Die Wachparade mit vielem Vergnügen. Die 4. Regimenter, die hier in Besatzung liegen, haben sehr schöne Leute. Ihre Musik ist unvergleichlich. Der Herzog Ernst Ludwig von Braunschweig kam selber auf die Parade. Er ist ein alter, sehr starker, aber noch lebhafter Herr *). Von da ging ich aufs
Naturalienkabinet des Prinzen Erbstatthalters. Man zeigt es alle Tage von 12.- halb 2. Uhr, **) denn man speißt hier erst um 2, viele erst um 3. Uhr. Es steht in 7. Zimmern, die man öfnet. Zwei im obern Stock sind, ausser einigen Skeletten, meist mit Kunstsa- chen angefüllt, z. B. mit Modellen von Schlössern, aus Papier ausgeschnitten, mit kostbaren Sachen aus Elfen- bein, darunter ist z. B. ein Stück die Prüfung Abra- hams vorstellend. Alles aus Elfenbein. Eine erschreck- liche Kühnheit in den Figuren. Der Engel ist oben halbfliegend, schwebend darüber etc. Im untern Stock
war:
*) Wegen einer Wunde muß er sich sein Wasser bestän- dig mit dem Katheter abzapfen lassen, und wird alle- mahl, wenn er 4. Stunden geschlafen hat, aufge- weckt.
**) Hr. Dr. Titius in seiner im 9ten Theile der Ber- nonillischen Sammlung kurzer Reisebeschreibungen befindlichen Reise sagt, es werde nur Montags und Freitags von 12. -- 1. Uhr öffentlich gezeigt, die übrigen Tage könne mans zwar auch besehen, man müsse aber 3. Gulden dafür zahlen. Ueberhaupt theilt dieser Gelehrte von diesen und andern, sowohl Naturalien- als Kunstsammlungen, Gelehrten etc. die er in Holland besah und kennen lernte, im vorgedach- tem Buche sehr ausführliche und gute Nachrichten mit. Herausgeber.
H h 4
Die Wachparade mit vielem Vergnuͤgen. Die 4. Regimenter, die hier in Beſatzung liegen, haben ſehr ſchoͤne Leute. Ihre Muſik iſt unvergleichlich. Der Herzog Ernſt Ludwig von Braunſchweig kam ſelber auf die Parade. Er iſt ein alter, ſehr ſtarker, aber noch lebhafter Herr *). Von da ging ich aufs
Naturalienkabinet des Prinzen Erbſtatthalters. Man zeigt es alle Tage von 12.- halb 2. Uhr, **) denn man ſpeißt hier erſt um 2, viele erſt um 3. Uhr. Es ſteht in 7. Zimmern, die man oͤfnet. Zwei im obern Stock ſind, auſſer einigen Skeletten, meiſt mit Kunſtſa- chen angefuͤllt, z. B. mit Modellen von Schloͤſſern, aus Papier ausgeſchnitten, mit koſtbaren Sachen aus Elfen- bein, darunter iſt z. B. ein Stuͤck die Pruͤfung Abra- hams vorſtellend. Alles aus Elfenbein. Eine erſchreck- liche Kuͤhnheit in den Figuren. Der Engel iſt oben halbfliegend, ſchwebend daruͤber ꝛc. Im untern Stock
war:
*) Wegen einer Wunde muß er ſich ſein Waſſer beſtaͤn- dig mit dem Katheter abzapfen laſſen, und wird alle- mahl, wenn er 4. Stunden geſchlafen hat, aufge- weckt.
**) Hr. Dr. Titius in ſeiner im 9ten Theile der Ber- nonilliſchen Sammlung kurzer Reiſebeſchreibungen befindlichen Reiſe ſagt, es werde nur Montags und Freitags von 12. — 1. Uhr oͤffentlich gezeigt, die uͤbrigen Tage koͤnne mans zwar auch beſehen, man muͤſſe aber 3. Gulden dafuͤr zahlen. Ueberhaupt theilt dieſer Gelehrte von dieſen und andern, ſowohl Naturalien- als Kunſtſammlungen, Gelehrten ꝛc. die er in Holland beſah und kennen lernte, im vorgedach- tem Buche ſehr ausfuͤhrliche und gute Nachrichten mit. Herausgeber.
