pfindungen, die Jedem, der das nicht zu sehen gewohnt ist, wichtig und eindringend seyn müssen. Ich ging lan- ge am Gestade herum, sah über das Wogen-Meer hin, empfand die Pracht der Natur, sah den Allmächtigen, sah den Allwissenden vor mir, und -- schwieg. Jede Welle wirft eine ungeheure Menge von Muscheln, Fi- schen und andern Meerkörpern aus; ich nahm manches Produkt in die Hand, von dem ich mich auf keine Be- schreibung, auf keine Zeichnung besinnen konnte, und wie lebhaft sah ich da das Bild der menschlichen Unwissenheit, und die Majestät der allsehenden Erkenntnis Gottes! Könnten wir doch, dacht' ich, die verborgenen Reichthü- mer des Oceans kennen lernen! Könnten wir doch in die Tiefe steigen, und den Schöpfer im Meer bewundern! -- Zuletzt must' ich fort vom rauschenden Schauplatz der Grösse Gottes, und nahm zum Andenken an diese frohe Stunden, einen starken Vorrath von Muscheln und Schnecken mit mir.
Aufm Rückwege ging ich rechter Hand in der Mitte der Allee nach Sorgvliedt, einem grossen altmodischen Garten, und Landsitze, ehemals dem Lieblings-Dichter der Nation Cats, jetzt aber dem Grafen von Bentink gehörig. Das Schönste waren 2. kleine Häuschen, in denen sehr künstliche Fontainen zwischen unmerklichen Ritzen angebracht waren. Der Bediente durste nur eine kleine Welle ein wenig umdrehen, so kam aus allen Or- ten der feinste Staubregen, nach allen Direktionen unter- einander und gegeneinander hervor *).
Beim
*) Durch den jetzigen Besitzer ist dieser Garten nun ganz umgeschaffen, nach englischer Art eingerichtet, und ungemein verschönert worden. Herausgeber.
J i 2
pfindungen, die Jedem, der das nicht zu ſehen gewohnt iſt, wichtig und eindringend ſeyn muͤſſen. Ich ging lan- ge am Geſtade herum, ſah uͤber das Wogen-Meer hin, empfand die Pracht der Natur, ſah den Allmaͤchtigen, ſah den Allwiſſenden vor mir, und — ſchwieg. Jede Welle wirft eine ungeheure Menge von Muſcheln, Fi- ſchen und andern Meerkoͤrpern aus; ich nahm manches Produkt in die Hand, von dem ich mich auf keine Be- ſchreibung, auf keine Zeichnung beſinnen konnte, und wie lebhaft ſah ich da das Bild der menſchlichen Unwiſſenheit, und die Majeſtaͤt der allſehenden Erkenntnis Gottes! Koͤnnten wir doch, dacht’ ich, die verborgenen Reichthuͤ- mer des Oceans kennen lernen! Koͤnnten wir doch in die Tiefe ſteigen, und den Schoͤpfer im Meer bewundern! — Zuletzt muſt’ ich fort vom rauſchenden Schauplatz der Groͤſſe Gottes, und nahm zum Andenken an dieſe frohe Stunden, einen ſtarken Vorrath von Muſcheln und Schnecken mit mir.
Aufm Ruͤckwege ging ich rechter Hand in der Mitte der Allee nach Sorgvliedt, einem groſſen altmodiſchen Garten, und Landſitze, ehemals dem Lieblings-Dichter der Nation Cats, jetzt aber dem Grafen von Bentink gehoͤrig. Das Schoͤnſte waren 2. kleine Haͤuschen, in denen ſehr kuͤnſtliche Fontainen zwiſchen unmerklichen Ritzen angebracht waren. Der Bediente durſte nur eine kleine Welle ein wenig umdrehen, ſo kam aus allen Or- ten der feinſte Staubregen, nach allen Direktionen unter- einander und gegeneinander hervor *).
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*) Durch den jetzigen Beſitzer iſt dieſer Garten nun ganz umgeſchaffen, nach engliſcher Art eingerichtet, und ungemein verſchoͤnert worden. Herausgeber.
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pfindungen, die Jedem, der das nicht zu ſehen gewohnt
iſt, wichtig und eindringend ſeyn muͤſſen. Ich ging lan-
ge am Geſtade herum, ſah uͤber das Wogen-Meer hin,
empfand die Pracht der Natur, ſah den Allmaͤchtigen,
ſah den Allwiſſenden vor mir, und — ſchwieg. Jede
Welle wirft eine ungeheure Menge von Muſcheln, Fi-
ſchen und andern Meerkoͤrpern aus; ich nahm manches
Produkt in die Hand, von dem ich mich auf keine Be-
ſchreibung, auf keine Zeichnung beſinnen konnte, und wie
lebhaft ſah ich da das Bild der menſchlichen Unwiſſenheit,
und die Majeſtaͤt der allſehenden Erkenntnis Gottes!
Koͤnnten wir doch, dacht’ ich, die verborgenen Reichthuͤ-
mer des Oceans kennen lernen! Koͤnnten wir doch in die
Tiefe ſteigen, und den Schoͤpfer im Meer bewundern! —
Zuletzt muſt’ ich fort vom rauſchenden Schauplatz der
Groͤſſe Gottes, und nahm zum Andenken an dieſe frohe
Stunden, einen ſtarken Vorrath von Muſcheln und
Schnecken mit mir.
Aufm Ruͤckwege ging ich rechter Hand in der Mitte
der Allee nach Sorgvliedt, einem groſſen altmodiſchen
Garten, und Landſitze, ehemals dem Lieblings-Dichter
der Nation Cats, jetzt aber dem Grafen von Bentink
gehoͤrig. Das Schoͤnſte waren 2. kleine Haͤuschen, in
denen ſehr kuͤnſtliche Fontainen zwiſchen unmerklichen
Ritzen angebracht waren. Der Bediente durſte nur eine
kleine Welle ein wenig umdrehen, ſo kam aus allen Or-
ten der feinſte Staubregen, nach allen Direktionen unter-
einander und gegeneinander hervor *).
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*) Durch den jetzigen Beſitzer iſt dieſer Garten nun
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 499. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/523>, abgerufen am 24.11.2024.
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