht Even nicht an, und verdeckt das Geſicht. Unter ihnen ſieht man vielerlei Thiere. Eine kuͤnſtliche Schlange, die ſich hinten an der Kanzel, — es ſind 2. Seitentreppen dar- an, — hinauf windet, und mit ihrem Kopfe grade un- ter der Maria Fuͤſſen, die oben ſteht, hervorkoͤmmt. Die Erfindung iſt nach katholiſchem Glaubensbegrif, die Aus- fuͤhrung aber herrlich. 2) Der Hochaltar, der heut, weil Kermes iſt, ſo aufgeputzt war, wie er nur 8. Tage ſtehen bleiben wird. — Vor Gold und maſſivem Sil- ber konnt’ ich zuletzt nicht mehr ſehen. Er iſt erſtaunlich hoch, und hinter und neben ihm haͤngen die herrlichſten Tapeten aus der Stadtmanufaktur. 3) Ein Gemaͤl- de von Rubens, wie Petrus von Chriſto die Bin- deſchluͤſſel empfaͤngt, vorſtellend **). 4) Das Grab-
mahl
lungen, die der ſeel. Verfaſſer hier beſchreibt, viele Veraͤnderungen vorgegangen; indem der Kaiſerl. Hof, als Erbe, Vieles davon, theils nach Wien ſchaffen, theils oͤffentlich verkaufen laſſen. Herausgeber.
*) Sie liegt ſo hoch, daß man von dem Platze vor der groſſen Thuͤre einen Theil der Stadt, und das hinter derſelben liegende Feld uͤberſehen kan. Herausgeber.
**) Es iſt auf dem erſten Altare rechter Hand in der Ka- pelle des heil. Sakraments zu finden. Gehoͤrt es
gleich
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Die Kirche der heil. Gudula, oder La gran-
de Egliſe, denn ſie iſt ungeheuer gros, zugleich aber
ſchoͤn *). Ich fand darin merkwuͤrdig: Die Bild-
ſchnitzereien in Holz unter der Kanzel. Sie ſtellen vor,
wie Adam und Eva aus dem Paradies verjagt werden.
Ein Engel mit dem blanken Schwerte, uͤber ihnen, treibt
ſie fort. Adam ſteht verſenkt in Schmerz, ſieht Even
nicht an, und verdeckt das Geſicht. Unter ihnen ſieht
man vielerlei Thiere. Eine kuͤnſtliche Schlange, die ſich
hinten an der Kanzel, — es ſind 2. Seitentreppen dar-
an, — hinauf windet, und mit ihrem Kopfe grade un-
ter der Maria Fuͤſſen, die oben ſteht, hervorkoͤmmt. Die
Erfindung iſt nach katholiſchem Glaubensbegrif, die Aus-
fuͤhrung aber herrlich. 2) Der Hochaltar, der heut,
weil Kermes iſt, ſo aufgeputzt war, wie er nur 8. Tage
ſtehen bleiben wird. — Vor Gold und maſſivem Sil-
ber konnt’ ich zuletzt nicht mehr ſehen. Er iſt erſtaunlich
hoch, und hinter und neben ihm haͤngen die herrlichſten
Tapeten aus der Stadtmanufaktur. 3) Ein Gemaͤl-
de von Rubens, wie Petrus von Chriſto die Bin-
deſchluͤſſel empfaͤngt, vorſtellend **). 4) Das Grab-
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*) Sie liegt ſo hoch, daß man von dem Platze vor der
groſſen Thuͤre einen Theil der Stadt, und das hinter
derſelben liegende Feld uͤberſehen kan.
Herausgeber.
**) Es iſt auf dem erſten Altare rechter Hand in der Ka-
pelle des heil. Sakraments zu finden. Gehoͤrt es
gleich
*) lungen, die der ſeel. Verfaſſer hier beſchreibt, viele
Veraͤnderungen vorgegangen; indem der Kaiſerl.
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/470>, abgerufen am 22.11.2024.
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