stiche zu theuer wären. Ich ging heute Sibbaldi Pro- drom. Hist. nat. oder Scotia illustrata durch. Ver- gebens fragte ich hier nach seiner Balaenologia. Es stand nicht im Katalog, und am erstern Buch war's nicht angebunden.
Madem. Basseporte lernte ich auch heute kennen. Sie ist eine Jungfer von 80. Jahren, mit der mich M. de Villoison bekannt machte. Sie wohnt im botani- schen Garten, hat Reisen gethan, und sich schon über 46. Jahre im Zeichnen und Mahlen der Pflanzen und Thiere geübt. Zum Erstaunen ist's, wie sie die Natur nachgeahmt hat. Alles ist ausgedruckt, alles lebt, al- les, bis zum Entzücken, mit einer Delikatesse, die ihres gleichen nicht hat. Die genauste Richtigkeit und die größte Feinheit herrscht in jedem Stück. Sie wieß uns Ket- mia, Martinia, Helleborus, Convolvulus, Ama- ranthus etc. jedes war auf einem halben Bogen von feinem dünnen Pergament. Man konnte nicht reden, man mußte nur sehen. In keinem Hortus, in keiner Flora ist die Natur so erreicht worden. Sie wieß uns auch einige Phalänen, z. B. die Portemiroirs, sie waren auch prächtig, die kleinen Haare am Bauch, die Bordirungen, alles war dargestellt, doch haben Cra- mer, Drury, Clerck, auch Rösel etc. diese eben so schön abgebildet. Aber zwei Schlangen zeigte sie uns, die das Auge nicht schöner sehen konnte. Alle Flecken, alle Schuppen, selbst die scharfen Kanten, das Schielende in den Farben, der Kopf, die doppelte Zunge, das Beis- sige im Blick, die unmerklich kleinen Schuppen am Schwanz, alles hatte sie bewundernswürdig nachgeahmt. Sie hat natürlich an den Augen schon stark gelitten, und
klagte
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ſtiche zu theuer waͤren. Ich ging heute Sibbaldi Pro- drom. Hiſt. nat. oder Scotia illuſtrata durch. Ver- gebens fragte ich hier nach ſeiner Balaenologia. Es ſtand nicht im Katalog, und am erſtern Buch war’s nicht angebunden.
Madem. Baſſeporte lernte ich auch heute kennen. Sie iſt eine Jungfer von 80. Jahren, mit der mich M. de Villoiſon bekannt machte. Sie wohnt im botani- ſchen Garten, hat Reiſen gethan, und ſich ſchon uͤber 46. Jahre im Zeichnen und Mahlen der Pflanzen und Thiere geuͤbt. Zum Erſtaunen iſt’s, wie ſie die Natur nachgeahmt hat. Alles iſt ausgedruckt, alles lebt, al- les, bis zum Entzuͤcken, mit einer Delikateſſe, die ihres gleichen nicht hat. Die genauſte Richtigkeit und die groͤßte Feinheit herrſcht in jedem Stuͤck. Sie wieß uns Ket- mia, Martinia, Helleborus, Convolvulus, Ama- ranthus etc. jedes war auf einem halben Bogen von feinem duͤnnen Pergament. Man konnte nicht reden, man mußte nur ſehen. In keinem Hortus, in keiner Flora iſt die Natur ſo erreicht worden. Sie wieß uns auch einige Phalaͤnen, z. B. die Portemiroirs, ſie waren auch praͤchtig, die kleinen Haare am Bauch, die Bordirungen, alles war dargeſtellt, doch haben Cra- mer, Drury, Clerck, auch Roͤſel ꝛc. dieſe eben ſo ſchoͤn abgebildet. Aber zwei Schlangen zeigte ſie uns, die das Auge nicht ſchoͤner ſehen konnte. Alle Flecken, alle Schuppen, ſelbſt die ſcharfen Kanten, das Schielende in den Farben, der Kopf, die doppelte Zunge, das Beiſ- ſige im Blick, die unmerklich kleinen Schuppen am Schwanz, alles hatte ſie bewundernswuͤrdig nachgeahmt. Sie hat natuͤrlich an den Augen ſchon ſtark gelitten, und
klagte
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ſtiche zu theuer waͤren. Ich ging heute Sibbaldi Pro-
drom. Hiſt. nat. oder Scotia illuſtrata durch. Ver-
gebens fragte ich hier nach ſeiner Balaenologia. Es
ſtand nicht im Katalog, und am erſtern Buch war’s
nicht angebunden.
Madem. Baſſeporte lernte ich auch heute kennen.
Sie iſt eine Jungfer von 80. Jahren, mit der mich M.
de Villoiſon bekannt machte. Sie wohnt im botani-
ſchen Garten, hat Reiſen gethan, und ſich ſchon uͤber
46. Jahre im Zeichnen und Mahlen der Pflanzen und
Thiere geuͤbt. Zum Erſtaunen iſt’s, wie ſie die Natur
nachgeahmt hat. Alles iſt ausgedruckt, alles lebt, al-
les, bis zum Entzuͤcken, mit einer Delikateſſe, die ihres
gleichen nicht hat. Die genauſte Richtigkeit und die groͤßte
Feinheit herrſcht in jedem Stuͤck. Sie wieß uns Ket-
mia, Martinia, Helleborus, Convolvulus, Ama-
ranthus etc. jedes war auf einem halben Bogen von
feinem duͤnnen Pergament. Man konnte nicht reden,
man mußte nur ſehen. In keinem Hortus, in keiner
Flora iſt die Natur ſo erreicht worden. Sie wieß
uns auch einige Phalaͤnen, z. B. die Portemiroirs, ſie
waren auch praͤchtig, die kleinen Haare am Bauch, die
Bordirungen, alles war dargeſtellt, doch haben Cra-
mer, Drury, Clerck, auch Roͤſel ꝛc. dieſe eben ſo ſchoͤn
abgebildet. Aber zwei Schlangen zeigte ſie uns, die das
Auge nicht ſchoͤner ſehen konnte. Alle Flecken, alle
Schuppen, ſelbſt die ſcharfen Kanten, das Schielende
in den Farben, der Kopf, die doppelte Zunge, das Beiſ-
ſige im Blick, die unmerklich kleinen Schuppen am
Schwanz, alles hatte ſie bewundernswuͤrdig nachgeahmt.
Sie hat natuͤrlich an den Augen ſchon ſtark gelitten, und
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 1. Leipzig, 1783, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung01_1783/79>, abgerufen am 21.11.2024.
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