Nordsee hat. Es lebt blos vom Fischfange und See- fahrt. Der Weg dahin ist eine prächtige, 25. Fuß breite Allee, ganz mit aufrechtstehenden Backsteinen belegt, für die Fahrenden, Gehenden, und Reitenden abgetheilt, und sauber, so wie alles in Holland. Man begegnet bestän- dig den kleinen Karren, die mit Menschen und Fischen be- laden, durch grosse Hunde nach dem Haag gezogen wer- den. Man ladet den Hunden schwer auf, und sie wer- den in kurzer Zeit ganz steif vom Laufen und Ziehen. In Schevelingen gibts sehr reiche holländische Bauern, und die herrlichsten Kuh-Melkereien. Ich fand, daß die Leute hier schon neue Grundbirnen assen. Im Dor- fe selber handeln einige mit Konchylien. Oben steht eine kleine Kirche, in der inwendig einige Wallfischknochen waren. Bei dieser Kirche hat man die herrlichste Aus- sicht in die See. Was soll ich davon sagen? Könnt' ich mir alle Tage diesen kostbaren Anblick verschaffen?
Da rauschts Anbetung Gottes in die Seele, Da liegt die Allmacht aufgedeckt. --
Das majestätische Brausen des Meers, das Ausschwel- len, Sinken und Anschlagen des Wassers, die unzähli- gen Berge von Schaum, die sich in der Ferne bilden, fürchterlich daher wälzen, und unter den Füssen des Men- schen sich brechen, und das unzählbare Heer von man- nichfaltigen, gröstentheils noch unbekannten Seegeschöpfen, und das Ufer des Meers mit Schiffen besetzt, die See- möven, die beständig hin und herfliegen, die Windstös- se, die unaufhörlich von der ebenen Fläche unter dem Gewölbe des Himmels daher fahren, die Sand-Dünen, welche die See ausschäumt, und wieder wegspült; -- das alles füllt die Seele mit grossen unbeschreiblichen Em-
pfindungen,
Nordſee hat. Es lebt blos vom Fiſchfange und See- fahrt. Der Weg dahin iſt eine praͤchtige, 25. Fuß breite Allee, ganz mit aufrechtſtehenden Backſteinen belegt, fuͤr die Fahrenden, Gehenden, und Reitenden abgetheilt, und ſauber, ſo wie alles in Holland. Man begegnet beſtaͤn- dig den kleinen Karren, die mit Menſchen und Fiſchen be- laden, durch groſſe Hunde nach dem Haag gezogen wer- den. Man ladet den Hunden ſchwer auf, und ſie wer- den in kurzer Zeit ganz ſteif vom Laufen und Ziehen. In Schevelingen gibts ſehr reiche hollaͤndiſche Bauern, und die herrlichſten Kuh-Melkereien. Ich fand, daß die Leute hier ſchon neue Grundbirnen aſſen. Im Dor- fe ſelber handeln einige mit Konchylien. Oben ſteht eine kleine Kirche, in der inwendig einige Wallfiſchknochen waren. Bei dieſer Kirche hat man die herrlichſte Aus- ſicht in die See. Was ſoll ich davon ſagen? Koͤnnt’ ich mir alle Tage dieſen koſtbaren Anblick verſchaffen?
Da rauſchts Anbetung Gottes in die Seele, Da liegt die Allmacht aufgedeckt. —
Das majeſtaͤtiſche Brauſen des Meers, das Auſſchwel- len, Sinken und Anſchlagen des Waſſers, die unzaͤhli- gen Berge von Schaum, die ſich in der Ferne bilden, fuͤrchterlich daher waͤlzen, und unter den Fuͤſſen des Men- ſchen ſich brechen, und das unzaͤhlbare Heer von man- nichfaltigen, groͤſtentheils noch unbekannten Seegeſchoͤpfen, und das Ufer des Meers mit Schiffen beſetzt, die See- moͤven, die beſtaͤndig hin und herfliegen, die Windſtoͤſ- ſe, die unaufhoͤrlich von der ebenen Flaͤche unter dem Gewoͤlbe des Himmels daher fahren, die Sand-Duͤnen, welche die See ausſchaͤumt, und wieder wegſpuͤlt; — das alles fuͤllt die Seele mit groſſen unbeſchreiblichen Em-
pfindungen,
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Nordſee hat. Es lebt blos vom Fiſchfange und See-
fahrt. Der Weg dahin iſt eine praͤchtige, 25. Fuß breite
Allee, ganz mit aufrechtſtehenden Backſteinen belegt, fuͤr
die Fahrenden, Gehenden, und Reitenden abgetheilt, und
ſauber, ſo wie alles in Holland. Man begegnet beſtaͤn-
dig den kleinen Karren, die mit Menſchen und Fiſchen be-
laden, durch groſſe Hunde nach dem Haag gezogen wer-
den. Man ladet den Hunden ſchwer auf, und ſie wer-
den in kurzer Zeit ganz ſteif vom Laufen und Ziehen. In
Schevelingen gibts ſehr reiche hollaͤndiſche Bauern,
und die herrlichſten Kuh-Melkereien. Ich fand, daß
die Leute hier ſchon neue Grundbirnen aſſen. Im Dor-
fe ſelber handeln einige mit Konchylien. Oben ſteht eine
kleine Kirche, in der inwendig einige Wallfiſchknochen
waren. Bei dieſer Kirche hat man die herrlichſte Aus-
ſicht in die See. Was ſoll ich davon ſagen? Koͤnnt’ ich
mir alle Tage dieſen koſtbaren Anblick verſchaffen?
Da rauſchts Anbetung Gottes in die Seele,
Da liegt die Allmacht aufgedeckt. —
Das majeſtaͤtiſche Brauſen des Meers, das Auſſchwel-
len, Sinken und Anſchlagen des Waſſers, die unzaͤhli-
gen Berge von Schaum, die ſich in der Ferne bilden,
fuͤrchterlich daher waͤlzen, und unter den Fuͤſſen des Men-
ſchen ſich brechen, und das unzaͤhlbare Heer von man-
nichfaltigen, groͤſtentheils noch unbekannten Seegeſchoͤpfen,
und das Ufer des Meers mit Schiffen beſetzt, die See-
moͤven, die beſtaͤndig hin und herfliegen, die Windſtoͤſ-
ſe, die unaufhoͤrlich von der ebenen Flaͤche unter dem
Gewoͤlbe des Himmels daher fahren, die Sand-Duͤnen,
welche die See ausſchaͤumt, und wieder wegſpuͤlt; —
das alles fuͤllt die Seele mit groſſen unbeſchreiblichen Em-
pfindungen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/522>, abgerufen am 24.11.2024.
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