Schätzen, welche die Natur diesem Lande in den Bergen mitgetheilt hat, ist das Land ebenfalls sehr reich an Wal- dungen. Alle 3. Religionen leben da untereinander, und die Landesherrschaft wechselt auch auf einem kleinen Stri- che Landes sehr oft ab. In Munzingen, Martin- stein etc. wächst ein kostbarer Wein. Der Wein an der Nohe hat überhaupt viel Stärke, hat aber dabei etwas rauhes, hartes; man muß ihn gewohnt seyn, um ihn gern zu trinken. Die Sprache hat viele unangenehme Besonderheiten, rolig heist schlecht, neist heist nicht etc. Die Nohe hat so einen wilden krummen Lauf, wie die Elz im Prechthal. Sie bleibt in keinem Bette, war jetzt sehr klein, schwillt aber im Winter erstaunend an, hat viele gefährliche Tiefen, und muß, wo man hin will, sehr oft passirt werden. Abends war ich noch in
Beckerbach, einem Baadenschen Ort, eine kleine Stunde von hier beim katholischen Pfarrer. Das sind Leute, die sind grob, unwissend, wollüstig, und grosse Freunde vom Wein.
Den 5ten Sept.
Naumburg ist ein altes fürstliches Schlos, das vor etlichen Jahren ausgebessert worden ist, ehemals von einem Amtmann, und jetzt vom Verrechner bewohnt wird. Es steht ganz allein auf einem Berge, und wird alle Tage von 2. Wächtern aus den dazu gehörigen Dorf- schaften bewacht, und bedient. Sie lösen sich um Mit- tag ab, haben des Nachts ein Horn zum Stundenrufen, sitzen in einer Wachstube etc. So ist es auf mehrern isolirten Schlössern im Sponheimschen eingerichtet. Das Wasser, das da gebraucht wird, muß von einem Berge
in
Schaͤtzen, welche die Natur dieſem Lande in den Bergen mitgetheilt hat, iſt das Land ebenfalls ſehr reich an Wal- dungen. Alle 3. Religionen leben da untereinander, und die Landesherrſchaft wechſelt auch auf einem kleinen Stri- che Landes ſehr oft ab. In Munzingen, Martin- ſtein ꝛc. waͤchſt ein koſtbarer Wein. Der Wein an der Nohe hat uͤberhaupt viel Staͤrke, hat aber dabei etwas rauhes, hartes; man muß ihn gewohnt ſeyn, um ihn gern zu trinken. Die Sprache hat viele unangenehme Beſonderheiten, rolig heiſt ſchlecht, neiſt heiſt nicht ꝛc. Die Nohe hat ſo einen wilden krummen Lauf, wie die Elz im Prechthal. Sie bleibt in keinem Bette, war jetzt ſehr klein, ſchwillt aber im Winter erſtaunend an, hat viele gefaͤhrliche Tiefen, und muß, wo man hin will, ſehr oft paſſirt werden. Abends war ich noch in
Beckerbach, einem Baadenſchen Ort, eine kleine Stunde von hier beim katholiſchen Pfarrer. Das ſind Leute, die ſind grob, unwiſſend, wolluͤſtig, und groſſe Freunde vom Wein.
Den 5ten Sept.
Naumburg iſt ein altes fuͤrſtliches Schlos, das vor etlichen Jahren ausgebeſſert worden iſt, ehemals von einem Amtmann, und jetzt vom Verrechner bewohnt wird. Es ſteht ganz allein auf einem Berge, und wird alle Tage von 2. Waͤchtern aus den dazu gehoͤrigen Dorf- ſchaften bewacht, und bedient. Sie loͤſen ſich um Mit- tag ab, haben des Nachts ein Horn zum Stundenrufen, ſitzen in einer Wachſtube ꝛc. So iſt es auf mehrern iſolirten Schloͤſſern im Sponheimſchen eingerichtet. Das Waſſer, das da gebraucht wird, muß von einem Berge
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Schaͤtzen, welche die Natur dieſem Lande in den Bergen
mitgetheilt hat, iſt das Land ebenfalls ſehr reich an Wal-
dungen. Alle 3. Religionen leben da untereinander, und
die Landesherrſchaft wechſelt auch auf einem kleinen Stri-
che Landes ſehr oft ab. In Munzingen, Martin-
ſtein ꝛc. waͤchſt ein koſtbarer Wein. Der Wein an der
Nohe hat uͤberhaupt viel Staͤrke, hat aber dabei etwas
rauhes, hartes; man muß ihn gewohnt ſeyn, um ihn
gern zu trinken. Die Sprache hat viele unangenehme
Beſonderheiten, rolig heiſt ſchlecht, neiſt heiſt nicht ꝛc.
Die Nohe hat ſo einen wilden krummen Lauf, wie die
Elz im Prechthal. Sie bleibt in keinem Bette, war
jetzt ſehr klein, ſchwillt aber im Winter erſtaunend an,
hat viele gefaͤhrliche Tiefen, und muß, wo man hin
will, ſehr oft paſſirt werden. Abends war ich noch in
Beckerbach, einem Baadenſchen Ort, eine kleine
Stunde von hier beim katholiſchen Pfarrer. Das ſind
Leute, die ſind grob, unwiſſend, wolluͤſtig, und groſſe
Freunde vom Wein.
Den 5ten Sept.
Naumburg iſt ein altes fuͤrſtliches Schlos, das vor
etlichen Jahren ausgebeſſert worden iſt, ehemals von
einem Amtmann, und jetzt vom Verrechner bewohnt
wird. Es ſteht ganz allein auf einem Berge, und wird
alle Tage von 2. Waͤchtern aus den dazu gehoͤrigen Dorf-
ſchaften bewacht, und bedient. Sie loͤſen ſich um Mit-
tag ab, haben des Nachts ein Horn zum Stundenrufen,
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 620. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/644>, abgerufen am 22.11.2024.
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