H h 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><pbfacs="#f0511"n="487"/><p>Die <hirendition="#fr">Wachparade</hi> mit vielem Vergnuͤgen. Die<lb/>
4. Regimenter, die hier in Beſatzung liegen, haben ſehr<lb/>ſchoͤne Leute. Ihre Muſik iſt unvergleichlich. Der<lb/>
Herzog <hirendition="#fr">Ernſt Ludwig</hi> von <hirendition="#fr">Braunſchweig</hi> kam ſelber<lb/>
auf die Parade. Er iſt ein alter, ſehr ſtarker, aber<lb/>
noch lebhafter Herr <noteplace="foot"n="*)">Wegen einer Wunde muß er ſich ſein Waſſer beſtaͤn-<lb/>
dig mit dem Katheter abzapfen laſſen, und wird alle-<lb/>
mahl, wenn er 4. Stunden geſchlafen hat, aufge-<lb/>
weckt.</note>. Von da ging ich aufs</p><lb/><p><hirendition="#fr">Naturalienkabinet</hi> des Prinzen Erbſtatthalters.<lb/>
Man zeigt es alle Tage von 12.- halb 2. Uhr, <noteplace="foot"n="**)">Hr. Dr. <hirendition="#fr">Titius</hi> in ſeiner im 9ten Theile der <hirendition="#fr">Ber-<lb/>
nonilliſchen</hi> Sammlung kurzer Reiſebeſchreibungen<lb/>
befindlichen Reiſe ſagt, es werde nur Montags und<lb/>
Freitags von 12. — 1. Uhr oͤffentlich gezeigt, die<lb/>
uͤbrigen Tage koͤnne mans zwar auch beſehen, man<lb/>
muͤſſe aber 3. Gulden dafuͤr zahlen. Ueberhaupt<lb/>
theilt dieſer Gelehrte von dieſen und andern, ſowohl<lb/>
Naturalien- als Kunſtſammlungen, Gelehrten ꝛc. die<lb/>
er in <hirendition="#fr">Holland</hi> beſah und kennen lernte, im vorgedach-<lb/>
tem Buche ſehr ausfuͤhrliche und gute Nachrichten<lb/>
mit. <hirendition="#et"><hirendition="#fr">Herausgeber.</hi></hi></note> denn<lb/>
man ſpeißt hier erſt um 2, viele erſt um 3. Uhr. Es<lb/>ſteht in 7. Zimmern, die man oͤfnet. Zwei im obern<lb/>
Stock ſind, auſſer einigen Skeletten, meiſt mit Kunſtſa-<lb/>
chen angefuͤllt, z. B. mit Modellen von Schloͤſſern, aus<lb/>
Papier ausgeſchnitten, mit koſtbaren Sachen aus Elfen-<lb/>
bein, darunter iſt z. B. ein Stuͤck <hirendition="#fr">die Pruͤfung Abra-<lb/>
hams</hi> vorſtellend. Alles aus Elfenbein. Eine erſchreck-<lb/>
liche Kuͤhnheit in den Figuren. Der Engel iſt oben<lb/>
halbfliegend, ſchwebend daruͤber ꝛc. Im untern Stock<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H h 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">war:</fw><lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[487/0511]
Die Wachparade mit vielem Vergnuͤgen. Die
4. Regimenter, die hier in Beſatzung liegen, haben ſehr
ſchoͤne Leute. Ihre Muſik iſt unvergleichlich. Der
Herzog Ernſt Ludwig von Braunſchweig kam ſelber
auf die Parade. Er iſt ein alter, ſehr ſtarker, aber
noch lebhafter Herr *). Von da ging ich aufs
Naturalienkabinet des Prinzen Erbſtatthalters.
Man zeigt es alle Tage von 12.- halb 2. Uhr, **) denn
man ſpeißt hier erſt um 2, viele erſt um 3. Uhr. Es
ſteht in 7. Zimmern, die man oͤfnet. Zwei im obern
Stock ſind, auſſer einigen Skeletten, meiſt mit Kunſtſa-
chen angefuͤllt, z. B. mit Modellen von Schloͤſſern, aus
Papier ausgeſchnitten, mit koſtbaren Sachen aus Elfen-
bein, darunter iſt z. B. ein Stuͤck die Pruͤfung Abra-
hams vorſtellend. Alles aus Elfenbein. Eine erſchreck-
liche Kuͤhnheit in den Figuren. Der Engel iſt oben
halbfliegend, ſchwebend daruͤber ꝛc. Im untern Stock
war:
*) Wegen einer Wunde muß er ſich ſein Waſſer beſtaͤn-
dig mit dem Katheter abzapfen laſſen, und wird alle-
mahl, wenn er 4. Stunden geſchlafen hat, aufge-
weckt.
**) Hr. Dr. Titius in ſeiner im 9ten Theile der Ber-
nonilliſchen Sammlung kurzer Reiſebeſchreibungen
befindlichen Reiſe ſagt, es werde nur Montags und
Freitags von 12. — 1. Uhr oͤffentlich gezeigt, die
uͤbrigen Tage koͤnne mans zwar auch beſehen, man
muͤſſe aber 3. Gulden dafuͤr zahlen. Ueberhaupt
theilt dieſer Gelehrte von dieſen und andern, ſowohl
Naturalien- als Kunſtſammlungen, Gelehrten ꝛc. die
er in Holland beſah und kennen lernte, im vorgedach-
tem Buche ſehr ausfuͤhrliche und gute Nachrichten
mit. Herausgeber.
H h 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Sie haben einen Fehler gefunden?
Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform
DTAQ melden.
Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 487. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/511>, abgerufen am 26.06.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.