lichsten Ausdrücken zu. Sobald er von Göt- tingen zurückkam, unterwarf er sich den ge- wöhnlichen Prüfungen, legte die herrlichsten Pro- ben seines Fleißes und seiner Talente ab, und ward so gleich als Professor am Gymnasium il- lustre zu Karlsruhe angestellt. Ganz seinem Lieblingswunsch war diese Versorgung nicht ge- mäs. Er wünschte lieber irgendwo auf dem stil- len Lande eine kleine geschloßne Gemeinde zu un- terrichten, wo er, wie er in seinem Erbauungsbuche behauptet, viel besser, viel offenherziger wir- ken, auch mehr sich selber leben könnte. Allein, wäre dieser Wunsch erfüllt worden, so hätte er dann seine Gemeinde nicht so oft, wie seine Zu- hörer in Karlsruhe, verlaßen, nicht so viele gelehrte Reisen anstellen, nicht so viele Men- schen und Länder kennen, nicht so viele Erfah- rung einsammeln und benutzen, nicht so tiefe und sichere Blicke in das menschliche Herz thun, und sich so gemeinnützig nicht machen können, als es zu seiner Ehre geschehen ist. Wäre es ihm auch nicht ergangen, wie manchen Dorfpfar- rern, die mit grossen Gaben und Kenntnissen ausgerüstet, und mit tausend litterarischen Pro- jecten erfüllt aufs Land ziehen, aber bald von Haus- und Nahrungssorgen belagert werden,
bald
lichſten Ausdruͤcken zu. Sobald er von Goͤt- tingen zuruͤckkam, unterwarf er ſich den ge- woͤhnlichen Pruͤfungen, legte die herrlichſten Pro- ben ſeines Fleißes und ſeiner Talente ab, und ward ſo gleich als Profeſſor am Gymnaſium il- luſtre zu Karlsruhe angeſtellt. Ganz ſeinem Lieblingswunſch war dieſe Verſorgung nicht ge- maͤs. Er wuͤnſchte lieber irgendwo auf dem ſtil- len Lande eine kleine geſchloßne Gemeinde zu un- terrichten, wo er, wie er in ſeinem Erbauungsbuche behauptet, viel beſſer, viel offenherziger wir- ken, auch mehr ſich ſelber leben koͤnnte. Allein, waͤre dieſer Wunſch erfuͤllt worden, ſo haͤtte er dann ſeine Gemeinde nicht ſo oft, wie ſeine Zu- hoͤrer in Karlsruhe, verlaßen, nicht ſo viele gelehrte Reiſen anſtellen, nicht ſo viele Men- ſchen und Laͤnder kennen, nicht ſo viele Erfah- rung einſammeln und benutzen, nicht ſo tiefe und ſichere Blicke in das menſchliche Herz thun, und ſich ſo gemeinnuͤtzig nicht machen koͤnnen, als es zu ſeiner Ehre geſchehen iſt. Waͤre es ihm auch nicht ergangen, wie manchen Dorfpfar- rern, die mit groſſen Gaben und Kenntniſſen ausgeruͤſtet, und mit tauſend litterariſchen Pro- jecten erfuͤllt aufs Land ziehen, aber bald von Haus- und Nahrungsſorgen belagert werden,
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[VIII/0014]
lichſten Ausdruͤcken zu. Sobald er von Goͤt-
tingen zuruͤckkam, unterwarf er ſich den ge-
woͤhnlichen Pruͤfungen, legte die herrlichſten Pro-
ben ſeines Fleißes und ſeiner Talente ab, und
ward ſo gleich als Profeſſor am Gymnaſium il-
luſtre zu Karlsruhe angeſtellt. Ganz ſeinem
Lieblingswunſch war dieſe Verſorgung nicht ge-
maͤs. Er wuͤnſchte lieber irgendwo auf dem ſtil-
len Lande eine kleine geſchloßne Gemeinde zu un-
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ken, auch mehr ſich ſelber leben koͤnnte. Allein,
waͤre dieſer Wunſch erfuͤllt worden, ſo haͤtte er
dann ſeine Gemeinde nicht ſo oft, wie ſeine Zu-
hoͤrer in Karlsruhe, verlaßen, nicht ſo viele
gelehrte Reiſen anſtellen, nicht ſo viele Men-
ſchen und Laͤnder kennen, nicht ſo viele Erfah-
rung einſammeln und benutzen, nicht ſo tiefe und
ſichere Blicke in das menſchliche Herz thun, und
ſich ſo gemeinnuͤtzig nicht machen koͤnnen, als es
zu ſeiner Ehre geſchehen iſt. Waͤre es ihm
auch nicht ergangen, wie manchen Dorfpfar-
rern, die mit groſſen Gaben und Kenntniſſen
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Kommentar zur DTA-Ausgabe
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird … [mehr]
Erst ein Jahr nach dem Tod Heinrich Sanders wird dessen Reisebeschreibung veröffentlicht. Es handelt sich dabei um ein druckfertiges Manuskript aus dem Nachlass, welches Sanders Vater dem Verleger Friedrich Gotthold Jacobäer zur Verfügung stellte. Nach dem Vorbericht des Herausgebers wurden nur einige wenige Schreibfehler berichtigt (siehe dazu den Vorbericht des Herausgebers des ersten Bandes, Faksimile 0019f.).
Sander, Heinrich: Beschreibung seiner Reisen durch Frankreich, die Niederlande, Holland, Deutschland und Italien. Bd. 2. Leipzig, 1784, S. VIII. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sander_beschreibung02_1784/14>, abgerufen am 03.12.2024.
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